Das Hotel

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Kapitel 23

Es war ein altes Hotel, erbaut irgendwann in den Zwanzigern und noch nie in ihrem Leben war Violet von so viel Luxus und Eleganz umgeben gewesen. Der ein oder andere würde es sicherlich als altmodisch bezeichnen, aber es hatte Charme. So viel, dass Violet wie angewurzelt auf die Fassade herauf starrte. Um sich herum der Lärm einer nie schlafenden NewYorker Innenstadt und so vielen bunten Lichtern, dass es ihr in den Augen brannte. Sie stand einfach nur da, um sich herum all die Menschen und wagte es einfach nicht die bronzefarben gerahmten Scheiben zu durchschreiten oder gar den weichen roten Teppich dahinter zu betreten.
„Violet. Komm, du musst von der Straße herunter", sagte Nicolas, legte ihr eine Hand zwischen die Schulterblätter und schob sie hinein. Ein Mann in einer Hotelpagenuniform hielt ihnen die Tür auf und Violet betrat den Empfangsbereich, der von einem Kristalleuchter erhellt wurde.
„Willkommen zurück!", begrüßte ein alter Mann sie und hielt Björn bereits einen Schlüssel über den Empfang entgegen, den er ohne zu zögern ergriff.
„Haben Sie einen Wunsch, Madame Sofia? Soll ich Ihnen einen Snack heraufbringen lassen?", fragte er, doch diese schüttelte nur den Kopf und griff nach Björns Hand um ihn mit sich zum Fahrstuhl zu ziehen. „Ich und mein Mann wollen für die nächsten Stunden nicht gestört werden, danke Francis."
Dann wandte sich der Mann an Nicolas und Violet. „Willkommen, Meister Nicolas. Ihr Zimmer steht Ihnen zur Verfügung. Darf ich vielleicht Ihnen oder der jungen Lady etwas bringen?", fragte er mit einer professionellen und fast schon gleichgültigen Stimme. Er drehte sich nicht einmal um, als Sofia kurz aufschrie, weil Björn sie hochhob und heftig küsste, während die Fahrstuhltüren sich schlossen.
„Nein, wir bleiben nicht lange", sagte Nicolas schnell und nahm den Schlüssel im Empfang. Doch der alte Mann runzelte lediglich die Stirn. „Wenn Sie das sagen, Meister Nicolas." Es war deutlich herauszuhören, dass der alte Mann davon nicht überzeugt war. Aber zu einer weiteren Erwiderung schien er auch nicht bereit und Nicolas Aufmerksamkeit wurde woanders benötigt.
„Wohin soll die Tasche, Meister Nicolas?", fragte der Page. Es war Violets Tasche. „In meine Suite, danke Brain", erklärte Nicolas woraufhin sich der Page verbeugte und zu einem Aufzug für Angstellte huschte.
„Deine Suite?", fragte Violet etwas verwirrt. Die Vertrautheit der Personen, die Selbstverständlichkeit mit der sie einen Schlüssel ausgehändigt bekommen hatten, verwirrte sie. War das ihr nicht nur ein Zwischenstopp auf den Weg zu ihrem eigentlichen Ziel? Das hier war schließlich ein Hotel.
„Das Hotel gehört meinem Erschaffer, ich habe hier einige Jahrzehnte gelebt. Sofia und Björn irgendwie schon immer."
„Sie leben hier?", fragte Violet und konnte sich kaum Vorstellen, wie es war, dauerhaft in einem Hotel zu wohnen. Nicolas zog sie mit zu einem anderen Fahrstuhl.
„Wir sind in Amerika. Ein abgeschottetes Herrenhaus mit Angestellten und Bediensteten zieht in diesem Land neugierige Blicke auf sich. Anders als in der alten Welt. Bei einem Hotel sind Diener normal und Re würde niemals auf irgendeine Art von Service verzichten, wenn er sich mal hierher verirrt."
Violet griff nach seinem Arm, bevor sie den Fahrstuhl betreten konnten und hielt Nicolas auf. Zu ihrem erstaunen blieb er stehen und sah abwartend zu ihr herab. „Muss ich Angst vor ihm haben?", fragte sie leise und obwohl Nicolas die ganze letzte Zeit genervt und wütend schien, wurden seine Gesichtszüge für sein Verhältnis fast schon sanft. Dabei wollte Violet doch nur wissen, ob von seinem Erschaffer irgendeine Gefahr ausging.
Nicolas strich ihr mit dem Finger den Pony glatt und berührte dabei flüchtig ihre Stirn. Die zärtliche Geste stand in einen scharfen Kontrast zu dem geradezu grausamen Lächeln, das auf seinen Lippen erschien. „Nein. Das was zwischen mir und Re ist, geht nur uns beiden etwas an. So ungern wie ich es zugebe: In der Sache mit Margareta kann er tatsächlich helfen. Aber lass dich nicht von seiner Freundlichkeit blenden, Violet. Der Bastard ist scheiße gefährlich für jeden, den er nicht für ein Mitglied seiner Familie hält."
„Und gehöre ich zur Familie?"
„Ja. So wird er es sehen, gib ihm keinen Anlass etwas anderes anzunehmen, glaub mir: du willst ihn nicht zum Feind", sagte er und stieg in den Aufzug und wartete geduldig, bis Violet sich neben ich stellte. Violet starrte stur geradeaus und zuckte kurz zusammen, als die Fahrstuhltüren sich schlossen und sie sich plötzlich selbst in dem Glas sehen konnte, mit der die Tür überzogen war. Sie betrachtete ihre durcheinander geratenen dunklen Haare, die in Gegensatz zu Nicolas im kühlen Neonlicht nicht heller erschienen. Seine Haare hatten einen dunklen Blondton, der in der immer herrschenden Dunkelheit um ihn herum kaum zu erkennen war.
„Warum habt euch gestritten?", fragte sie weiter und Nicolas warf ihr einen unergründlichen Blick zu. Er überlegte offensichtlich, was er ihr antworten sollte und entschied sie wie dutzende Male zuvor, ihr nichts persönliches Preiszugeben.
„Das geht dich nichts an. Stell mir Fragen die dir weiterhelfen, sonst bekommst du keine Antwort. Das solltest du mittlerweile bemerkt haben", fauchte er unterkühlt und Violet konnte sich den giftigen Seitenblick nicht verkneifen. „Also betrifft es mich nicht, das der Mann, den ich bald werde kennenlernen müssen, meinen Erschaffer nicht leiden kann. Ein falsches Wort von mir könnte mich das Leben kosten. Aber woher soll ich wissen, was ich sagen kann und was nicht, wenn ich nicht weiß, welche Dinge ich lieber unerwähnt lasse?" Nicolas grinste. „Vergiss es Violet, du kannst es drehen und wenden wie du willst. Du bist neugierig, deshalb willst du es wissen. Das hat nichts mit Re zu tun."
Sie blickte mit schmalen Augen zu ihm nach oben. „Wenn ich ihm auf die Füße treten, ist das deine Schuld!" beschied sie und wieder zuckten Nicolas Mundwinkel. Es machte sie rasend, dass er ihre Wut anscheinend auch noch amüsant fand. Als wäre sie nur ein kleines Kind, dass mit leeren Drohungen um sich warf. Dabei war es bei ihrem Temperament gar nicht so weit hergeholt, dass sie etwas Dummes von sich gab.

„Wem wird sie denn auf die Füße treten?", fragte eine sanfte Männerstimme und Violet war so abgelenkt von ihrem Gezeter gewesen, das sie gar nicht bemerkt hatte, wie sie Fahrstuhltür aufgegangen war und den Blick auf einen Mann preisgegeben hatte. Und was für ein Mann. Ein Prachtexemplar von einem Mann.  

Beta: Geany

Beta: Geany

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Violet (Bd 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt