Meine Hand lag in seiner. Seine Finger schlossen sich fest um meine. Trotz der ganzen Kabel an meinem Körper, hatten wir es geschafft, dass er sich mit zu mir in mein Bett legen und ich in seinen Arm kommen konnte. Seine Schuhe hatte er davor ausgezogen, achtlos in die nächstbeste Ecke geschmissen. Sein Gesicht platzierte er direkt an meinem, seine Stirn berührte meine Schläfe. Ich spürte seinen warmen Atem leicht an mir herabwandern, dieses Gefühl beruhigte mich. Es stoppte zwar nicht meine Tränen, die aus mir ausbrachen, wie der Regen nach einem heißen Sommertag, doch er hielt mich fest, ließ mich nicht los. Ich fühlte mich geborgen, obwohl ich mich so einsam und gebrochen, wie schon lange nicht fühlte. Es war paradox.
Seitdem uns der Arzt und die Krankenschwester verlassen hatten, beherrschte die Stille den Raum. Ich hatte mich nicht dagegen geweigert, als Michael auf mich zugekommen war, mir automatisch die Tränen in die Augen schossen und ich meine Hände zitternd auf meinem Unterleib hielt. Als könnten sie mich dadurch wieder heilen. Als könnte ich so meine Verletzung ungeschehen machen. Diese Worte von Dr. Braunreuther rückgängig machen. Alles auf Anfang drehen. Dass dieser Wunsch für immer ein Wunsch bleiben würde, wollte ich nicht wahr haben. Deswegen weinte ich, um meine Wut und Trauer über diese Diagnose zu lindern, zu kompensieren.
Anis war mit den anderen beiden noch nicht wieder gekommen, obwohl ich mir ziemlich sicher gewesen war, dass sie die anderen Stimmen gewesen sein mussten, bevor Michael in die Unterhaltung zwischen mir und dem Doktor hineingeplatzt war. Nein, ich wollte ihn eigentlich nicht bei mir haben. Mich nicht so vor ihm präsentieren, während er in seinem Luxusapartment residierte und mit seiner wundervollen Traumfrau sein perfekte Leben führte, das er immer wollte. Ich wollte ihm nicht zeigen, dass ich schwach war, ja, verloren. Ich wollte ihm nicht unter die Nase reiben, dass er all das hatte, was ich nie haben würde. Dass er eben weitergelaufen und ich stehen geblieben war, aber jetzt... Jetzt ließ ich das alles hinter mir und war froh, ihn neben mir zu spüren.
"Es tut mir Leid, dass ich euch gestört habe. Diese Diagnose sollte sicherlich niemand, außer du zu hören bekommen." Es war fremd, seine Stimme so nahe an mir zu vernehmen. Mittlerweile wusste ich gar nicht mehr, wie viele Wochen seit unserem letzten Treffen vergangen waren, doch genug, um ihn wieder für surreal zu empfinden.
"Du bist der einzige Mensch, der diesen Schmerz über diese Tatsache nachvollziehen könnte. Dass..." Wieder überkam mich ein Schwall an Tränen, sodass ich abbrechen musste. Michael zog mich noch näher an sich heran, nickte zögernd stumm.
"Dass du das noch so nett ausdrücken kannst, nachdem ich mich bei dir nach meinem Besuch nicht mehr gemeldet habe. Lu, ich bin ein Arschloch." Ich schüttelte leugnend den Kopf, hielt meine Tränen mit dem Handrücken an meinem Unterkiefer auf, sodass sie nicht den Hals hinunterfließen konnten.
"Das ist jetzt unwichtig. Wichtig ist, dass du ja doch angerufen hast. Zwar im falschen Moment, doch du hast es getan und jetzt bist du sogar bei mir. So ein Arsch kannst du gar nicht sein, Michael." Ich schniefte und blickte mit meinen vom Weinen bestimmt geröteten Augen in seine. Die hatte ich zur Zeit sehr oft, fiel mir auf. Diese Sache mit seiner Verlobten vergaß ich in diesem Moment völlig und selbst wenn es mir in den Kopf gekommen wäre, hätte ich das Thema sicherlich nicht angesprochen. Es gab jetzt viel, sehr viel wichtigeres für mich.
Wie lösten uns nicht mehr aus unserem Blickkontakt. Seine Hand löste sich von meiner und wanderte nach unten an meine Stichwunde. Er legte sich darauf, als wollte er sie wärmen, vielleicht sogar heilen wollen. Dass das nicht klappen würde, war beiden von uns bewusst. Wir spürten sofort, dass sich etwas in uns regte. Dieser Gedanke, der das Einzige war, was uns hier in diesem beschissenen Krankenzimmer verband. Der Gedanke an das, was hätte sein können. Der Gedanke, wieso ich mich tot fühlte, auch wenn ich vor diesem Zustand geflohen war. Der Gedanke an sie. An sie...
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Arrhythmie [Rap-FF]
FanficNach einem Jahr ohne Kontakt, wird Luisa von ihrem ehemaligen Chef, Anis Ferchichi, alias Bushido, zu den HipHop.de Awards eingeladen. Die Grafikdesignerin wird schnell in ihr früheres Leben zurückkatapultiert und bekommt die Chance, abermals für...