Fürsorglichkeit

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  Kapitel 12
Violet blieb wie erstarrt einfach sitzen und war so sehr in Gedanken, das sie nicht mal bemerkte, wie Nicolas mit dem feuchten Tuch nicht nur ihr Gesicht von ihren blutigen Tränen reinigte, sondern auch damit begann ihren Hals zu säubern. Erst als er an ihrem Schlüsselbein angekommen war und ein Tropfen Wasser zwischen ihre Brüste glitt, sah sie ihn wieder an.
Für einen unendlichen Augenblick versank sie in seinen Augen, dann aber schien er seine Arbeit beendet zu haben zu erhob sich wieder, um den Lappen wegzubringen.
Sie schluckte und hatte das Gefühl gleich wieder in Tränen auszubrechen, aber diesmal konnte sie verhindern, dass sie ihr über das Gesicht rollten. Als sie auf ihre Hände hinabblickte zitterten diese immer noch und der Gedanke an das Malus jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie griff nach einer Decke , die unter einem Haufen Bücher nahe dem Sofa halb verschwunden war und zog sie zu sich um sich darin einzuwickeln.
„Was erwartet mich morgen?", fragte Violet, rollte sich auf der Couch zusammen und starre in den kalten Kamin. Kurz fragte sie sich ob Nicolas ihn für sie anmachen würde, aber sie wollte ihm keine Umstände machen. Nur hören, was für Dinge morgen Nacht auf sie zukamen und beten, dass die wenigen Stunden bis Sonnenaufgang jetzt ruhig blieb.
„Ich werde dir alle deine Fragen beantworten, Violet. Es gibt viele Dinge, die ich dir sagen muss, sie sind sogar überlebenswichtig für dich aber nicht bevor wir bei Margareta waren."
„Wie überlebenswichtig können die Informationen denn schon sein, wenn du sie mir nicht sofort sagen willst?", murmelte Violet so leise in die Decke, dass sie wirklich nicht wusste ob Nicolas sie überhaupt verstand. Er antwortete zunächst nicht und kurz war es Violet egal, dann hörte sie wie Metall auf Stein schabte und zwang sich dazu die Augen aufzumachen. Nicolas hockte auf den Boden und schürte den Kamin und sie seufzte dankbar.
Er warf einen Blick in ihre Richtung. Das Seufzten hatte er gehört, also musste er auch die Frage mitbekommen haben. Er wollte nicht antworten. Wie es aussah war seine redselige Stimmung vorbei, was vielleicht auch ganz gut war um...
„Du wirst dich anders verhalten wenn du es weißt und es ist extrem wichtig, dass du unwissend erscheinst. Ich zweifle nicht daran, dass du es geheim halten kannst wenn du weißt was dich bei Margareta erwartet und du emotional weniger aufgewühlt bist."
Emotional weniger aufgewühlt? Eine furchtbare Umschreibung für einen Zustand zwischen Trauer, Erschöpfung und Ziellosigkeit. Feuer flammte hinter Nicolas auf und Violet konnte nicht umhin mitzubekommen, wie die Flammen sich in seinen Augen spiegelten und er kurz aussah wie der Teufel persönlich. Das kantige Gesicht, die flammenden Augen und dann noch diese Narben. Schön und böse. Wie ein gefallener Engel. Aber er hatte ganz offensichtlich auch eine starke fürsorgliche Seite an sich, die sie unglaublich faszinierte.
„Du solltest schlafen", meinte Nicolas sanft und als das Flackern der Flammen und die erlesene Wärme bis zu ihr durchdrang, gähnte Violet tatsächlich herzhaft, kuschelte sich weiter in die Couch und schloss wieder die Augen.
„Willst du nicht in dein Zimmer?" Violet schüttelte ganz leicht den Kopf. Sie wollte nicht allein sein und irgendwie hatte sie so eine Ahnung, dass Nicolas bei ihr bleiben würde.

Es war als würde man an einer Schnur ziehen, die sie dazu zwang die Augen aufzuschlagen und sich aufzusetzen. Violet kämpfte eine Weile mit der Decke und versuchte ihre langen Haare in Ordnung zu bringen, während sie Nicolas Blick begegnete. Er saß in dem alten Sessel, der ganze Raum war warm und mit dem sanften Licht des Feuers im Kamin erfüllt, während er mit einem Buch im Schoß da saß und sie mit gerunzelter Stirn ansah. Er hatte jetzt auch die Weste zu seinem Anzug ausgezogen, das Hemd war halb aus der Hose gezogen, aber mehr Bequemlichkeit schien man von ihm nicht erwarten zu können.
Ihr Herz machte kurz einen Satz als sie daran dachte, dass er so die ganze Zeit neben ihr gesessen und über ihren Schlaf gewacht hatte. Und sie hatte geschlafen. Sicherlich einige Stunden, den sie spürte wie die Sonne langsam aufging und ihr den Schlaf zurück in die Knochen treib. Doch da war noch etwas, etwas unangenehmes, was sie aus dem Schlaf gerissen hatte und was sie so noch nie gespürt hatte.
„Violet?", fragte Nicolas stirnrunzelnd und legte sein Buch beiseite. Ein Donnern ertönte durch den Flur und drang bis zu ihnen hindurch. Nicolas erhob sich.
„Du bleibst hier!" , befahl er harsch und kurz wallte Trotz in Violet auf, aber sie wartete zumindest bis Nicolas im Flur verschwunden war bis sie aufstand und sich so hinstellte, dass sie um die Bücherregale herum sehen konnte.
Nicolas zog die schwere Metalltür auf und ein Mann stand vor der Tür. Er war weit davon entfernt attraktiv zu sein. Sein Gesicht war aufgeschwemmt als hätte er Übergewicht, war aber schlank, gut gekleidet und fast so groß wie Nicolas.
„Wer bist du?" hörte sie Nicolas fragen und der Mann schien ebenso verwirrt wie er. Dann fiel sein Blick auf Violet, die wie ein erwischtes Kind zurückzuckte.
„Ich will zu ihr", sagte der Mann. Violet wagte wieder einen Blick und sah gerade noch wie der Mann einen Schritt in die Kellerwohnung wagte bevor Nicolas Hand auf seiner Schulter landete und ihn vor jeden weiteren Schritt abhielt. Was den Mann wiederum überraschte, als wäre er es nicht gewohnt von etwas abgehalten zu werden.
„Du bist stark", sagte er mit einem Blick auf Nicolas Hand, dann verzogen sich seine Lippen zu einem sarkastischen Grinsen. Seine Reißzähne waren so deutlich sichtbar, dass Violet sich kurz fragte, ob ihre auch so lang werden würden. Ihre kamen nur selten heraus und sie hatte keine Ahnung wie man das kontrollierte. Aber wenn, waren sie so winzig gewesen, dass sie die Reißzähne eines Baby-Vampirs hätten sein können.
„Und alt. Alt genug um zu wissen was ich bin, also lass mich vorbei bevo-„ Der Mann brach ab als Nicolas ihn so heftig gegen den Brustkorb schlug, dass er die Treppen herauf bis in die Gasse flog und aus Violets Blickfeld verschwand. Doch kaum ein Augenzwinkern später stand er wieder vor Nicolas. Und diesmal nicht amüsiert, sondern wütend.
„Wie kannst du es wagen, Sklave? Geh mir aus dem Weg bevor ich dir deinen verdammten Kopf abrei-„
Nicolas umfasste seine Kehle und bretterte seinen Rücken gegen die Treppe. Die Stufen zerbarsten unter ihnen aber Nicolas ließ den Mann am Hals umklammert und sah mit unbewegten Gesichtszügen zu ihm herab.
„Ja, ich bin alt genug und ich weiß nicht, wo du die letzten Jahrtausenden gewesen bist aber heutzutage reißen die Sklaven euch den Kopf ab, sobald sie einen von euch habhaft werden können."
Der Mann in Nicolas Griff wurde noch wütender und sah zu Violet. Er machte dem Mund auf, um etwas zu sagen, doch noch bevor er etwas sagen konnte, griff Nicolas nach seinem Kiefer und riss ihn einfach ab.    

Beta: Geany Abc

Violet (Bd 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt