keine Wahl

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 Kapitel 30

„Also, hast du was vor?", fragte Nicolas und gab sich wieder betont lässig, während Violet immer noch neben ihm saß wie eine Statue. Wie könnte sie das auch einfach verarbeiten? Sie war nichts Besonderes, nur etwas das wieder aufgetaucht war und vernichtet gehörte. Ungeziefer in Re's Augen.
„Wir haben nach Gründen gesucht, wie es soweit kommen konnte. Wie es unser Feind geschafft hat sich wieder auszubreiten und wir sind zu einem Schluss gekommen, den du begrüßen wirst, Nicolas."
„Wenn du sagst „wir", dann meinst du dich und die anderen alten Vampire aus der Zeit der Revolution", schlussfolgerte Sophia laut und Re nickte lediglich in ihre Richtung ohne Nicolas Blick loszulassen.
„Achja, und die Schlussfolgerung wäre?", fragte Nicolas skeptisch ohne sich von der Zwischenfrage seiner Schwester stören zu lassen. Ganz so als wäre es für ihn offensichtlich gewesen, wen Re mit „wir" meinte.
„Es liegt an dem Chaos, das in unserer Zivilisation herrscht. Keine Strukturen, keine einheitlichen Regeln, nicht mal ein Machtzentrum. Das haben wir geändert", erklärte Re, lehnte sich auf der Couch zurück und schlug die Beine übereinander. Er sah erhaben und Gottgleich aus und das Lächeln, das er zur Schau trug, war mehr als selbstgefällig.
„Natürlich habt ihr das. Lass mich raten: Ihr habt euch die Welt unter euch fünf aufgeteilt und erwartet nun, das sich jeder kleinere Anführer euren Willen und euren Gesetzen beugt", knurrte Nicolas und der missbilligende Ton war kaum zu überhören. Re lächelte nur. Mehr Zustimmung brauchte es nicht.
„Wolltet ihr nicht genau das mit eurer Revolution verhindern? Eine Hierarchie, eine Welt in der weinige über viele herrschen?", brummte Björn aus einer Ecke heraus und auch Sofia sah wenig begeistert von dem Plan aus.
„Man sieht ja, wohin es uns geführt hat. Nicolas wird es seit Jahrhunderten nicht müde diesen Anarchiezustand zu kritisieren. Zumindest von dir habe ich mehr Begeisterung erwartet." Mit diesen Worten schob Re seine Unterlippe hervor und schmollte gespielt, aber sein Blick blieb entschlossen und Violet wusste nicht warum, aber sie lehnte sich an Nicolas. Dieser griff nach ihrer Hand und umschloss sie in einem festen Griff, der wohl beruhigend wirken sollte, aber Violet war nicht beruhigt. Diese Geste führte lediglich dazu, dass sie dem Drang erlag und ihren Kopf an seinen Oberarm schmiegte. Re beobachtete ihr tun nur beiläufig und kam dann wieder zum Thema als Nicolas nichts erwiderte.
„Wir kommen nicht umhin, dass es für eine Zeit lang sogar noch Chaotischer wird, wahrscheinlich auch eine Menge Opfer unter unserem Volk.. Naklar, das Gebiet in Afrika, in dem du regierst, gehört jetzt Fejana. Ich will, dass du dich widerstandslos daraus zurückziehst, ihr anderen lebt ja bereits in Nordamerika und da ihr zu meiner Familie gehört, erwarte ich auch, dass ihr hier bleibt. Amerika einzunehmen wird nicht besonders schwer, im Grunde habe ich lediglich eine Hürde zu meistern, der Rest dürfte sich einfach gestalten."
„Magareta. Sie ist die Älteste hier und wird sich dir nicht unterordnen. Wenn du sie besiegt hast, fallen alle anderen Territorien wie Dominosteine. Mehr oder weniger zumindest", sprach Naklar ohne sich gegen den Befehl seines Erschaffers zu stellen, einfach sein Leben aufzugeben und es jemand anderen zu überlassen. Aber ein freudiges Gesicht sieht definitiv anders aus.
Eine ganze Zeit lang herrschte schweigen, vor allem weil niemand es wagte etwas dagegen zu sagen, bis auf die Stimme die sich Re gegenüber schon immer unverhohlen kritisch geäußert hatte.
„Das wird den Menschen auffallen. Es ist so gut wie unmöglich so ein Manöver zu verheimlichen. Es werden sich Fronten bilden und offene Konflikte bilden. Millionen werden sterben und das ganz sicher nicht nur Vampire", gab Nicolas zu bedenken und Re zuckte lediglich gleichmütig mit den Schultern.
„Dann erfahren sie es eben, sie können sowieso nichts dagegen tun. Wenn sie Probleme machen werden sie vernichtet. Aber im Großen und Ganzen können sie ihr Leben friedlich weiterleben. Sofern sie es einfach hinnehmen, dass sich dieses Leben verändern wird. Details dazu entscheide ich spontan. Wir konnten uns nicht auf einen einheitlichen Umgang mit den Menschenvölkern einigen. Wir brauchen sie. Nicht nur als Nahrungsquelle, sondern auch als potenzielle neue Vampire, ich stelle mir eine Art Koexistenz vor."
„Unter deiner Herrschaft versteht sich", knurrte Nicolas und Re grinste breit. „Natürlich", stimmte Re zu und setzte, dann eine geradezu liebevollen Blick auf bevor er sich an Violet wandte.
„Keine Sorge, Violet. Du gehörst zur Familie, niemand wird dir Schaden zufügen auch wenn ich dir dringend raten muss, dich aus jedem offenen Konflikt herauszuhalten. Du bist zu jung um gegen einen anderen Vampir bestehen zu können.", riet er ihr fast schon väterlich und sie schaffte es sogar ihn ein dankbareres Lächeln zu schenken. Nicolas Arm bewegte sich in ihrem Sichtfeld. Er schlang einen Arm um ihre Schulter und zog sie näher zu sich heran, bis sie fast auf seinem Schoß saß.
„Also...", begann Sofia zögerlich und obwohl ihr Gesichtsausdruck eher besorgt und zweifelnd wirkte und sie eine ihrer Hände haltsuchend mit der ihres Mannes verschränkt hatte, blieb ihre Stimme fest. „...wie können wir dir helfen?"

Re lächelte und tätschelte kurz ihre Wange, bevor sein Blick kurz zu Naklar glitt, der ja davor schon nicht wirklich widersprochen hatte und dann an Nicolas hängen blieb. Er zögerte, aber Violet spürte den Zwang, dem er ausgesetzt war. Er hatte nicht wirklich eine Wahl. Re war gefährlich und obwohl dieser andauernd von Familie sprach, war Violet sich einem sehr deutlich bewusst: Re würde töten, um zu herrschen. Und zwar jeden, ohne Ausnahme und wenn man nicht für ihn war, war man gegen ihn.

„Was soll ich tun?", fragte dann Nicolas einlenkend und Re strahlte in diesem Moment wie der stolzeste Vater aller Zeiten.  

Beta: Geany

Violet (Bd 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt