hässliche Schönheit

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Kapitel 15
Sie war wunderschön. Violet hatte sich ein Monster, passend zu diesem Haus, vorgestellt. Eine alte Hexe, die äußerlich genauso hässlich war wie dieses Anwesen. Aber das war sie nicht. Sie war schön. Sie musste Anfang oder Mitte dreißig gewesen sein, als sie verwandelt wurde, ihre dicken roten Haaren hingen in schweren Locken über ihre Schultern und betonten ihre zierliche Figur, die blasse Haut und die blauen Augen. Sie trug ein rotes, enges Businesskleid mit schwarzen Pumps und kirschfarbenen Lippenstift der ihre schmalen Lippen voller aussehen ließ, als sie es tatsächlich waren.
Doch das wunderschöne Bild fiel in sich zusammen als sie lächelte. Ein grausames, spöttisches und liebloses Lächeln, dass sogar noch breiter wurde als sie an eine Leine zog, die Violet erst jetzt bemerkte, und etwas vor Margareta auf den Boden knallte. Direkt vor ihren wunderschönen und sicherlich teuren Schuhen. Es war ein Mann – zumindest sofern sie das beurteilen konnte. Ein Vampir, wenn man die Reißzähne bedachte die sie erkennen konnte als dieses Ding sie anknurrte. Aber ansonsten hatte es nichts mit einem menschlichen Wesen gemeinsam, zumindest nicht mehr.
Das Geschöpf war bis auf die Knochen abgemagert, die Augen waren eingefallen, die Haut fahl, die Glieder wirkten unnatürlich lang und an seinen hektischen Blicken erkannte man deutlich den Wahnsinn. Er sah ein wenig wie das Monster von gestern Nacht aus, das so plötzlich vor Nicolas Wagen gestanden hatte und doch irgendwie anders. Als wären beide Mitglied des gleichen Gruselkabinetts und hatten doch andere Leidenswegen hinter sich.
„Ich sehe, du hast immer noch eine Vorliebe für Fehlschläge, Margareta," entfuhr es Nicolas unberührt und ihr Lächeln wurde breiter als sie die Leine losließ und dieses Etwas einen Satz nach vorne machte, um Nicolas anzugreifen. Mir gezückten Klauen und gefletschten Zähnen kam es auf sie und Nicolas zu, doch Nicolas machte sich nicht einmal die Mühe auszuweichen. Während er einen Hieb mit der Pranke abfing, diesem Ding den Arm brach und in der nächsten Sekunde auch schon den Kopf abriss, konnte Violet nur fletschendes Knurren und reißendes Fleisch wahrnehmen. Violet erwartete eine Blutfontäne, wie es sie bei diesem Typen von gestern Abend gegeben hatte, aber das was die Wände benetzte, sah nicht aus wie Blut und es roch auch nicht so. Es war dick und dunkel und stank nach Verwesung, Fäulnis und Tod. So heftig das sich ihr der Magen umdrehte und sie dankbar war heute noch nichts getrunken zu haben, was sie tatsächlich erbrechen lassen könnte.
„Und du bist immer noch ein Spielverderber, du hättest ihn wenigstens ein wenig knabbern lassen können", sagte Margareta und zog einen Schmollmund. „Ich bin nicht sehr bekömmlich", antwortete Nicolas und zog seine Manschetten wieder unter seinem Jackett hervor. Ordnete seinen perfekt sitzenden Anzug, als hätte er sich nicht einmal bewegt.
„Ich weiß, aber sie ist sicher ein Leckerbissen." Violet konnte noch gerade verstehen, dass sie mit Margaraetas Andeutung gemeint war, da war die rothaarige Vampirin auch schon bei ihr. Die Vampirin versenke die Hand in Violets Haar und zog ihren Knopf so fest nach hinten, dass Violet schmerzerfüllt aufstöhnte, dann beugte sich Margareta über ihre Kehle und schnupperte.
„Wenn ich gewusst hätte, dass du auf kleine Mädchen stehst, hätte ich sicherlich etwas für dich finden können. Wie alt war sie als du sie aus dem Leben gerissen hast? Zweiundzwanzig? Dreiundzwanzig? In der Blüte ihres Lebens und du hast es ihr entrissen, du Schuft!" Margareta fauchte, als Nicolas ihr zierliches Handgelenk packte und sie dazu zwang Violets Haare loszulassen. Und dann stand sie wieder auf der anderen Seite des Flures, nicht eine Locke unordentlicher als zuvor. Dieses Weib war so verflucht schnell.
„Oh. Besitzergreifend. Und ich habe mich schon so lange gefragt, ob es jemals eine Frau geben würde, die das in dir auslöst. Kein Wunder, dass das zwischen uns nie geklappt hat, wenn du auf so junges Fleisch stehst. Aber keine Angst, mein Angebot steht immer noch. Ich gestatte dir diese kleine Schwäche."
Violet berührte ihren schmerzenden Nacken und starrte wie paralysiert auf diese Frau. Es hatte nicht klappen können? Hatten die beiden etwa etwas miteinander gehabt? Und von welchem Angebot sprach sie? Ein kurzer stich von Eifersucht überkam Violet und war ebenso schnell wieder verschwunden wie er gekommen war. Das konnte sie sich bei besten Willen gerade überhaupt nicht leisten.
„Und wie immer lautet meine Antwort: Nein, danke. Ich stehe nicht auf kaltherzige Schlampen."
Trotz der Beleidigung wurde Margaretas Lächeln nicht weniger einladend.
„Du bist so charmant, kein Wunder, das ich dir immer noch nachhänge. Und nun: stell mir dein kleines Mündel vor, wie es sich gehört!", befahl sie in einer Tonlage, die kein Zweifel daran ließ, das man ihr in der Regel zu gehorchen hatte. Nicolas sah kurz zu Violet, dann richtete er seine volle Aufmerksamkeit wieder zu Margareta, als würde er es nicht wagen, sie zu lange aus den Augen zu lassen.
„Violet, das ist Margareta, Protector dieses Gebietes und einer der ältesten Vampire auf diesem Kontinent", sagte Nicolas. Margareta schnaubte.
„Nicht besonders nett, auf mein Alter anzuspielen, gerade vor so einem jungen Ding. Du weißt das ich es nicht leiden kann, wenn andere Frauen jünger sind als ich... oder hübscher." Die letzten Worte zischte sie förmlich heraus und Violet spürte instinktiv, dass sie dieser Frau dringend aus dem Weg gehen musste, wenn sie vorhatte zu überleben. Nicolas ignorierte es, während Violet sich vor Angst fast in die Hose machte. Sie konnte die Hässlichkeit in ihr sehen, so klar und deutlich wie sie ihre offensichtliche Schönheit wahrnahm. Es war grotesk.
„Margareta. Das ist Violet, mein Mündel."
„Dein Fickspielzeug. Lass die Details, sie stinkt nach dir, als würde sie in dir baden, verdammt." Nicolas ließ die Worte im Raum stehen, ohne sie zu korrigieren und Violet erinnerte sich daran, dass ja auch schon Sofia so etwas Ähnliches gesagt hatte. Violet roch nach Nicolas und daraus schlossen die Vampire um sie herum, dass sie eine Affäre hatten, was nicht stimmte und sie würde alles darauf verwetten, dass dieser Geruch von dem Blut kam, das sie trank: Seinem Blut. Aus irgendeinen Grund schienen das weder Sofia noch Margareta in Betracht zu ziehen. Tranken Vampire normalerweise nicht voneinander?
„Damit habe ich dann wohl meine Pflicht dir gegenüber getan. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend", meinte Nicolas stattdessen nach einer Weile und war bereits dabei nach Violet Oberarm zu greifen als sich Margareta so schnell bewegte, dass Violet es nicht mal wahr nahm. Sie stand von Nicolas. Sehr nahe, so nahe, dass ihre Brüste seinen Oberkörper streifen und Violet wieder diesen lästigen Stich spürte.
Eifersucht.
Eifersucht?
War das ihr Ernst? Am liebsten hätte sie sich selbst geohrfeigt.
Ja, Violet war einsam und sicherlich vertrug ihre Psyche das auf Dauer einfach nicht, aber dieses Gefühl von Eifersucht ging selbst dafür zu weit. Sie wollte Nicolas doch gar nicht. Ja, er war heiß und konnte zärtlich und süß sein, er war ihr verdammter Retter. Aber er war auch das Arschloch, dass ihr Informationen vorenthielt, das sie bevormundete und der Mann, der sie in dieses Haus geschleppt hatte. Sie kannte ihn kaum und bezweifelte stark, dass es gesund sein würde ihn näher kennenzulernen. Wenn es also Eifersucht war, die sie dazu brachte sich über diese Szene zu ärgern, würde sie das schnell wieder ablegen müssen. Sehr schnell.
„Nein. Erst reden wir", sagte sie harsch und Nicolas zögerte gerade lange genug, um seinen eigentlichen Widerwillen Ausdruck zu verleihen, bevor er nickte. Margareta grinste breit, machte auf den schwindelerregend hohen Absätzen kehrt und stolzierte den Flur entlang. Nicolas verspannte sich, als er wieder einen Arm um Violets Taille schlang und sie Margareta zusammen folgten.
Sein Zögern sorgte dafür, dass Violet mit noch schlimmeren Bildern rechnete, als die, die sie schon hatte mit ansehen müssen. Wagte es aber nicht, es sich anmerken zu lassen. Stattdessen versteifte sie ihre Schultern und versuchte ihren Körper gerade und ihr Gesicht emotionslos zu halten. Schwerer als gedacht, wenn man damit rechnete gleich in einen Albtraum zu stehen. Doch zu ihrem Glück schien Margareta nicht wirklich an ihr interessiert zu sein und wenn sie den leidenden Ausdruck in ihren Augen sah, würde sie das noch weniger kümmern.

Beta: Geany Abc

Violet (Bd 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt