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 Kapitel 9
„Trink! Verdammt, trink, Violet!" befahl er schroff und so laut, das der Klang seiner Stimme durch das Geschrei in ihren Kopf durchdrang. Dann schmeckte sie auch schon sein Blut auf ihrer Zunge und es war so köstlich und Energiegeladen, dass es sie wie ein Schlag gegen die Brust traf.
Sie trank nicht nur. Violet griff nach seinem Arm, hielt ihn trotz ihrer schmerzenden Finger fest umklammert und versenkte ihre Fangzähne immer wieder in seiner Haut, als wollte sie ihm das Handgelenk zerfetzen und ihn von dem Rest seines Körpers abtrennen. Er schmeckte vollmundig, erdig und vertraut und sie erlag dem habgierigen Gedanken diesen Geschmack mit niemand anderen Teilen zu wollen. Und wenn jemand versuchte sie davon fernzuhalten, würde sie es auf ihren Weg einfach zerfetzen. Sie dachte nicht mehr wie Violet, wie die junge Frau die gerade ihren Vater verloren hatte. Sie kannte diese Violet nicht. Sie kannte nur den Geschmack von Blut und das wilde verlangen zu zerreißen, zu zerfleischen und Blut zu trinken bis Knochen knirschen. Der Rausch nahm von ihr Besitz und verdrängte dieses andere Etwas in ihren Kopf, verdrängte das eine Böse, das sie gequält hatte.
Besser. So viel besser. Die Schreie verklangen und wurden von einem anderen Klang in ihren Kopf abgelöst. Einem aufregenden Rauschen in ihren Ohren, das ihren Verstand nicht direkt bedrohte aber definitiv nichts Gutes in ihr auslöste.
Mehr. Mehr Blut. Mehr Geschmack. Mehr Nicolas.
Ungehemmte Gier trat an die Oberfläche und ließ sie fester an seiner mittlerweile vollkommen zerfetze Arterie saugen. Und obwohl sie geglaubt hatte, ihm den Arm abzureißen, wenn er versuchte sie davon abzuhalten ihn leer zu trinken, entzog Nicolas ihr seine Hand geradezu mühelos. Frustriert schrie sie auf, schnappte nach ihm, als er ihren Rücken gegen seine Brust drückte und ihre Arme festhielt, um sie bewegungsunfähig zu machen.
Der wahnsinnige Sog der Blutgier verklang und sie beruhigte sich für einen Augenblick. Kam zu Atem und dazu wieder sie selbst zu werden. Wieder Violet zu werden und nicht nur dieses wilde Tier zu sein, das nur trinken wollte. Mit Tränen in den Augen genoss sie die Stille in ihren Kopf, bevor das Summen wieder begann. Sie winselnd in Nicolas Armen, flehte um Gnade und versuchte sich an ihm festzuhalten, während die Schreie wieder lauter wurden.
„Bitte. Es soll aufhören, es muss aufhören, bitte!"
Sie hörte noch wie Nicolas fluchte, fühlte wie er versuchte sie mit einem Griff zu bändigen, während er mit der freien Hand nach seinem Handy griff und irgendeine Kurzwahltaste drückte. Wegen dem Schrei, ihrem eigenem flehen und heulen, vernahm sie nur Bruchstücke von seinem Gespräch und das was sie hörte ergab keinen Sinn.
„Es ist hier ... brauche die Seiten ... beruhigt sich nicht...schnell!" dann warf er das Handy beiseite und griff mit einer Hand in ihr Haar. Sie schrie in seinen Bizeps als er ihr Gesicht gegen seine Brust drückte und sie festhielt während sie glaubte gleich zu zerspringen. Seine Nähe half, beruhige sie und es gelang ihr für einen kurzen Moment, durch den Schmerz und den Lärm durchzuatmen und sanft geflüsterte Worte zu hören. Nicolas Hand streichelte ihren Arm und dann breitete sich der sengende Schmerz ihrer Hand aus, glitt bis zu ihren Ellenbogen und es war so als würden die Stimmen in ihrer Bösartigkeit einfach noch heftiger zutreten.  

Aus. Ganz so als hätte man ein Lichtschalter betätigt, so plötzlich sackte sie in sich zusammen und blieb ohne Bewusstsein in Nicolas Armen liegen. Oder doch nicht so ganz ohne Bewusstsein, schließlich fühlte sie ihn noch und hörte //spürte? seine tiefe Bassstimme in ihrem Körper als er sprach. Es war ein komisches Gefühl. Sie wusste das ihr Hirn sich aus Selbsterhaltungsgründen einfach ausgeschaltet hatte, das ihr Körper in eine Art Koma gefallen war und doch war sie hier. Sie hörte ihn nicht direkt, es war auch kein wirkliches fühlen, denn ihr Körper war nicht dazu in der Lage Sinneseindrücke aufzunehmen. Es war eine innere Vibration, mit der sie Nicolas wahr nahm. Mit Sinnen, die nichts mit ihrem Körper zu tun hatten und Eindrücken, die irgendwo ganz tief in ihrer Seele wieder hallten wie ein Echo.

Diese Vibration war nicht ihre eigene. Sie wusste, dass es Nicolas Echo war, konnte sich aber nicht erklären was es hier zu suchen hatte. Violet trieb dahin, schien immer wieder kurz wegzutreten und kämpfte sich wieder an die Oberfläche dieser Vibration entgegen, die mit jeder weiteren Bewegung in die richtige Richtung deutlicher wurde.
>>...bleibt der Idiot?<< Stimmen. Kein Geschrei, kein zorniges Summen und auch kein blutrünstiges Rauschen. Diese Stimme stammte nicht vor ihr. Das war seine Stimme. Nicolas Stimme.
>> ... bringe ihn um... ich schwöre es bei allen Göttern. Violet... töte ihn, wenn sie stirbt.<<
Sie hörte ihn. Aber nicht die Worte, die er sagte. Sie hörte seine Gedanken.
>>Endlich.<<
Und als würde der Lichtschalter wieder nach oben gedrückt, ging das Licht wieder an und Violet schrie. Ihre Kehle schmerzte fast so sehr wie ihre Hand und nicht mal halb so schlimm wie ihr Hirn, das drohte wieder jeden Moment einfach das Licht auszuschalten.
„Halt sie fest, bis es im Pergament ist!" Ordnete Nicolas an und zwei Handflächen legten sich auf ihre Schultern drückten ihren Körper in die Sofapolsterung zurück und sie sah wie Nicolas neben den Sitzmöbel hockte und etwas auf ihren Arm drückte.
Der Schmerz wurde aus ihrem Arm heraus gesogen, die Schreie mit ihm mit und als Violet genug Kontrolle hatte um das Schreien aufzuhören, war es so als würde dieses etwas in ihr sich mit Zähnen und Klauen in ihr Verbeisen und sich an ihr festhalten wollen. Doch der Sog war zu mächtig und noch während der Schrei und dieses Böse aus ihr herausgezerrt wurden, richtete seine Weigerung nur noch mehr Schaden in ihrem Kopf an.
„Jetzt!", schrie Nicolas und schmiss dieses Etwas, was er auf sie gedrückt hatte, weg von ihr. Im Nachhinein wusste Violet nicht ob es der nachhallende Schmerz war, der sie sehen ließ was sie sah, aber das etwas was Nicolas wegwarf war ein Stück Papier, fast schon ein Lappen und es bewegte sich . Es zog sich über den Boden in Richtung des Flures, als plötzlich ein Buch um die Ecke geschossen kam, das Papier mit sich zog und dann gegen die Wand des Raumes donnerte. Es vibrierte, zitterte und kam dann zur Ruhe, während Violet panisch versuchte weiter von diesem Ding wegzukommen.
Das Sofa, auf dem sie lag hatte aber keine besonders hohe Lehne und so verlor sie den Halt, als sie versuchte zurückzuweichen und stützte rückwärts von dem Möbelstück und landete auf einen warmen, harten Körper, der nicht Nicolas gehörte.      

Beta: Geany Abc

Violet (Bd 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt