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"Ja, Papa. Wir werden da sein. Wir würden doch nie eure silberne Hochzeit verpassen. Bis demnächst, hab dich lieb." Ich küsste zweimal in den Hörer rein und legte auf, während ich die Tür zum Eingang des Cafés 'Die Kaffeenauten' aufdrückte und nach dem Gesicht meines Bruders Ausschau hielt.

Er saß im vorderen Bereich des Ladens, sodass ich ihn schnell ausfindig machen konnte. Er bestellte anscheinend gerade etwas zu trinken, da die Kellnerin vor ihm eifrig auf ihrem Notizblock herumkritzelte. Sie bedankte sich charmant lächelnd bei ihm und eilte nach hinten zu den Kaffeemaschinen. David selbst wandte sich daraufhin wieder seinem Handy zu, doch bemerkte mich kurz davor und winkte mir leicht zu. Es war unsere erste Begegnung seit fast einer Woche, in der er sich endlich dazu bereit erklärt hatte, mit mir reden zu wollen. Antonia wäre wohl auch mitgekommen, doch sie war wie immer in der Uni.

"Hey, Schwesterchen. Wie geht's dir?" Er stand von seinem Stuhl auf und nahm mich in seine Arme. Diese Geste erwiderte ich sofort und drückte mich fest an ihn heran. Ihm entwich ein überraschtes Lachen.

"Selbst bei meiner Ankunft in Berlin hast du mich nicht so begrüßt." Ich ließ ihn weiterhin nicht los aus dieser Umarmung, sondern schloss meine Augen und genoss diese Nähe von ihm.

"Ja, da musste ich mich aber auch noch nicht bei meinem Bruder dafür entschuldigen, dass ich die schlechteste Schwester und beste Freundin auf Erden bin." Ich blickte David in seine ebenfalls blauen Augen, die mich verständlich anstrahlten. Er löste sich schlussendlich aus unserer Begrüßung und zusammen nahmen wir am kleinen Tisch des Cafés Platz.

Im gleichen Moment kam abermals die junge Kellnerin, die David schon wieder mit einem aufreizenden Blick musterte und den doppelten Espresso und das Stück Käsekuchen überreichte. Bei dem Espresso musste ich sofort an Michael denken, der dieses Getränk fast mehr konsumiert hatte, als Wasser und mir entwich ein in Erinnerung schwelgendes Lächeln. Mit der Frage von der Angestellten, ob ich ebenfalls etwas wollen würde, bestellte ich nur ein kleines Wasser, da ich den gesamten Vormittag schon nichts runterbekommen hatte. Ich wollte dieses Gespräch wirklich ernst nehmen, vielleicht packte es mein Gehirn in die etwas zu ernste Schublade.

"Nettes Oberteil, dass du da hast. Ist es von diesem... Diesem Rapper?" Mein Bruder nippte an seinem Espresso, betrachtete analysierend meine Kleidung. Ja, ich hatte mich immer noch nicht getraut, in meine eigene Wohnung zu gehen, um etwas Ersatzkleidung zu holen. Ich hatte schlichtweg Angst, Toni zu begegnen. Ich blöder Angsthase.

"Ja. Ich habe es bisher noch nicht geschafft..."

"Deswegen sind wir hier, oder? Deswegen bin ich zumindest gekommen, Lu. Dass du wieder zu uns nach Hause kommst." Ich zuckte mir den Schultern, nickte jedoch. Die junge Frau brachte mir mein Wasser und ich nahm sofort einen großen Schluck davon.

"Wenn es um mich geht, bin ich eher traurig, weil du dachtest, dass du mich anlügen musstest. Ja klar, ich denke auch nicht, dass diese Kerle gut für deine Arbeit sind, aber ich würde dich niemals daran hindern, einen Auftrag auszuschlagen. Besonders bei jemandem, den du bereits seit drei Jahren kennst. Mir ist da vor dem Studio sofort klar gewesen, dass dieser Typ da in unserer Wohnung, den du als deinen 'Freund' vorgestellt hast, nichts anderes, als ein anderer Rapper gewesen sein muss. Du musst dich nicht erklären oder dich entschuldigen. Ich möchte nur, dass du mich nie wieder anlügen musst, weil du Angst davor hast, eine nicht gewünschte Reaktion zu erwarten. So ist das Leben, doch besonders bei mir sollte dir das eigentlich am wenigsten was ausmachen." Ich hielt es nicht aus, dem Blick meines Bruders Stand zu halten. Zu intensiv durchbohrte er mich.

"Aber ich habe da noch eine dringende Bitten an dich, Sis. Bitte, spreche dich mit Antonia aus. Sie vermisst dich sicherlich genauso, wie du sie, aber sie ist auch immer noch sehr enttäuscht von dir. Anders als ich, kann sie mit diesen Rappern keinen Frieden schließen und ist jetzt nur noch weniger von ihnen überzeugt, weil sie denkt, dass du dich von ihnen voll und ganz einnehmen lässt. Deswegen hast du auch ihren Geburtstag vergessen und sie denkt, dass du dich für nichts anderes mehr interessierst, als für die Kerle. Da muss ich ihr zustimmen. Toni war in den Wochen, in denen ich jetzt hier war wirklich öfters bei mir, als meine eigene Schwester und das... Das ist scheiße, Lu." David legte seine Hände auf meine und zwang mich, ihn anzusehen. Er schaute meine Tränen an, die mir die Wangen runterrannen und wischte sie im nächsten Augenblick weg. Seine Worte gaben mir eine so große Last, dass ich nicht anders konnte, als zu weinen. Ich konnte gegen keiner seiner Aussagen etwas erwidern, da sie alle wahr waren.

Arrhythmie [Rap-FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt