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Gemeinsam saßen wir mit den Anderen, die wir hier getroffen hatten, an der Bar. Das schlechte Gewissen, welches tadelnd an der Tür mein Bewusstseins treten wollte, schob ich jedes mal weit nach hinten. Immerhin passte ich auf mich auf und nichts anderes hatte ich Lucifer versprochen.

Lucifer.
Auch wenn ich mir die größte Mühe gab, nicht an ihn zu denken, so kreisten meine Gedanken unentwegt um ihn. Ich erwichte mich dabei, wie ich mir vorstellte, er wäre hier. Wie das letzte Mal. Mein Blick wanderte automatisch zu der Stelle, wo er zuletzt lässig gegen die Wand gelehnt hatte.

Ich seufzte - er war nicht da. Natürlich war er das nicht. Und er würde auch nie hier mit den Anderen und mir gemeinsam sitzen. Mit seinem makellosen Aussehen passte er nicht zu uns Gewöhnlichen - passte nicht zu mir. Ein Gedanke, der meine Laune stark trübte.

Hanno lehnte sich zu mir vor und riss mich aus meiner Gedankenwelt.
"Kommst du mit?" fragte er und seine Art zu sprechen, ließ mich aufhorchen. Mir war gar nicht aufgefallen, dass er schon ziemlich betrunken war. Nun, angetrunken waren wir alle hier, doch Hanno schien ein wenig tiefer in sein Glas geschaut zu haben. Dabei hatte er nie mehr als ich getrunken.

Ich nickte, doch bevor wir uns auf den Weg machten, besorgte ich ihm noch schnell eine Flasche Wasser. Dann hakte ich mich bei ihm ein und gemeinsam gingen hinaus vor die Tür.
Dort reichte ich ihm sofort das Wasser und er trank es - dankbar und ohne auch nur ein Wort zu widersprechen.

Die kühle Nachtluft fühlte sich gut an. Auch wenn es ein wenig frisch war. Mein Blick wanderte nach oben zu den Sternen. Schon als Kind hatte mich die Nacht fasziniert. Auch wenn sie genauso furchteinflößend sein konnte..

Bei dem Gedanken an letztes Mal wurde mir mulmig zumute und sofort schossen mir die Bilder in den Kopf.
Ich spürte wie Panik in mir aufstieg und die Angst durch meine Adern fuhr. Schnell kniff ich mir in den Nasenrücken. Dies half mir, mich ein wenig zu beruhigen.

In Gedanken zählte ich langsam bis Zehn. Erleichtert spürte ich, wie sich mein Puls allmählich normalisierte.
Ich atmete noch einmal tief durch, ehe ich
meine Augen aufschlug und nach Hanno sah. Noch immer hatte er nichts gesagt.

Seine glasigen Augen waren fragend auf mich gerichtet.
"Alles in Ordnung?" erkundigte er sich mit rauer Stimme.
Ich nickte und er glaubte mir zum Glück.
"Alba, ich danke dir für den unglaublichen Abend. Danke."
Das Lächeln auf seinen Lippen zauberten die zarten Grübchen hervor, welche ich so sehr an ihm mochte und seine hellbraunen Augen schauten mich mit weichem Blick an.

Ich erwiderte sein warmes Lächeln und stimmte ihm zu. Auch mir hatte der Abend große Freude bereitet.
Da glitt Hannos Blick plötzlich zu Boden und mit einem Mal schien er sich ziemlich unbehaglich zu fühlen. Auf seiner Stirn bildeten sich tiefe Falten.
"Du, Alba? Mir geht es irgendwie gar nicht gut." Und als er wieder aufschaute, war er kreidebleich.

"Hanno!" Sofort war ich an seiner Seite. "Du bist ja völlig blass!"
"Mhm." brummte er gequält. "Ich weiß auch nicht, was los ist. Es war eben noch alles gut und plötzlich ist mir komisch geworden."
Armer Hanno! Er sah mitgenommen aus.
"Ich ruf uns ein Taxi." beschloss ich. Schnell tippte ich die Nummer in mein Handy und bestellte für uns ein Taxi.

Für einen Moment lies ich Hanno allein, um den anderen Bescheid zugeben und unsere Sachen zu holen.
Keine fünf Minuten später, war das Taxi bereits da. In Hannos Gesicht sah ich, wie erleichtert er war, als er endlich saß.

Während der Fahrt sagte er kein Wort. Wie untypisch für ihn - es musste ihm wirklich schlecht gehen.
In Gedanken zählte ich die Sekunden bis wir vor seiner Wohnung hielten. Ich bat den Fahrer einen Moment zu warten und half Hanno hinauf.

An seiner Wohnungstür umarmte ich ihn nocheinmal fest.
"Ruhe dich aus, okay?" Ich sorgte mich um ihn, doch er sah peinlich berührt aus.
"Klar, Alba. Ich pack das schon. Mhm." Er fuhr sich nachdenklich durch die Haare.
"Was ist?" Hakte ich nach und er zuckte mit seinen Schultern.

"Es müsste eigentlich anders verlaufen. Ich sollte dich sicher nach Hause begleiten und nicht du mich." Er sah zu Boden. Ich musste über sein zerknirschtes Gesicht lachen.
"Achso. Mach dir keinen Kopf! Wir sehen uns, okay?"
Jetzt nickte er begeistert und wir umarmten uns ein letztes Mal.

Dann eilte ich wieder zum Taxi, welches bereits ungeduldig auf mich wartete. Jetzt fuhren wir zu mir nach Hause. Das Summen des Motors ließ meine Augen schwerer und schwerer werden. Ich gab mir große Mühe nicht augenblicklich einzuschlafen. Zum Glück waren es nur wenige Meter bis zu mir.

Schließlich bezahlte ich den Taxifahrer und stieg aus. Ich sah ihm noch nach, bis es um die Ecke verschwand.
Dann atmete ich nocheinmal tief ein und lief zur Haustür, während ich in meiner Tasche nach dem Schlüssel suchte. Doch dieser war einfach nicht zu finden.

"Blöde Tasche." fluchte ich, als ich plötzlich Schritte hinter mir hörte.
Es waren schnelle Schritte und sie kamen direkt auf mich zu! Starr vor Angst stand ich da - unfähig mich auch nur einen kleinen Millimeter zu bewegen.

Als die Schritte direkt hinter mir zum stehen kamen, spürte ich einen Windzug im Nacken.
Erschrocken fuhr ich herum und sah direkt in Lucifers Gesicht. Sein Gesicht war finster und seine Augen glichen flüssiger Lava. Doch nach nur einem Wimpernschlag, war er wieder verschwunden!

Ich zog scharf die Luft ein, um nicht laut loszuschreien. Hastig sah ich mich um, doch es gab keine Spur mehr von Lucifer.
Mein Herz schlug so wild in meiner Brust, dass es fast schon schmerzte. Ich drohte in Panik zu geraten, da hielt ich plötzlich den Schlüssel in meiner Hand.

Gott sei Dank!

So schnell mich meine Beine nur tragen konnten, hastete ich nach oben und schloss die Tür zu meiner Wohnung auf. Keuchend
kontrollierte ich jeden einzelnen Raum und stellte erleichtert fest, dass ich allein war. Erst jetzt fühlte ich mich sicher.

"Nun drehst du völlig durch." sagte ich leise  zu mir selbst. Und es stimmte!
Meine Fantasie hatte sich wohl einen sehr  grauenvollen Scherz erlaubt - anders konnte ich es mir nicht erklären. Auch wenn ich hätte schwören können, dass draußen irgendwer direkt hinter mir gestanden hatte.

Noch immer zitterte ich am ganzen Körper  vor Schreck und ich wusste, dass ich mich nicht allzu schnell davon erholen würde.

Doch als mein Telefon klingelte, konnte ich meinen Schrei nicht länger unterdrücken.

Lucifer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt