Erkundungstouren

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1.Kapitel

Ich führte ein normales, todlangweiliges Leben.

Na ja, so ziemlich… Meine Eltern waren angeblich bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Deshalb lebte ich bei meiner Großmutter, Rosmarie. Aber ich glaubte die ganze Geschichte mit dem Autounfall irgendwie nicht. Ich wusste einfach, dass meine Eltern noch lebten.

Meinen Vater und meine Mutter kannte ich nur von Fotos. Meine Mutter hatte genau wie ich und einst meine Großmutter rote, widerspenstige Locken. Ihre Augen waren aber blau, und nicht grün wie meine. Die grünen Augen und die vielen Sommersprossen hatte ich von meinem Vater geerbt.

Als ich gerade mal ein Jahr alt war, kamen sie, so erzählte meine Großmutter zumindest, bei einem Autounfall ums Leben. Und deshalb wohnte ich bei ihr. Sie hatte graue,wilde locken, die sie aber meistens in einem steifen Dutt zwängte, und mit Haarspray festbetonierte.

 Ihr Haus war einfach riesig. Ich liebte es, alle Winkel zu erkunden, doch Oma hasste es einfach, wenn ich das tat. Ich wusste nie, wieso, aber ich glaubte, sie wollte nicht, dass ich Unordnung verursachte. Immer wenn sie mich dabei erwischt hatte, wurde ihre rosige Haut krebsrot, mit einem leichten Lilastich. Sie regte sich immer einfach so dermaßen auf, dass ich glaubte, gleich käme Rauch aus ihren Ohren, und sie würde in die Luft fliegen. Ich verstand die Welt nicht, denn was hatte ich denn schon getan?

Das Haus nach Geheimgängen abgesucht... Seit ich im Fernsehen als ich ein kleines Kind war eine Serie namens "Marta und Paul - geheimnissvolle Schatzsuche" angeschaut hatte, stand ich auf Geheimgänge, vor allem in alten Häusern. Von da an hoffte ich, in Omas altem Haus einen verborgenen Schatz zu finden.

Sogar als ich ihre teure Vase kaputt gemacht hatte, hatte sie sich nicht so sehr aufgeregt, wie wenn sie mich erwischte, wie ich im Haus rumstrolchte, oder an einem anderen Ort war, wie in der Küche, dem Bad, dem Wohnzimmer oder meinem Zimmer. Und diese Räume machten vielleicht 20% des Hauses aus. Es gab einfach unglaublich viele Zimmer. Wenn ich meine Großmutter mit einem Satz beschreiben müsste, würde ich sagen: “ hart aber herzlich“.

Fazit:Mein Leben war relativ normal, und auf jeden Fall einfach laaaaangweilig. Doch das sollte sich bald ändern...

„ Tschüss, Lu, ich geh jetzt!“

mit diesen Worten verabschiedete sich meine Großmutter an einem normalen Freitagnachmittag in den Sommerferien, als sie zu ihrer Freundin Ilse fuhr. Sie würde gegen 18.00 Uhr zurück sein. In dem Moment, in dem sie die Tür hinter sich zuschlug, begann mein Bauch wie verrückt zu kribbeln. Ich witterte meine Chance endlich alle verbotenen Sachen machen zu können, während sie nicht da war. Ich plündere die Süßigkeitenschublade und legte einen kleinen Vorrat in meinem Zimmer an.

Obwohl ich 15 und nicht 5 war, begann ich wie verrückt, alle Räume, einem nach dem anderen, nach verborgenen Schätzen und Geheimgängen abzusuchen. Ich wusste natürlich, dass es vollkommen unmöglich wäre etwas dergleichen zu finden, doch zum einen hatte es seinen Reiz, genau das zu tun, was man nicht durfte, und zum anderen wollte ich unbedingt herausfinden, ob meine Großmutter nicht doch etwas vor mir verheimlichte, weil sie immer so ausflippte, wenn ich das Haus erkundete. In jedem Zimmer durchforstete ich alle Schränke und Schubladen, schaute in jede noch so kleine Ritze.

Jede noch so kleine Entdeckung, wie einen alten Brief oder ein altes Bonbon fand ich einfach unglaublich interessant, und konnte nicht aufhören noch weitere „Schätze“ anzusammeln. Ich bemerkte gar nicht, wie die Zeit verrann. Verträumt summte ich die Titelmelodie von meiner früheren Lieblingskinderserie, "Marta und Paul".

Und dann stand sie hinter mir. Sie räusperte sich, und ich blickte ihr schulbewusst ins rot-lila angelaufene Gesicht. Ich musste kichern, weil sie wirklich so aussah, als würde es aus ihren Ohren gleich dampfen. „ Luana, dass finde ich  überhaupt nicht lustig. Du weißt genau, dass ich es überhaupt nicht leiden kann, wenn du deine Nase in jede erdenkliche Ritze dieses Hauses steckst. Geh jetzt in dein Zimmer!“ Sie sagte es mit solch einem Nachdruck in der Stimme, dass ich kampflos aufgab, und in mein Zimmer ging.

Doch ich hatte nicht vor, ihr zu gehorchen. Irgendwas in diesem Haus zog mich magisch an.Ich wollte unbedingt herausfinden, was. Bei der nächsten Gelegenheit würde ich weiter danach suchen. Und ich würde nicht aufgeben, bevor ich es gefunden habe.

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