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Seine Frage ließ mich schlucken.

"Also.. naja. Ich glaube schon." stammelte ich aufgeregt.
Ich spürte, wie ich anfing zu zittern. Auch ihm entging meine Nervosität nicht und er musste grinsen. Doch als Lucifer schließlich zu erzählen begann, wurde seine Miene sehr ernst.

"Ich werde dir nicht alles bis ins kleinste Detail erzählen können, dies würde den Rahmen sprengen." Er schmunzelte wieder ein klein wenig und fuhr dann weiter fort. "Lange bevor es menschliches Leben gab, Alba, und noch ehe mein Vater das Universum, so wie du es kennst, erschaffen hatte, hat er zunächst uns erschaffen - uns Engel."

Sein Blick ruhte auf mir. "Ich gehöre zu den Ersten. Ebenso wie meine Brüder Gabriel, Raphael und.." er hielt inne und zögerte.
"Michael." ergänzte ich ihn.
Religion hatte eine schwerwiegende Bedeutung in meiner Vergangenheit. Selbstverständlich kannte ich mich daher ein wenig aus.

Nun war Lucifers Blick in weitere Ferne gerichtet. Eine Ferne, die ich mir noch nicht einmal vorstellen konnte. Viel zu lang war das Geschehene her und doch würde er sich erinnern, als wenn es gestern gewesen wäre. Es hatte immerhin sein Dasein verändert und das der Menschheit geprägt.
Bei diesem Gedanken wurde mir schlecht. Ob ich mich jemals daran gewöhnen werde? Mit Sicherheit nicht.

Plötzlich lächelte Lucifer sein schiefes Lächeln.
"Weißt du, Alba? Es ist schon höchst irrsinnig. Hätte man mir vor einiger Zeit noch gesagt, dass ich dies einmal einem Menschen erzählen würde, dann hätte ich ihn für wahnsinnig erklärt."
Ich erwiderte den Blick seiner eisblauen Augen, während ich etwas unruhig auf der Couch hin und her rutschte. Sie funkelten.

"Ach ja?" murmelte ich und er nickte.
"Als mein Vater euch Menschen erschuf, war ich nicht besonders wohlgelaunt, Alba. Ich konnte seine Freude über euch in keinster Weise nachvollziehen." Er sah mich entschuldigend an und ich nickte verständnisvoll, ob gleich mir seine Worte meinem Herzen einen Stich versetzten.

"Zunächst war es eine prächtige Zeit. Ich wusste, dass ich sowohl von meinem Vater, als auch von meinen Brüdern sehr.." Es schien fast so, als wollte er 'geliebt' sagen, jedoch entschied er sich letztendlich für ein anderes Wort. ".. geschätzt werde."
Er erhob sich und lief einige Schritte im Raum auf und ab, ehe er sich dann lässig gegen die Wand lehnte.

"Als mein Vater schließlich euch Menschen erschuf, verlangte er von uns, euch zu ehren und zu lieben - mehr als alles andere." Seine Stimme klang bereits um einiges zorniger und so konnte ich nicht anders, als seinem Blick auszuweichen. Langsam richtete ich meine Aufmerksamkeit auf seine Hände, welche zu Fäusten geballt waren. Sie schienen ein wenig zu zittern. War es vor Wut?

Da war es mir dann doch lieber in sein Gesicht zusehen. Ich sollte jede Sekunde genießen, ehe er es sich doch anders überlegen würde.
"Zum Ärger meines Vaters wollte ich mich seinem Willen nicht fügen. Ich  hatte schon immer meinen eigenen Willen und ist dieser war scheinbar bei weitem ausgeprägter, als bei meinen Brüdern." Er zuckte mit den Schultern. "Im Grunde genommen begann so unser Zerwürfnis."

Lucifer starrte mittlerweile auf irgendeine Stelle im Raum.
"Ich verweigerte ihm die Gefolgschaft und so wuchs nicht nur meine  Abneigung gegenüber den Menschen, sondern auch mein Stolz wuchs ins unermessliche. Ich beschloss gegen meinen Vater anzukämpfen und erwartete Unterstützung von meinen Brüdern. Wollten sie nicht auch selbstbestimmt entscheiden?" fragte er, aber vielmehr sich selbst.

Mein Puls beschleunigte sich ganz automatisch und Panik stieg in mir auf. Nervös zupfte ich an meiner Kleidung herum. Warum sollte er mich mögen, wenn seine Abneigung uns Menschen gegenüber so groß war? Aber dann würde er doch nicht hier sein und mir seine Geschichte erzählen. In meinem Wohnzimmer.

Lucifer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt