Kapitel 16
Magareta führte Violet und Nicolas in einen kleineren, anscheinend privateren Teil des Gebäudes wo, wie am Eingang, Wachen postiert waren die nicht einmal mit der Wimper zuckten, als die drei an ihnen vorbeigingen. Sie wirkten so kalt und unaufmerksam, als wären sie Statuen. Margareta öffnete die Tür und zum Vorschein kam ein ausgekerntes Großraumbüro das mit Teppichen, Kissen und Vorhängen in einen europäischen Empfangssaal verwandelt worden war. Am Ende, leicht erhöht, befand sich eine Art Thron und auf den Stufen davor saß ein Mann, so schön wie Margareta selbst.
Sein Gesicht erhellte sich, als er sie alle sah und nachdem er Margareta nur kurz seine Aufmerksamkeit schenkte und Nicolas mit einer Mischung aus Boshaftigkeit und Spott anblickte, blieb sein Blick an Violet hängen. Ein Blick, der so blau war, wie der von Margareta und an denen die Verwandtschaft eindeutig zu erkennen war. Seine Haare waren nicht rot, nicht wirklich zumindest. Sie waren dunkler und hatten die Farbe von satten Kastanien. Seine Gesichtszüge waren kantiger und maskuliner als die von Margareta, was niemanden verwunderte, aber definitiv hübscher als die von Nicolas. Das musste man zugeben.
Sehr viel hübscher, korrigierte sich Violet als der Mann sich erhob und auf sie zu stolzierte. Nicolas war von einer dunklen Attraktivität, wie es die Bösewichte immer waren. Dunkel und verführerisch, wärend der Kerl da vor ihr der gutaussehende und adrette Held zu sein schien, der zum Schluss das Mädchen bekam. Er trug, abgesehen von der sehr, seh,r sehr tief sitzenden Leinenhose, nur eine Art seidenen Mantel im chinesischen Schnitt. Ansonsten war er nackt und zeigte damit sehr deutlich, das er wusste wie unverschämt schön er war. Keine Schuhe und kein Oberteil. Violet konnte nicht umhin den Goldton seien Haut zu bewundern und die athletischen Muskeln, die ihm die Anmut eines Models verliehen.
„Du erinnerst dich an meinen Bruder Lucius, Nicolas?", fragte Margareta fast schon gelangweilt, als hätte sie selbst seine Anwesenheit vergessen und Nicolas nickte nur höflich, während Lucius sich ihnen näherte.
„Und wer bist du, Kleines?", fragte er, als er nahe genug war. Violet spürte wie sich in ihrem Nacken die Härchen aufstellten. Lucius Stimme war weich und verführerisch, sie hätte ihm sofort verfallen können, wäre da nicht zudem auch noch dieses unangenehme Prickeln, dass er mit seiner Gegenwart in ihr auslöste. So schön wie er war, so arrogant war er auch und sein Interesse an ihr war nicht ein Kompliment, sondern die Routine eines heißen Typen der eine weitere Eroberung witterte. Wie ein kleiner Junge, der jedes neue Spielzeug einmal haben wollte und dann das Interesse daran zu verlor.
Nicolas warf Lucius einen absolut tödlichen Blick zu und Violet schob sich instinktiv näher an ihrem Bösewichten heran. Sie wusste, dass sie Nicolas nur bedingt vertrauen konnte und daraus hatte er auch nie ein Geheimnis gemacht. Das war ihr wesentlich lieber als einen hübschen Jüngling der ihr versuchte Sand in die Augen zu streuen.
„Tu mir einen Gefallen, Lucius und hör auf Leuten Gründe zu geben dir den Kopf abzureißen zu wollen. Du riechst ja wohl, dass sie zu einem anderen gehört. Also such dir ein anderes Vampirflittchen, das du einlullen kannst", murrte Margareta gelangweilt und stieg hinauf zu ihrem Thron, wohl ebenso genervt von den Manövern ihres Bruders. Dieser behielt das Grinsen auf seinen wahnwitzig schönen Gesicht allerdings bei, zog sich aber anstandslos zurück und ließ sich in eine gepolsterte Ecke unweit des Throns fallen. Dann wandte sich Margareta an Nicolas und was sie sagte, war definitiv nicht für ihre Ohren bestimmt gewesen...
„Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Dein neues Hobby", sie deutete auf Violet, „ist mir egal. Ich will über den Geborenen reden, den du gestern vor Sonnenaufgang getötet hast."
Nicolas griff um ihre Hüfte verstärkte sich und sie konnte den blanken Zorn spüren, der durch seinen Körper hindurch rauschte und dennoch schaffte er es unbeteiligt auszusehen. Ganz so als hätte Margareta nicht gerade etwas gesagt, dass Nicolas hatte vor Violet geheim halten wollen. Geborene. Der Mann, der gestern bei ihnen gewesen war, war ein Geborener und man musste bei weitem kein Genie sein, um zu kapieren, das die nun Anwesenden genau das nicht waren: Geborene. Es gab geborene und erschaffene Vampire und Violet Verstand überschlug sich schier.
Sie konnte sich nicht daran erinnern verwandelt worden zu sein und schien auch sonst anders als andere Vampire, zumindest war das in der einen oder anderen Situation sehr deutlich geworden. War sie ein geborener Vampir? Und was hieß das für sie? Für diesen Moment? Für Nicolas und für alle anderen in ihrer Umgebung? War das überhaupt möglich?
Auf die Idee, dass ihre Eltern ihr etwas verschweigen könnten und doch nicht ihre Eltern waren, war sie schon früh gekommen und hatte diesen Verdacht mit Aufkommen der privaten Gentests aus der Welt geschafft. Ihre Eltern waren ihre Eltern und sie waren tot. Sie waren sterblich, sie waren nicht so wie sie. Machte sie das nun zu einer Geborenen?
„Da gibt es nicht viel zu erzählen, er ist tot", entfuhr es ihm lässig und seine Finger bohrten sich weiter in ihre Hüfte, als wollte er sie mit dem Schmerz davon abhalten dumme Fragen zu stellen oder auch nur weiter darüber nachzudenken. Hatte er sie nicht genau davor gewarnt? Er hatte gesagt, sie müsse unwissend sein, um hier keinen Blödsinn zu bauen und doch noch den Kopf zu verlieren. War das der Grund dafür?
Zumindest bei einem hatte er Recht behalten. Violets Kopf rotierte so enorm, dass sie sich nicht mehr unbeteiligt geben konnte, nicht wirklich. Zu ihrem Glück aber achtete niemand auf sie.
„Wie alt war er?", fragte Margareta weiter.
„Kann ich nicht sagen, aber er nannte mich Sklave. Also alt, eventuell einer der zuletzt geborenen, er war leicht zu töten."
„Sie sind alle leicht zu töten solange sie alleine sind und er war allein. Sonst läge jetzt ein Häufchen Asche im Müll, dass einmal DEINE Leiche gewesen ist."
„Wie gesagt. Er ist tot. Es spielt keine Rolle." Nicolas war definitiv bemüht dieses Tema beiseite zu legen. Möglichst bevor Violet durchdrehte. Aber sein Griff half. So gut dass sie die Fassung bewahrte und lieber genau zuhörte, anstatt sich dem Rauschen in ihren Kopf hinzugeben.
„Es spielt keine Rolle? Ein Geborener in meinem Bezirk?"
„Er war schwach und es ging schnell."
„Du bist jung und naiv, Nicolas. Du hast es nicht miterlebt." Nicolas ließ seine Hand sinken und trat ohne Violet einige Schritte nach vorne. Ob er nun einfach zornig war oder tatsächlich daran glaubte, dass Violet nichts Dummes tat, wusste sie nicht. Aber seine ganze Ausstrahlung machte deutlich, dass Margareta nun ganz vorsichtig sein sollte, was sie sagte.
„Ich habe das Ende miterlebt und damit mehr als der Rest deiner Sippschaft", knurrte er und stand dann direkt vor Margaretas Thron und starrte auf sie herab. Doch die hübsche Rothaarige blieb unbeeindruckt.
„Pah! Letztendlich bist du doch nur ein Nutznießer unseres Kampfes, wie die anderen auch. Sie sind in Freiheit geboren und sind nicht mal dankbar dafür."
Nicolas beugte sich zu ihr herunter und war Margareta plötzlich so nahe, dass Violet die Fäuste ballen musste um nicht nach seinem Arm zu packen und ihn von dieser Frau wegzuziehen. Sie musste sogar die Kiefer zusammenpressen um nicht zumindest verbal dazwischenzugehen. Das die beiden etwas miteinander gehabt hatten und noch irgendein Angebot im Raum stand, gefiel ihr ganz und gar nicht. Dabei hatte sie gerade andere Probleme als dieses lächerliche, besitzergreifende Gefühl ihm gegenüber.
„Für eine Frau, die sich als erste Verzogen hatte, nachdem sich der Staub legte und sich von dem Elend unseres Volkes abwandte, schwingst du große Reden. Du hast keinen Finger gerührt, um den Zerfall zu verhindern, der uns an den Rand der Geschichte gedrückt hat. Ja, ich bin in den letzten wehen des Kampfes erschaffen worden und habe kaum etwas von den Gründen miterlebt, die dazu geführt haben. Aber ich habe die Trümmer mit aufgelesen, gesehen wie mächtige Vampire an der Aufgabe scheiterten uns auch ohne die Geborene an der Spitze der Nahrungskette zu halten. Ich habe Versagen gesehen, Leid und Zerfall. Da hattest du dich bereits in die neue Welt verpisst und dein eigenes kleines Reich aufgebaut. Ich respektiere deine Stellung hier aber verwechsle mich nicht mit einem deiner Untergebenen."
Damit baute sich Nicolas wieder zu seiner vollen Größe auf und ging zurück zu Violet, die irgendwie erwartete dass Margareta noch etwas hinzufügen würde. Aber es kam nichts und niemand hielt sie auf als Violet und Nicolas den Raum verließen und so schnell wieder aus dem Gebäude heraus waren, dass Violet nicht mal die Gelegenheit bekam sich noch einmal im Erdgeschoss umzusehen. Und dafür war sie dankbar.Beta: Geany Abc
![](https://img.wattpad.com/cover/144834160-288-k683639.jpg)
DU LIEST GERADE
Violet (Bd 1)
VampireEs ist nur eine Frage der Zeit und von der hat sie unendlich viel. Als die letzte Verbindung zu ihrem normalen Leben kappt, ist Violet allein. Allein in einer Welt in der sie definitiv nicht hingehört, denn Violet ist ein Vampir. Ganz plötzlich und...