Entschuldigungen

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Kapitel 38


Violet ließ sich von Nicolas in sein Apartment ziehen und sah, immer noch vollkommen perplex, dabei zu, wie dieser eilig einige Dinge zusammen packte. Sie war eine Königin. Sie brauchte keine Bestätigung von ihm um das zu wissen. Allerdings konnte sie nicht sagen, was das jetzt genau bedeutete. Noch immer brannte ihr Hals und als sie ihrem eigenen Blick in einem Spiegel im Flur begegnete, sah sie die blauen Mahle an ihrer Kehle die Res Finger hinterlassen hatten. Er hätte sie umbringen können und hätte es sicherlich auch getan, wäre Nicolas nicht gewesen.

Nicolas.


Er hatte sie ein weiteres Mal vor ihrem Untergang gerettet, vor ihrem eigenen Tod und diesmal war sie selbst schuld an ihrer Situation gewesen.Violet war gewarnt worden, mehr als einmal. Und dennoch hatte sie sich von Re in den Bann schlagen lassen und ihn damit zum Handeln gezwungen. Dass hier war alleine ihre Schuld.
„Tut mir leid", wisperte sie und nur dank seinem guten Gehör war Nicolas überhaupt dazu in der Lage, sie zu hören. Und das tat er, denn er hielt kurz inne bevor er in derselben Geschwindigkeit weiter packte. Wortlos. Und das machte alles nur noch schlimmer. Er sollte wütend auf sie sein, sie anschreien oder sie zum Teufel jagen und nicht nach einer weiteren Tasche greifen und ihre Kleider in eine Tasche packen.
„Nicolas, es tut mir-„
"Sei ruhig!", entfuhr es ihm scharf und warf ihr für eine Sekunde ein Blick zu, der sie bis ins Mark traf.
„Bitte, ich will mich entschuldigen. Du hattest recht, ich hätte mich von Re fernhalten sollen, ich hätte-„
Plötzlich stand er direkt vor ihr und Violet verstummte wieder.
„Ich sagte: sei ruhig. Re ist wahnsinnig. Keiner von uns beiden weiß was in ihn gefahren ist, aber wir sind hier beide nicht mehr sicher, also pack deine Sachen, damit wir von hier verschwinden können", murmelte er und unterstrich, damit ein weiteres Mal, wie die Wahrheit zwischen ihnen aussah. Ob hinter oder vor verschlossenen Türen, sie war sein Zögling und dieses Spiel würden sie weiter spielen, bis sie selbst vergaßen, was die Wahrheit war.
Er starrte auf sie herab und Violet presste die Lippen aufeinander, um nicht wieder damit anzufangen sich zu entschuldigen. Das hier würde nicht das letzte Mal sein, das wusste sie. Nicolas war ihretwegen in Gefahr und sie konnte nichts tun, um ihn aus diesem Schlamassel zu befreien. Er hatte sich dafür entschieden und er würde an dieser Entscheidung festhalten, das wusste sie ebenfalls. Nicolas war nicht der Typ, der ins Wanken geriet, wenn es plötzlich mal brenzlig wurde. Und obwohl sein Starrsinn, seine zwanghafte Kontrollsucht und sein rechthaberisches Getue, das keine Rücksicht auf ihre Meinung nahm oder auf das was sie wollte, sie in den Wahnsinn trieb, war sie nun dankbar dafür. Im Gegensatz zu ihr selbst, die einfach nur dagestanden hatte und nicht wusste, wie ihr geschah, hatte Nicolas das Unheil erst einmal von ihnen abgewandt, indem er mit einer Verbissenheit an seine Geschichte festgehalten hatte, wie es nur jemand tat, der tatsächlich glaubte, was er sagte. Er war ein unverschämt guter Lügner und ein noch besserer Schauspieler. Er hatte sogar kurz Violet selbst überzeugt und diese wusste nun am allerbesten, dass er gelogen hatte. Und, wenn sie diesen Gedanken weiter verfolgte, musste sie sich unweigerlich fragen worin er noch so geschickt gelogen hatte.
„Du denkst zu viel", meinte Nicolas plötzlich geradezu sanft. So sanft, dass es sie an den Moment erinnerte, als sie in seinem Bad gestanden hatte und er ihr einen Kuss auf die Schläfen gedrückt hatte. Einerseits war er unendlich sanft und dann ihr gegenüber wieder so abweisend, das ihr diese Gefühlswechsel Schwindel verursachten. Eventuell war eine Seite davon auch nur einfach ein gutes Schauspiel, eine gute Lüge.
„Das sollte ich auch, ist besser, wenn ich nicht denke", meinte sie und fühlte sich unendlich dumm dabei, sich das einzugestehen. Sie war nie die aller cleverste gewesen. Sie war zu aufbrausend und letztendlich zu sehr mit Komplexen behangen um den Dummheiten aus dem Weg zu gehen die sie verzapfte. In diesen Momenten hasste sie sich mehr den je dafür. Nicolas hatte recht, sie wurde zickig, wenn sie Angst hatte, aber sie wurde auch unsicher, wenn sie wusste, dass sie Mist gebaut hatte.
„Ich hätte dich nicht zu ihm bringen sollen, er war ein Jäger", hauchte er und griff nach einer ihrer Haarsträhnen, bevor er ihr Gesicht berührte.
„Du hättest mir von Anfang an nicht helfen sollen. Ohne mich würdest du immer noch in deiner Kellerwohnung sitzen und hättest deine Ruhe."
„Ich bin kein Wohltäter, Violet. Das solltest du langsam begriffen haben. Ich habe dir weder aus Nächstenliebe, Mitleid oder etwas anderen geholfen und ich habe meine Ruhe bewusst aufgegeben. Es gibt also nichts, worüber du dir so viele Gedanken machen solltest." Womit sich wieder die Frage stellte, was er verdammt nochmal von ihr wollte.
„Du hast gesagt, ich bin für dich ein Sammelstück. Weil ich eine Königin bin, was auch immer das heißen mag?", fragte sie und Nicolas machte noch einen Schritt auf sie zu, während seine Hand in ihren Nacken glitt. Er beugte seinen Kopf zu ihr herab und wie damals im Flur ihrer Wohnung glaubte sie für einen Moment, er würde sie küssen, doch er senkte seine Lippen lediglich gegen ihr Ohr.
„Vielleicht bist du eine, aber auch wenn nicht bist du es definitiv Wert in meine Sammlung aufgenommen zu werden. Sowohl das Eine als auch das Andere macht dich nämlich quasi zu einem Einhorn", erklärte er und gab ihr damit nicht mehr Information als sie bereits besaß. Nicht wirklich zumindest. Er wollte sich von ihr entfernen, aber Violet krallte ihre Hände in sein schneeweißes Hemd und hielt ihn bei sich.
„Was bedeutet es, wenn ich eine Königin sein sollte?", fragte sie und Nicolas schüttelte leicht den Kopf.
„Sie sind mythische Figuren, angeblich die Wurzel des Vampirismus. Niemand weiß genau was es bedeutet eine Königin zu sein. Aber eines steht fest: wenn du eine bist, sollte kein anderer über unser Volk herrschen als du. Kein Re, keiner der anderen ehemaligen Rebellionsführer, kein anderer Geborener."
„Aber du glaubst, nicht dass ich eine bin", das war nicht wirklich eine Frage. Nicolas Blick wurde sanft und wieder presste sich Violet an ihn, nur, um mehr von dieser Zärtlichkeit aufzusaugen, die er ihr ab und an zugestand. Sie schämte sich längst nicht mehr für ihr Bedürfnis ihm nahe zu sein, schließlich war sie sein Zögling. Auch hinter verschlossenen Türen.
„Wärst du das, müsste ich mich dir unterordnen und dafür gebe ich viel zu gerne Befehle", gestand er und drückte ihr wieder einen Kuss auf die Schläfe, wie er es schon mal gemacht hatte. „Du bist mein Zögling, nichts weiter und jetzt tu' der Männerwelt ein Gefallen und zieh dir etwas an was weniger ... knapp ist", murmelte er und ließ ihr noch einige Sekunden Zeit sich von selbst von ihm zu lösen als wüsste er, dass sie diese Momente brauchte. Gerade jetzt, nachdem sie fast ermordet worden wäre. Violet stahl sich diese Zeit und genoss seinen Duft, der sie einhüllte und war tatsächlich überrascht, als er einen Arm um sie legte und mit den Lippen ihren Scheitel berührte.
Dann blickte sie zu ihm auf und erwischte ihn dabei, wie in seinem Blick, neben der Zärtlichkeit, etwas anderes auftauchte. Er sah hungrig aus, angespannt als würde ihre Nähe ihn aus dem Konzept bringen. Sie wusste nicht woher, aber in diesem Moment wusste sie einfach, dass sie ihm ebenfalls unter die Haut ging. Ob es jetzt an dem Blut lag oder nicht, sie ließ ihn nicht kalt. Ganz und gar nicht. Einen Instinkt folgend stellte sie sich auf die Zehnspitzen umschloss mit beiden Händen seinen Nacken und zog sich seinem Gesicht entgegen um dieser Anspannung endliche in Ventil zu geben.
Sie war überrascht, dass er es zuließ, dass er sie nicht direkt von sich stieß, als sie ihn vorsichtig küsste und dann schien ein Damm zu brechen.

Beta: Geany

Violet (Bd 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt