verräterische Küsse

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Kapitel 35
Es war wie ein orientalischer Traum. Als die Flügeltür aufglitt um sie in Res Feierlichkeiten willkommen zu heißen, wusste Violet nicht was sie eigentlich erwartet hätte. Aber sicherlich nicht dieses wunderschöne Farbenspiel von Purpur, mitternachtsblau und Gold, dass sich in Form von Tüchern, Polstermöbeln und Wandbehängen durch den gesamten Raum zog. Ein sanftes Licht hüllte sie ein und der leichte Nebel, der sich um ihre Waden wandte, trug den unverkennbaren Geruch des Mittels in sich, das Nicolas ihr letzten Abend in ihr Glas gemischt hatte.
Wie ein Liebhaber umspielte die Atmosphäre ihre Sinne, streichelte ihren Körper und lud sie in eine geduldige, erotische Stimmung ein, der sie sich einfach nicht entziehen konnte. Es war unmöglich sich den Zwang zu widersetzen sich zu einer dieser Gruppen zu gesellen, die sich merkwürdigerweise ziemlich normal verhielten. In verschiedenen Sitzecken saßen sie zusammen, unterhielten sich, lachten leise und die Pärchen, die sich gefunden hatten lagen sich lediglich im Arm, berührten aneinander und tauschten andere Zärtlichkeit aus. Der Nebel lag bleischwer auf Violets Sinnen. Aber er machte sie nicht zu einer Sex-Besessenen Irren und das, was sie hier sah, war weniger eine Orgie als ein unbefangenes beisammen sein, in dem man sich einfach Optionen offen hielt.
Es gab keine öffentliche Darstellung von Sex, die Sitzgelegenheiten, Sofas und stillen Ecken waren durch Stellwände abgeteilt und boten eine merkwürdige halbdurchlässige Illusion von Privatsphäre. Allerdings konnte sie nicht sagen wie lange das noch so blieb. Während sie durch das Labyrinth von Stellwänden irrte und lediglich Björn entdeckte, der die Hand nach seiner Frau ausstreckte und Sofia dann irgendwo hin verschleppte, fühlte sie sich merkwürdig allein.
Die Vampire, die sich hier aufhielten, waren ihr unbekannt und beachteten sie kaum, nur wenige Blicke hoben sich, während sie an den kleinen Abteilen vorbei ging und wenn sie Aufmerksamkeit erregte, betrachtete man weniger ihr Gesicht als ihren Körper.
Violet konnte nicht verhindern, wie sich in ihr ein allzu bekanntes Gefühl von Wut zusammen rollte. Sie hasste es auf ihren Körper reduziert zu werden. Sie mag zwar sicherlich kein Genie sein oder ein sprühendes und anziehendes Wesen, aber sie hatte dennoch mehr zu bieten als ein hübsches Gesicht und eine üppige Oberweite. Dann aber war sie gleichzeitig beleidigt, wenn die Blicke dann wieder verschwanden.
Violet war mit Sicherheit nicht die schönste Frau hier, alle Vampire schienen etwas an sich zu haben das ungemein anziehend wirkte und ihre Aura machte sie tatsächlich irgendwie schön, ohne ihr Aussehen wirklich zu verändern. Es war fast so, als würde man einen Weichzeichner über alles legen. Wieder kam ihr Nicolas in den Sinn. Mit all diesen Narben hätte er entstellt sein müssen, aber irgendwie konnte sie dennoch nie ihren Blick von ihm abwenden. Nein, Schönheit gab es hier zur genüge, sie war hier lediglich eine von Vielen.
Sie fühlte sich verlassen, wie die sprichwörtliche Maus im Labyrinth, so sehr das sie fast erleichtert war Re zu entdecken, der sich anscheinend im Zentrum des Saales, am Ende all dieser Stellwände, ein Platz ergattert hatte und wie ein König auf eine altmodische Couch thronte. Es sollte sie nicht überraschen leicht bekleidete, wunderschöne Frauen zu seinen Füßen dabei zu beobachten wie sie den Kopf weit in den Nacken legten und ihn anhimmelten. Aber es sie konnte nicht anders, als sie anzustarren, denn sie waren keine Vampire. Es waren Menschen und sie sah unzählige hässliche alte und frische Bissspuren an den Körpern der Frauen. An ihrer Kehle, ihren Armbeugen, ihren Handgelenken und an der Innenseite ihrer Schenkel.
Wie Schweine, die man sich in der Nähe hielt, um bei Hunger eines zu schlachten. Sie war kein Mensch und dennoch fühlte sich Violet für einen Moment angeekelt und hätte dem Szenario den Rücken zugedreht, doch da bemerkte Re sie und lächelte sie an. Keine Frau konnte sich Res Attraktivität entziehen, besonders nicht Violet die sich wieder einmal eingestehen musste, das Re sehr viel mehr dem Typ Mann verkörperte, von dem sie sich eigentlich angezogen fühlte, als Nicolas.
Re sah, wie es schien, in allem fantastisch aus. Denn obwohl dieser altmodische Anzug eigentlich nicht zu dem Sidecut und den Tunneln in den Ohren passen sollte, tat er es. Während Nicolas selber in einer etwas lässigeren Kleidung kalt und reserviert wirkte, schien Re die Aura der Rebellion anzuhaften, egal, wie prüde er sich kleidete.
„Violet! Komm her Mädchen, lass dich ansehen!", hauchte er und streckte ihr seine Hand einladend entgegen. Violet ignorierte sie, trat aber näher wie er es ihr geboten hatte und achtete dabei darauf, keinen weiteren Blick auf die beiden Frauen zu werfen, die sich an Res Beine drückten, als wären sie Hunde, die darauf warteten, gestreichelt zu werden.
Re zog die Hand zurück, verlor aber sein Lächeln nicht und ließ seinen Blick sehr intensiv über ihren Körper gleiten. Was sie kurz beschämte, dennoch straffte sie die Schultern und sagte nichts dazu. „Ich bin fast froh, dass Nicolas mich nicht gebeten hat dich zu verwandeln. Es wäre eine Schande, wenn ich mich von dir fernhalten müsste. Du bist bezaubernd."
„Danke", hauchte sie ohne es zu meinen und hatte keine Ahnung was sie sonst sagen sollte, aber zu ihrem Glück musste sie das gar nicht.
„Komm her, leiste mir Gesellschaft. Nicolas ist momentan anderweitig beschäftigt. Ich werde auf dich aufpassen!" hauchte er verführerisch und nichts an der Tonlage, die er einschlug, klang in irgendeiner Art besorgt oder fürsorglich. Er wollte mehr und machte sich nicht die mühe das zu verbergen.
„Ich sehe, dass du bereits Gesellschaft hast und will nicht stören, wenn mir hier Gefahr droht, werde ich mich lieber zurückziehen!", erwiderte sie und überging den Kommentar mit Nicolas bewusst. Sie wollte nicht genau wissen, mit was er beschäftigt war. Sie wollte nicht mal daran denken.
„Nein! Komm her!" befahl Re etwas herrischer und Violet wusste, dass sie an dieser Stelle wohl eher gehorchen sollte. Re schob eine der Frauen vor seinen Füßen grob beiseite, reichte Violet die Hand während sie sich näherte und zog sie dicht neben sich auf die Couch.
„Du bist zu hübsch um heute Nacht allein zu bleiben und in Gegensatz zu deinem Meister weiß ich deine Anwesenheit zu schätzen", hauchte er verführerisch und legte einen Arm um ihre Hüfte, bis Violet gezwungen war sich an ihn zu lehnen. Er lehnte seinen Kopf an ihr Ohr und sein heißer Atem strich sanft über ihr Ohr. Violet spürte wie ein Schauer sie erfasste und der Nebel im Raum trübte ihren klaren Verstand zusätzlich.
Seine Lippen berührten ihren Hals und als sie zurückschreckte, hielt er mit der zweiten Hand ihr Kinn fest und lächelte sie an, wie nur ein Mann lächeln konnte, der wusste das er eine Frau haben konnte wenn er es wollte. Als er sich ihr wieder näherte, fand sie die Geistesgegenwart ihn davon zu drücken, was aber nicht wirklich etwas brachte außer, dass ein leises, dunkles Lachen an ihre Ohren drang.
„Trotz seines Geruches riechst du verführerisch, Zögling. Hast du Nicolas von dem Kuss erzählt, den ich dir gestohlen habe? Hast du ihm gesagt wie du in meinen Armen weich geworden bist?" fragte er und zog ihr Gesicht wieder nah an seines. Violet wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Nicolas wusste von dem Kuss auch ohne, dass sie es ihm hatte sagen müssen.
„Er weiß davon und ich bin mir sicher, dass du genau das beabsichtigt hast", gab sie zurück und kämpfte sich aus dem Nebel, der ihren Verstand einnahm und ihr einzureden versuchte es wäre in Ordnung, sich Re Verführungen hinzugeben. Wieder drang ein Kichern an ihr Ohr.
„Was soll ich dazu sagen, ich finde es sehr amüsant, wie ihr euch windet. Eure Geheimniskrämerei, diese Zwangspartnerschaft, die ihr euch aufgelegt habt um euch selbst und den jeweils anderen zu beschützen, in dem Glauben ich würde es nicht merken", hauchte er und hielt ihr Gesicht davon ab zurückzuweichen, während er seines wieder in ihrer Halsbeuge vergrub. Diesmal war es keine flüchtige Berührung, er küsste ihren Hals und ihr schlagender Puls übertönte den Sinn seiner Worte. Sie bemerkte es nicht, war zu abgelenkt von dem Gefühl das Re in ihr auslöste. Der Nebel hatte von ihrem Körper Besitz ergriffen, ihn weich und anschmiegsam gemacht, während Re an ihrer Kehle knabberte, sich seinen Weg über ihr Kinn bahnte und dann ihre Lippen einnahm.
Sie stöhnte sehnsuchtsvoll auf und die Hände, die ihn vorher hatten wegstoßen wollen, krallten sich nun in den Stoff seiner Kleidung. Re nutzte die Gelegenheit, um seine Zunge zwischen ihre Lippen gleiten zu lassen und sie näher an seinen Körper zu ziehen bevor er den Kuss unterbrach und seinen Mund wieder an ihr Ohr legte.
„Ich habe euch gejagt und getötet und Nicolas glaubt tatsächlich ich würde nicht erkennen, was er da in mein Haus gebracht hat. Es ist fast schon beleidigend", flüsterte er noch eher sie die Bedeutung seiner Worte begriff. Erst als seine Hand sich um ihre Kehle legte, begann ihr Puls ängstlich zu flattern, doch da lagen seine Lippen wieder auf ihren und diesmal drang er so tief in sie vor, dass sich dieses Flattern mit Lust vermischte. Besonders als seine Fangzähne eine winzige Verletzung zufügten und etwas Blut hervorquoll, das er von ihren Lippen leckte.
„Du schmeckst fantastisch, Violet. Ich bedauere es wirklich sehr deiner Existenz ein Ende setzen zu müssen", hauchte er zwischen zwei Küssen bevor er seinen Griff um ihre Kehle verstärkte und zudrückte.  

Beta: Geany ^^

Violet (Bd 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt