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Um sicher zu gehen, dass ich auch wirklich sicher zu Hause ankomme, hat mich Lucifer direkt bis zu meiner Wohnungstür begleitet.

Manchmal erwischte ich ihn, wie er mich nachdenklich musterte. Zu gern hätte ich dann gewusst, was in seinem Kopf vorging. Aber ich wagte es nicht, ihn danach zu fragen.
Erst als wir die Wohnungstür erreicht hatten, fand er seine Sprache wieder.

"Versprichst du mir etwas, Alba?" Seine Stimme lies mich aufhorschen.
"Alles!" antworte ich ein wenig zu schnell. 
Seine eisblauen Augen durchbohrten mich.
"Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du die nächsten Tage Zuhause bleiben könntest."
Bitte was?!
"Nicht das! Ich meine.. auf keinen Fall. Und wieso überhaupt?"

Fassunglos starrte ich ihn an, doch er ignorierte meine Frage.
"Auch nicht, wenn ich dich darum bitte?" Er schien es tatsächlich ernst zu meinen.
"Nein. Warum sollte ich denn?" Ich war fest entschlossen, ebenfalls nicht locker zu lassen. Auch wenn ich meinen Chancen, nicht als allzuhoch einschätzte.

Für einen schier unendlich langen Moment sahen wir uns schweigend an. Unsere Blick schienen ineinander zu verschmelzen und selbst wenn ich gewolllt hätte, hätte ich nicht wegschauen können.
"In Ordnung." Sagte er nach einer Weile und  ich konnte endlich den Blick von ihm lösen.  Erst jetzt war ich wieder fähig, überhaupt einen klaren Gedanken zu fassen.

Ich entschied, kurz abzuwarten, ob er noch etwas sagen würde, doch es folgte einfach keine Antwort auf meine Frage.
Dann seufzte ich frustriert auf. Natürlich musste ich nachgeben.
"Lucifer, ich wurde in meinem Leben viel zu oft einfach eingesperrt. Man sagte mir, es sei das Beste für mich. Doch ich weiß selber, was für mich das Beste ist und dann dieses Gefühl.. das will ich einfach nie wieder verspüren. Es tut mir leid, aber das kann ich dir nicht versprechen. Vorallem nicht, wenn du mir nicht sagst weshalb!"

"In Ordnung." wiederholte er zu ruhig und seine Mundwinkeln verzogen sich zu einem schwachen Lächeln.
Ich stemmte die Hände gegen meine Hüfte und schaute ihn streng mit hochgezogenen Augenbrauen an.
"Wirst du mir den Grund verraten?" Ich sah ihn flehend an und kam mir ziemlich dumm dabei vor. Aber die Neugierde siegte.

"Ich mache mir nur Sorgen, was dir in den zwei Tagen meiner Abwesenheit passieren könnte." Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. Doch alles was ich hörte, war das Wort Abwesenheit.
"Du fährst weg?" fragte ich verblüfft. Auch wenn es mich eigentlich nichts anging, so war ich doch überrascht.

Er nickte ernst und sah mir dabei tief in die Augen.
"Okay." Ich versuchte es gleichgültig klingen zu lassen, doch es gelang mir nicht. Meine Stimme verriet mich.
Da beugte er sich langsam zu mir vor. Sein überirdisch schönes Gesicht, war meinem nun so nah, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Er roch wahnsinnig gut!

Reiß dich zusammen, Alba! Ermahnte ich mich innerlich. Doch in Wahrheit vergaß ich sogar zu amten und mir wurde ganz schön schwindelig.
"Du bist sicherlich müde." stellte er fest. "Ich werde jetzt gehen. Versprich mir auf dich aufzupassen." Ich verdrehte die Augen.
"Alba!"
Schnell gab ich ihm mein Versprechen.

Und dann ging Lucifer auch schon. Es war ein kurzer Abschied, der aber nur umso schmerzhafter für mich war. Es versetzte mir einen Stich und ich spürte den dicken Kloß in meinem Hals.
Zwei Tage ohne Lucifer. Danach, hatte er mir versprochen, würde er zu mir kommen.

Es war eine lange Nacht, in der mein Kopf aufgrund der vielen Gedanken, kaum Ruhe fand. Ich ließ den Tag nocheinmal Revue passieren.
Lucifer hatte mir erzählt, dass er zuvor gar keinen Kontakt mehr zu seiner Familie pflegte und nun tauchen gleich zwei seiner Brüder auf?

Und dann gab es ja noch diesen Michael.  Lucifers Reaktion auf dessen Namen ging mir nicht mehr aus dem Kopf.
Irgendetwas sagte mir, dass Lucifer ihm auf keinen Fall begegnen möchte. Oder hatte ich mir seine Reaktion nur eingebildet? Könnte Raphael mir meine Frage beantworten?

Irgendwann war ich so erschöpft, dass ich einfach einschlief. Doch als ich aufwachte, war ich kein bisschen ausgeruht. Ganz im Gegenteil: ich war nur umso geschaffter.
In der Hoffnung, dass es mir helfen würde, mich wacher zu fühlen, nahm ich eine schnelle Dusche.

Ich hatte mich gerade in meine Kleidung geworfen, als es an der Tür klingelte. Sofort unterdrückte ich die in mir aufsteigende Hoffnung, dass es Lucifer wäre und eilte zur Tür.
Raphael schaute mich grinsend an und ich war zu überrascht, um ihn zu begrüßen. Ich starrte ihn wortlos an und versuchte mich zu ordnen.

"Hallo, Alba." begrüßte er mich. Und im Gegensatz zu mir, war er wohl hell wach.
"H-hey!" stammelte ich verwundert und er grinste noch mehr.
"Darf ich reinkommen? Ich habe dir auch Frühstück mitgebracht." Stolz hielt er mir eine Tüte mit Frühstück vor die Nase. Sein Blick war so herrlich, dass ich kichern musste.

"Danke! Dann darfst du reinkommen." Und so ließ ich ihn hinein.
Lässig legte er seine Jacke im Flur ab und ging weiter in mein Wohnzimmer. Aus der Küche holte ich schnell zwei Teller, dann folgte ich ihm an den Esstisch.
"Ich esse nichts. Ist alles für dich." erklärte er mir, als er den zweiten Teller sah.

"Achso." Ich stellte den zweiten Teller zur Seite und begann zu essen. Er hatte an alles gedacht und erst jetzt bemerkte ich, dass ich ziemlich hungrig war.
Raphael schaute sich ein wenig im Zimmer um. Hin und wieder stellte er Fragen, die ich ihm beantwortete. Dann nickte er immer und widmete sich einem anderen Teil.

Nachdem ich mit meinem Frühstück fertig war, hatte ich das Gefühl zu platzen. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so ausgiebig gefrühstückt hatte.
Raphael setzte sich mir gegenüber. Seine Augen schauten mich freudig strahlend an.
Er wusste, welche Frage mir auf der Zunge lag, doch er wartete darauf, dass ich sie ihm stellte.

"Was verschlägt dich hier her?" schoss es aus mir heraus.
"Kannst du es dir nicht denken?" Nun lag ein verschmitzter Ausdruck in seinem Gesicht. Natürlich konnte ich es mir denken, doch ich wollte es hören, also schüttelte ich den Kopf.
"Lucifer." erklärte er breit grinsend.

Ich spürte wie ich rot anlief. Ob vor Wut oder vor Scham wusste ich nicht. Es war eine Mischung aus beidem.
"Kann ich ihn anrufen?" fragte ich und meine Stimme war ein wenig tonlos.
Er überlegte kurz, holte dann aber sein Handy heraus. Schnell tippte er Lucifers Nummer und reichte mir das Handy.

Kaum hatte ich das Handy am Ohr, da hatte Lucifer bereits abgenommen.
"Alba." Er hatte es also schon geahnt. Ich atmete tief durch.
"Schickst du mir also deinen Bruder als Babysitter?" mein Ärger war deutlich zu hören.
"Bist du wütend?" In seiner Stimme war die Belustigung zu hören. Das war zu viel für mich.

"Du brauchst nicht denken, dass er mich aufhalten kann, rauszugehen! Wenn du dir das erhofft hattest, tut es mir leid, denn ich bin für heute Abend bereits verabredet. Ich  brauche keinen Babysitter!" Schnaubte ich wütend ins Telefon und legte auf, noch ehe er etwas erwidern konnte.

Ich wusste, dass ich mich kindisch benahm, aber ich spürte die Tränen in meinen Augen. Auf keinen Fall wollte ich ihn gewinnen lassen. Musste er unbedingt seinen Willen durchsetzen? Er hätte mir doch nur den Grund verraten müssen. Aber natürlich war das zu viel verlangt.

Raphael nahm stumm sein Handy, das ich ihm reichte. Ich war dankbar dafür, dass er im Moment nichts sagte. Geduldig wartete er ab, bis ich mich gesammelt hatte.
"Danke." sagte ich schließlich.
"Ich hatte ihn gewarnt. Du brauchst keinen Babysitter."
Ich schaute zu ihm auf und er lächelte mich aufmunternd an.

"Ich denke, du bist viel stärker als er glaubt." Seine Augen schauten mich ernst an. Ich wusste, dass es kein Scherz war.
"Danke." sagte ich wieder und meinte es ernster den je. Er hat genau das gesagt, was ich in diesem Moment brauchte. Eine Person  die an mich glaubt.

"Also? Was wirst du heute Abend schönes  unternehmen?" fragte er um das Thema zu lockern, doch ich wusste es ja selber noch nicht.
"Wie geht es Hanno?" fragte er mit einem breiten Grinsen im Gesicht und ich wusste auf was er anspielte.

Schnell kramte ich mein Handy heraus und wählte seine Nummer.
"Hallo Alba!" Ich hörte die Freude in seiner Stimme. Oh Hanno, wir haben uns ewig nicht gesehen!
"Ich vermisse dich." sagte ich frei heraus.
"Ach, Alba! Ich dich auch. Hast du heute Abend schon etwas vor?" fragte er aufgeregt.

"Ich hatte gehofft, wir könnten uns sehen." gestand ich.
"Klaro! Ich hole dich heute Abend ab. Sagen wir um 20 uhr?" Ich konnte das Grinsen hören. Hannos Grinsen.
"Super!"

Zufrieden legte ich auf. Ich freute mich ihn heute Abend wiederzusehen.

Lucifer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt