Kapitel 52

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Jimin

Ein Lächeln lag auf meinen Lippen, während ich Taehyung beobachtete und obwohl mir bei seinen Worten die Tränen gekommen waren, war ich selbst einfach glücklich. Er hatte es geschafft, den ersten Schritt zu wagen und mit Mingyu zu reden, was bedeutete, dass er seinen Tod anfing zu verarbeiten. Er wollte mit alldem abschließen und sein Leben weiterleben. Das hatte er seinem Bruder versprochen.

Es gab fünf Phasen der Trauer: Verleugnung, Zorn, Verhandlung, Trauer und Akzeptanz. Welche wann bei Taehyung stattgefunden hatte, konnte ich nicht genau sagen, schließlich hatte ich ihn nicht in der ersten Zeit nach Mingyus Tod gekannt. Aber ich wusste ganz genau, dass er mit der Verhandlung abgeschlossen hatte. Er wusste ganz genau, dass er nichts hätte tun können, um den Tod seines Bruders zu verhindern. Also war er nun vermutlich in der Trauerphase. Doch ich würde ihm beistehen und ihm helfen, diese zu überwältigen.

Ich wollte auf Taehyung zugehen, damit ich ihn umarmen und für ihn da sein konnte, allerdings hielt mich irgendetwas auf. Mich beschlich wieder dasselbe Gefühl wie gestern in Mingyus Zimmer; irgendeine Wärme oder eine Luft, die mich einhüllte. Wieder bekam ich leichte Gänsehaut und sah mich kurz um, erkannte aber nichts. Hier war niemand.

Dennoch war da wie ein leises Flüstern in meinem Ohr und kurz schüttelte ich meinen Kopf, um es loszuwerden. Im nächsten Moment trat der Gedanke in meinen Kopf, dass Taehyung noch Ruhe brauchte und ich ihn nicht stören sollte. Aus diesem Grund blieb ich stehen und beobachtete ihn weiterhin.

Taehyung hatte seine Hand wieder zurückgezogen und seine Beine eng an seinen Körper gezogen. Seine Arme waren um seine Beine geschlungen und seinen Kopf hatte er auf seinen Knien abgelegt, während sein Blick auf dem Grab ruhte. Er weinte. Immer wieder flossen Tränen über seine Wangen, unaufhörlich, genau wie zuvor, als er noch mit Mingyu geredet hatte. Und ich konnte nicht anders - ich musste auch weinen.

Meine Paralyse schien eine Ewigkeit anzudauern, bis ich auf einmal nach vorne stolperte, so als hätte mich jemand leicht gestoßen. Mir war klar, dass das Schwachsinn war, aber merkwürdig war diese Situation trotzdem. Allerdings wollte ich nicht weiter darüber nachdenken und ging einfach zu Taehyung, kniete mich neben ihn und legte meinen Arm um seine Schulter.

Kaum saß ich neben ihm, lehnte Taehyung seinen Kopf an meine Schulter. Er schaute nicht zu mir, schluchzte nur leise vor sich her. Eigentlich weinte er stumm, doch seine verstopfte Nase sorgte für Luftmangel, der ihn zum Schniefen brachte.

Ich schaute die ganze Zeit das Grab an, wandte dann aber meinen Blick ab und sah Taehyung an. Leicht drehte ich mich in seine Richtung, ehe ich zärtlich die Tränen mithilfe meiner Daumen wegstrich. Ein warmes Lächeln lag auf meinen Lippen und sobald ich damit angefangen hatte, Taehyungs Gesicht zu trocknen, richtete er seinen Blick auf mich. Unverfroren schaute mir Taehyung in die Augen, doch ich mied Blickkontakt und machte einfach weiter, bis seine Tränen vollends versiegt waren. Noch immer lag das sanfte Lächeln auf meinen Lippen und ich beugte mich vor, um ihm einen kurzen Kuss auf die Stirn zu drücken.

"Das reicht für heute", sagte ich leise, als ich mich wieder gelöst hatte und richtete mich auf, während ich Taehyung meine Hand hinstreckte. Sogleich ergriff er sie und ließ sich von mir hochziehen. Das Lächeln verschwand nicht von meinen Lippen und auch Taehyungs Mundwinkel zuckten einen Moment lang nach oben, bevor er nochmal zum Grab sah und es erst stumm betrachtete. Doch dann öffnete er seinen Mund, um die letzten Worte loszuwerden, die wohl noch in seinem Kopf festsaßen.

"Ich sollte langsam gehen, Mingyu. Vergiss nicht, dass ich dich liebe. Und ich verspreche dir, dass ich dich so bald wie möglich wieder besuchen komme. Bis dann."

Ich lächelte stolz aufgrund seiner Worte, hielt noch immer seine Hand fest und drückte diese leicht, um seine Aufmerksamkeit zurückzuerlangen. Taehyung schaute mich langsam an und musterte meinen warmen Blick, sodass ich nun etwas an seiner Hand ziehen und mich umdrehen konnte.

"Na komm. Wir gehen jetzt zurück nach Hause. Das hat du für heute sehr gut gemacht. Ich bin stolz auf dich.~"

Don't Leave Me ★ VminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt