Mitwisser

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Kapitel 20
Eines stand fest: Langweilig war es in den letzten zwei Tagen definitiv nicht gewesen. Sie hatte ihren Vater verloren, eine unangenehme Begegnung mit dem Malus gehabt und etwas von Gottesmaschienen erfahren. Dann hatte sie eine wunderbar gruselige Margareta kennengelernt, die in einem Haus zusammen mit Dämonen und Geistern lebte, und wenige Stunden später war ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt. Nein, die dringend benötigte Ruhe hatte sie nicht bekommen, obwohl sie wirklich viel zu verdauen gehabt hätte. Sie könnte sich diese Zeit jetzt nehmen, wo sie neben Nicolas im Wagen saß - auf dem Weg raus aus der Stadt und weg von Margareta. Weit weg. Sofia und Björn fuhren in dem Wagen vor ihr und brachten sie... tja, wohin eigentlich?
„Wohin fahren wir eigentlich? So ohne alles?", fragte sie und wunderte sich nicht zum ersten Mal, dass Nicolas, abgesehen von seinem Computer, absolut gar nichts mitgenommen hatte. Nur Violet hatte sich ihre, immer noch ungetragene, neue Kleidung, in eine Tasche gepackt und auf den Rücksitz verstaut. Aber sonst? Was würde mit seinen ganzen Büchern und den anderen Kram passieren?
„Ich habe noch einige anderen Rückzugsorte, aber so lange Margareta ihren wertvollsten Besitz demjenigen verspricht, der dich tötet, wäre es nicht clever zu zweit zu bleiben." Ihre Deuxmacina. Margareta besaß eine dieser merkwürdigen Gottesmaschienen und bot sie als Belohnung für Violets Tod an, was dafür sorgte, dass der gesamte amerikanische Kontinent hinter ihr her war. Was sie immer noch verwunderte. Es war irgendwie extrem. Vielleicht wusste sie doch was Violet wirklich war.
„Ist es sicher nur Eifersucht?", fragte Violet etwas kleinlaut. Sie schnitt dieses Tema nur ungerne an, denn nachdem sie sich mit dem Blut schon lächerlich gemacht hatte, wollte sie eigentlich nicht auf etwaige Gefühle eingehen. Aber es war schon auffällig, dass Margareta etwas so wertvolles dafür „verschwendete" um Violet umbringen zu lassen. Nur weil sie angeblich was mit Nicolas hatte.
Zu ihrem Glück hielt sich Nicolas auch nicht an der Eifersucht auf und warf ihr einen Seitenblick zu, der ihren Magen zum Kribbeln brachte. Violet spürte, wie ihr plötzlich der Mund trocken wurde, ihr Puls sich beschleunigte und ihr Herz so heftig gegen ihren Brustkorb stieß, dass sie fürchtete, er könnte es hören. Doch wenn er es wahrnahm, ließ er es sich nicht anmerken.
„Ist nicht so abwegig, sie hat die Angewohnheit mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Ich verstehe deine Befürchtungen aber ich wüsste nicht, wie sie irgendetwas was dich betrift hätte herausbekommen sollen", sagte er und sah wieder kurz zu ihr herüber. Sie war nicht im mindesten beruhigt und als er das sah, streckte er seine Hand aus und fuhr ihr mit den Fingerknöcheln über die Wange.
„Du musst keine Angst haben", versprach er und konzentrierte sich wieder auf die Straße, während Violet einmal mehr nicht wusste, wie sie mit seinen Zärtlichkeiten umgehen sollte. Sie wurde einfach nicht schlau aus ihm. Am Anfang hatte sie gedacht, er könnte sie nicht ausstehen, dann verkündete er, dass sie für ihn nur ein Sammelobjekt war, ein Rätsel das er lösen wollte und ihr weh tun würde, wenn sie nicht tat was er von ihr verlangte. Und dann gab es immer wieder diese Momente, wo er so süß war, dass sie ihn quasi anschmachten musste. Es war absurd.
Sie fühlte sich zu ihm hingezogen und dabei mochte sie ihn noch nicht einmal wirklich, geschweige denn, dass sie ihm vertraute. Vielleicht war sie einfach zu lange alleine gewesen. So lange, dass sie sich schlicht und ergreifend zu jedem Kerl hingezogen fühlte der auch nur ab und an nett zu ihr war. Einfach nur peinlich.
„Du wirst es Sofia nicht sagen, oder? Dass ich nicht dein Zögling bin, meine ich." Eigentlich musste sie das nicht fragen, alleine die Tatsache, dass Sofia immer noch glaubte, sie würden miteinander schlafen und sie seien so etwas wie ein... Paar - leider fühlte sich dieser Gedanke nicht halb so abschreckend an, wie es hätte sein sollen - musste genug Antwort sein. Nicolas hatte mehr als eine Gelegenheit verstreichen lassen es seiner Schwester zu beichten.

„Nein. Und auch wenn du nicht mein Zögling bist, gebe ich dir doch einen Rat als dein Meister: Sorge dafür, dass es so wenig Leute wir nur irgendwie möglich erfahren. Egal wie sehr du jemanden traust oder glaubst zu lieben: Du lebst einfach zu lange und früher oder später wird dich jeder verraten. Und wenn du in die Not kommst es jemanden sagen zu müssen: töte ihn, bei der sich ersten bietenden Gelegenheit." Das war eine ziemlich kalte, eine ziemlich einsame und vor allem pessimistische Ansicht. Sie wollte so nicht denken. Aber letztendlich hatte er recht, sie wusste selbst nur all zu gut wie diese Welt funktionierte.
„Dir ist klar, dass du mir gerade rätst, auch dich zu töten, sobald ich die Gelegenheit habe, oder?", fragte sie. Es war nur eine logische Schlussfolgerung, schließlich war er bis jetzt der Einzige, der von ihr wusste. Vermutlich.
Nicolas grinste breit und in seinen Mundwinkeln entdeckte sie Eckzähne, die ein ganzes Stück länger waren als ihre. Ihr war bereits bei dem Geborenen aufgefallen, dass Vampire normalerweise richtige Fänge hatten, nicht solche kleinen möchte gern Zähnchen, wie sie sie manchmal bekam.
„Du kannst es gerne versuchen. Momentan bin ich das Beste was dir passieren konnte und du bist noch nicht stark genug, um mich umzubringen. Vielleicht wirst du es nie sein."
„Und wenn ich es irgendwann bin? Was machst du dann?", fragte sie, denn sie hatte definitiv nicht vor ewig so schwach zu bleiben und sie war sich sicher, dass sie durchaus töten konnte und würde. Sie mochte Grausamkeiten verabscheuen, aber sie war weder auf den Mund gefallen, noch würde sie vor Handgreiflichkeiten zurückschrecken. Sie hatte fünf Jahre lang in einer Bar gearbeitet und war jede Nach alleine nach Hause gelaufen. Sie hatte einige Übergriffe erlebt und war aus jedem Einzelnen als Siegerin hervorgegangen. Zumindest vor Menschen musste sie keine Angst haben.
„Dann hoffe ich für dich, dass ich meine Lebenseinstellung geändert habe und dich für vertrauenswürdig halte oder du in meinen Augen noch sehr viel Wertvoller geworden bist. Denn sonst werde ich es nicht riskieren dich am Leben zu lassen." Das sollte sie verletzen, ihr Angst machen aber irgendwie hatte sie sowieso mit einer solchen Antwort gerechnet und sie zuckte nur mit den Schultern, bevor etwas Schweres auf ihrem Schoß landete, Violet sich heftig erschrak und einen kurzen Aufschrei von sich gab.Violet starrte wie paralysiert auf ihre bedeckten Oberschenkel und wagte nicht sich zu bewegen. Schließlich könnte sie das Malus aus Versehen mit ihrer Haut berühren.
„Verdammt!", entfuhr es Nicolas, setze den Blinker und fuhr auf der Interstate rechts an den Rand.
„Beweg dich nicht, ich hole es runter!", sagte er, stieg aus dem Wagen und lief um das Auto drum herum um ihre Beifahrertür aufzureißen. Er trug nichts als sein Hemd und diese Weste, die seine schmalen Hüften so wunderbar betonte und kramte aus der Violets Reisetasche einen ihrer Pullover hervor, um ihr das Malus vom Schoß zu nehmen.
„Ist etwas passiert?", fragte Björn, der irgendwie plötzlich bei ihnen war. Der Wagen von ihm und Sofia stand einige hundert Meter weiter am Rand der menschenleeren Straße. Mitten in der Nacht war selbst hier nicht viel los.„Das Malus ist nur wieder aufgetaucht. Sonst nichts", erklärte Nicolas und warf das Buch mit zu Violets Sachen auf die Rückbank. Björn nickte.„Gut dann können wir ja-"
Und dann ertönte der lauteste Knall, den Violet je gehört hatte.

Beta: Zitronenlimo

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Violet (Bd 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt