39 - Lucifers Sicht

1.6K 68 19
                                    

Verdammt!

Ich wollte irgendetwas zerstören.  Nein, ich wollte ihn zerstören. Unwillkürlich musste ich an diesen Winzling denken und daran, wie er meine Alba küsst. Mein Mädchen! Wenn er nur wüsste, mit wem er sich da anlegte! 

Meine Hände kribbelten vor Wut und ich stellte mir unzählige Wege vor, wie ich es ihn bereuen lassen könnte. Eine Möglichkeit bestand darin, irgendeinen meiner trostlosen Dämonen vorzuschicken, welcher die Drecksarbeit für mich erledigen würde. Doch ich könnte es genauso gut selber in die Hand nehmen. Ich sollte sogar!
Zum ersten Mal wünschte ich mir, dass die Menschen wüssten, mit wem sie es zu tun hatten.
Erneut unterdrückte ich den starken Impuls, irgendetwas zu zerstören.

Nur ihr zu liebe hatte ich vorgegeben, mich beruhigt zu haben. Doch sobald ich ihre Wohnung verlassen hatte, kam die Wut in ihrer vollen Kraft zurück.
Wie gern wäre ich einfach wieder zu ihr nach oben gegangen. Doch ich hatte zu große Furcht, ich könnte sie verletzten. Nicht im physischen Sinne. Aber ihre zarte Seele. Meine Alba war so verletzlich.

Alles in mir schrie. Es verlangte gehört zu werden und vorallem verlangte es Vergeltung. Ich nannte diesen Teil von mir einfach nur "es" - es war das Monster in mir. Und egal wie sehr ich es auch vor ihr verstecken wollte, es war da und würde es auch immer bleiben. Ganz egal, wie sehr ich mir wünschte, es könnte sich einfach in Luft auflösen.

Ich stieg auf mein Motorrad und beschloss, vorerst zu mir nach Hause zu fahren. Sicher wäre sicher - ehe ich mein Versprechen an sie brechen würde.
Als ich nur ein wenig später das Motorrad vor der Haustür parkte, hielt ich das Kribbeln meiner Hände nicht länger aus. Vor Wut schlug ich einige Male gegen das verfluchte Vorderteil. Was war nur los mit mir?

Meine Laune verschlechterte sich ins unermessliche, als ich dann auch noch meinen lästigen Bruder Raphael erkannte. Warum meinte er immerzu meine Nerven testen zu müssen?
Ich war es langsam leid ihn zu sehen.
Raphael stand wartend vor der Wohnungstür und als er meinem Blick begegnete, erwiderte er ihn dämlich grinsend. Vielleicht sollte ich meine Wut ganz einfach an ihn auslassen?

Ich entschied mich aber dagegen und beschloß, ihn stattdessen einfach zu ignorieren.
Wortlos lief ich an ihm vorbei, schloss dann in aller Ruhe die Tür zu meiner Wohnung auf. Dann verpasste ich der Tür einen schnellen Stoß, um sie vor seiner Nase zufallen zu lassen. Jedoch war er clever genug, um schnell seinen Fuß zwischen Tür und Türrahmen zu platzieren.

"Auch dir einen wunderschönen guten Tag, liebster Bruder." rief Raphael überschwänglich sarkastisch.
"Verschwinde." antwortete ich schlicht und einfach.
Im Gegensatz zu meiner Stimme, welche erstaunlich ruhig klang, war ich innerlich alles andere als ruhig.
In Wahrheit hatte ich allmählich genug von meiner eigenen Scheinheiligkeit!

Und so nahm ich die erstbeste Vase, die ich zu fassen bekam und ließ sie an der Wand in tausend Einzelteile zerbrechen. Es war ausgerechnet die Teuerste von allen, auch wenn Geld für mich keine große Rolle spielte. Warum mussten auch immer die eindrucksvollsten Gegenstände im Eingangsbereich zur Schau gestellt werden?

Ich lief zu meinem Sofa und machte es mir darauf bequem. Dann schloss ich die Augen, wohlwissend dass mich Raphael fragend musterte. Ich konnte seinen Blick auf mir spüren. Genauso aber konnte ich seine Gedanken spüren. Bitte verschone mich von deinen idiotischen Gedanken. Wieder einmal war ich froh, sie nicht hören zu können. Ich spürte sie nur. Welche Qual musste es sein, jeden einzelnen Gedanken zu erfassen? So idiotisch er auch sein mag.

"Was willst du eigentlich hier?" schnauzte ich ihn an, als seine Gedanken immer intensiver wurden.
Würde ich in diesem Moment meine Augen öffnen, dann könnte er das Ausmaß meiner Wut erkennen. Es war zweifelsfrei da, denn ich spürte die Wärme und das Brennen in den Augen. Eigentlich sollte es mir keine Schmerzen bereiten und doch spürte ich sie genau. Es war eine stille Qual, welche nicht wirklich real war und doch konnte ich sie übers intensiv verspüren.

Lucifer Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt