4. Lügen

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Jungkooks P.o.V

"Kannst du mir bitte einen Stift leihen?", ich zuckte erschrocken zusammen und wisch augenblicklich nach links aus, als Taehyung sich unerwartet näher an mich lehnte. Sein Haar streifte dabei beinahe meine Schulter. Sofort schoss mir das Blut wieder in die Wangen und ich erstarrte nervös. Scheiße. "K-Klar", stotterte ich leise und griff nach meiner Schachtel. In dieser befand sich genau ein Bleistift, ein roter Stift, ein Lineal, ein Radierer und noch eine Ersatz-Füllfeder. Verdammt, ich hatte diese Füllfeder echt gemocht. Zitternd streckte ich die in Handschuhe gepackte Hand aus und zog den grauen Stift hinaus. Nervös überreichte ich diesen meinem Sitznachbar. Als ich hochblickte, durchbohrten mich seine fast schwarzen Augen und das zimtfarbene Haar hing ihm lose im Gesicht. Er verzog die vollen Lippen zu einem leichten Lächeln. Schluckend riss ich den Blick von ihm und legte den Stift auf seine Seite des Tisches. "Danke!", als er mich angrinste, schien das gesamte Blut in meine Wangen zu schießen. "K-Kein Problem."

"Ich sehe ein neues Gesicht!", fröhlich kam unsere Geographie Lehrerin hinein spaziert und betrachtete mich aufmerksam. Es hatte gerade erst geklingelt, und da heute mein zweiter Tag an dieser Schule war, kannten mich wohl noch nicht all meine Professoren. Ich nickte leicht und biss mir nervös auf die untere Lippe. "Wer bist du, wenn ich fragen darf?", immer noch grinste mich die Frau breit an. "J-Jeon Jungkook, Miss.", erklärte ich und wollte am liebsten im Boden versinken, als ich erneut stotterte. Unwohl schüttelte ich den Kopf, woraufhin die Schwarzhaarige Frau verwirrt die Stirn runzelte. "Sehr schön!", erwiderte sie und lächelte, "Ich hoffe dir wird es hier an der Schule gut gefallen, Mr. Jeon!" Ich fuhr mir nervös über den Nacken, wobei der samtige Stoff meiner Handschuhe angenehm über meine Haut glitt und nickte leicht. Ihre Augen wurden erneut etwas groß.

"Ziehen sie bitte die Handschuhe aus, Mr. Jeon? Ich glaube nicht, dass es hier so kalt ist, dass sie unbedingt dick angezogen sein müssen", witzelte sie charismatisch und kicherte leise. Jegliche Gefühlsregung tropfte von meinem Gesicht, hinterließ bloß stumpfe Leere, welche die unglaubliche Angst in mir verdeckte. Panik kribbelte hinter meiner Stirn, ließ meine Gedanken verschwimmen. Das konnte doch jetzt nicht wahr sein. Ich versteifte mich und blickte der Lehrerin hilflos ins Gesicht. Sieh auf deinen Plan dort steht dass ich die Handschuhe behalten darf, fluchte ich in Gedanken, doch meine telepathischen Kenntnisse schienen sich heute in Grenzen zu halten. "Und? Wird's bald?", immer noch klebte ihr stechender Blick auf mir. Die blauen Augen, welche ich vorhin noch als schön bezeichnet hätte, schienen mich jetzt regelrecht aufzuspießen. Tränen schossen mir schwallartig in die Augen, doch ich senkte hastig den Blick. Zitternd umgriff ich mit einer Hand meinen Handschuh. Na los, du schaffst das, du musst nur-

"Also, um ehrlich zu sein, Miss. Itou... Es ist schon ziemlich kalt hier", mein Herz setzte einen Schlag aus und mein Blick schnellte zur Seite. Taehyung lehnte lässig in seinem Stuhl und blickte herausfordernd die Lehrerin an. Sofort wisch das nette Grinsen aus dem Gesicht der vielleicht 40-Jährigen. Was... Half mir Taehyung etwa gerade?! "Mr. Kim. Ich glaube wirklich nicht, dass es so kalt ist, dass man Handschuhe anhaben muss." Der Braunhaarige zuckte bloß leicht mit den Schultern und grinste keck. "Vielleicht nicht, aber Jungkook ist erkältet. Da schleppt er sich schon extra krank in die Schule, und dann verbieten sie ihm die Handschuhe anzuhalten!" Mir klappte der Mund auf. Taehyung log weiter fröhlich vor sich hin und ein siegessicherer Ausdruck funkelte in seinen Augen. Kurz blickte er zu mir und zwinkerte sanft.

"Das... Das wusste ich nicht. Es tut mir leid, Mr. Jeon. Aber nächstes Mal, wenn sie krank sind, bleiben sie doch zuhause, ja?" Hektisch nickte ich. Vor Erleichterung würde ich am liebsten schreien. Ich konnte meine Sicherheitsmaßnahmen also anbehalten. "Gut, dann fangen wir jetzt an! Haben sie bereits ein Geographie Buch?", ich schüttelte verneinend den Kopf. Die Schwarzhaarige nickte verstehend. "Dann schauen sie bitte mit Mr. Kim in seinem Buch, ja?", ich nickte hastig. "J-Ja, Miss.", piepste ich leise, doch die Lehrerin schien mich verstanden zu haben. Sie seufzte leicht und wandte sich an den Unterrichtsstoff. Als ich zu meinem Sitznachbarn sah, hatte dieser das dicke Buch bereits in die Mitte der Bank geschoben. Ich räusperte mich leise. "D-Danke!", murmelte ich und biss mir nervös auf die untere Lippe. Tae's Blick fiel zu mir. Sein Gesichtsausdruck blieb kühl, doch ein sanftes Grinsen legte sich auf seine Lippen während er mir leicht zunickte. "Kein Ding."

***

"Was? Wirklich? Aber warum sollte er das tun?", ich zuckte bloß nichtsahnend mit den Schultern. "Ich habe keine Ahnung", erwiderte ich unwohl und kratzte mich kurz am Nacken, ehe ich nervös den Kopf schüttelte. Jimin und Hoseok hingen gespannt an Jins Lippen, welcher den ganzen Vorfall detailgetreu wiedergab. Als Seokjin mit seiner Erzählung fertig war, sahen mich drei Augenpaare neugierig an. Oh nein. Ich wusste ganz genau was jetzt kommen würde. "Sag mal, Jungkook... Wir sind doch deine Freunde nicht?", fing Jimin sanft an. Mein Atem stockte und Blut fing an in meinen Ohren zu rauschen. "F-Freunde?", gab ich bloß wenig hilfreich von mir. Ich? Der Freak sollte also Freunde haben? Hoseok nickte zustimmend. "Klar! Und Freunden erzählt man doch alles, oder?" Ich zuckte leicht mit den Schultern. Keine Ahnung! "Ja?", stimmte ich unsicher zu. "Also... Was hat es wirklich mit den Handschuhen auf sich?", beendete Jin die Frage-Runde.

Ich schluckte laut. Zwanghaft schüttelte ich mein Haar, als das Unwohlsein mit klammen Fingern nach mir griff. "Ä-Ähm... Also...", stotterte ich ungenau und trat von einem Fuß auf den anderen. "Du kannst es uns erzählen", Hoseoks vertrauensvolles Lächeln schien mir entgegen. Ich nickte leicht. Verdammt. Das war es dann wohl mit meinen Freunden. "I-Ich...", ich unterbrach mich kurz um tief Luft zu holen, "Ich leide an Mysophobie", rasselte ich in einem einzigen Atemzug herunter. Drei verdutzte Blicke lagen auf mir. "An was?", irritiert runzelte Jimin die Stirn. Ich merkte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss. "Mysophobie. Angst vor Bakterien, Keimen und Viren." Jin riss die Augen auf. "Deshalb also die Handschuhe!", rief er laut aus. Ich nickte unwohl.

"Na, wenn das alles ist", fröhlich grinsend wandte sich Jimin wieder seinem Sandwich zu. Auch Hoseok schien zufrieden und biss glücklich mampfend in seinen Apfel. Das war... Das war alles? Kein leises gemurmeltes 'Freak', kein verwirrter Blick, keine Beleidigung, gar nichts?! Seokjin blickte schmatzend zu mir. "Hat das Kopfschütteln auch was mit der Phobie zu tun?", neugierig sah er zu mir. Doch in seinem Blick konnte ich keine Abneigung, keine Verwirrung erkennen. Nur echtes Interesse. Mir fiel fast das Kinn zu Boden. "M-Mein Kopfschütteln?", hakte ich verwirrt nach. Jin nickte leicht. "Ja, du schüttelst manchmal ohne Grund den Kopf!", erklärte Hoseok, welcher nun auch neugierig den Kopf hoch. "Oh, ja... Das ist um den Staub im Haar loszuwerden..." Ich erwartete, dass sie mich auslachten, oder verspotteten doch entgegen meiner Erwartungen kam von den drei bloß gleichzeitig ein verständnisvolles 'ah', ehe sie weiter aßen. Und mich total vor den Kopf gestoßen stehen ließen.

***

Erneut flog mein Blick über das Aushängeschild, mit nach-schulischen Aktivitäten. Federball, zu viele Keime am Schläger. Fußball, man bekam verschwitzte Trikots.  Schülerzeitung, dafür war ich zu schüchtern. Modellieren, mit Handschuhen wurde das etwas kompliziert. Schwimmen, keine zehn Pferde bekamen mich in diese verseuchten Kloaken. Boxen, zu viel Körperkontakt. Dann glitt mein Blick zum letzten Punkt auf der Liste. Nachhilfe-Kurse geben. Ich dachte kurz darüber nach. Ich war ein überdurchschnittlich guter Schüler. Beim lernen, konnte ich sicher meine Handschuhe anbehalten und zudem würde ich wahrscheinlich auch jeglichen Körperkontakt vermeiden können. Ich seufzte leise und schloss die Augen. Ich hatte es meiner Mutter versprochen. Ich würde etwas nach der Schule tun. Ich las mir kurz die Informationen durch. Nachhilfekurse waren meist einzeln und fanden Dienstags und Donnerstags statt. Leise murrte ich, ehe ich mich energielos auf den Weg zum Sekretariat machte. Was man nicht alles tat, damit die Mutter glücklich wurde...

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So, ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen! Warum nur hat Taehyung Jungkook geholfen? Tja, das findet man wahrscheinlich in den nächsten Kapiteln raus! Bis dann und voten nicht vergessen, eure M&M's ;)

1389 Wörter


Dirty. ᵛᵏᵒᵒᵏWo Geschichten leben. Entdecke jetzt