Kapitel 16

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[Harry]
45 Minuten später klopft es erneut an meiner Tür. ,,Ich komme gleich", rufe ich Louis zufrieden zu. ,,Haz beeil dich, wir kommen noch zu spät!", bekomme ich als Antwort. Seine Stimme klingt sehr genervt und das macht mich wiederum sehr glücklich. ,,Wann bin ich eigentlich so rachsüchtig geworden?", frage ich mich selbst aber im nächsten Moment ist es mir wieder egal und ich kann es mir nicht verkneifen noch ein bisschen was draufzulegen: ,,20 Minuten Verspätung sind doch eh ganz normal für dich, oder etwa nicht, Lou?" Obwohl ich ihn nicht sehen kann, weiß ich, dass sich seine Augen gerade zu kleinen Schlitzen verengen. Ich höre Lou tief einatmen, um sich zu beruhigen, bevor er erstaunlich gefasst meint: ,,Hab ich dir schon einmal gesagt, dass du einen ganz speziellen Humor hast?" Jetzt kann ich mir mein Lachen nicht mehr länger verkneifen. Diese Situation ist einfach zu genial! Lou schnaubt auf der anderen Seite der Tür. Schließlich öffne ich die Holztür und trete Lou grinsend entgegen. Ich überlege kurz, ob ich ihn als Dank fürs Abholen umarmen soll, entscheide mich aber dafür, es nicht zu übertreiben. ,,Danke", sage ich deswegen nur und klopfe ihm auf die Schulter, bevor wir uns gemeinsam auf den Weg zu unserer Limousine, die bereits auf uns wartet, machen. Bei unserem Fahrer angekommen, bleibe ich einfach vor der geschlossen Autotür stehen und Louis, der etwas hinter mir geht, rempelt mich unabsichtlich an. Langsam drehe ich meinen Kopf in seine Richtung. Er weiß sofort, was ich will. ,,Tut mir leid", entschuldigt er sich kleinlaut und öffnet mir die schwarze Tür der Limo. ,,Schon okay", antworte ich wieder mit meinem zufriedenen Grinsen im Gesicht und steige ein. Sofort bediene ich mich an Lous Minibar, was mir einen wütenden Blick von ihm einbringt. ,,Willst du auch etwas?", erkundige ich mich, während ich meine Frucade öffne. ,, Ja! Ich-", fängt er an, unterbricht sich dann aber selbst. Er könnte jetzt so viele Sprüche raushauen. "Ich möchte meine Ruhe von dir" "Ich will ein ruhiges und entspanntes Leben ohne dich!" zum Beispiel. Ich könnte wetten, dass Lou bereits ein ähnlicher Spruch auf der Zunge liegt, aber stattdessen beendet er seinen Satz mit gedämpfte Stimme. ,,Ein Wasser wäre toll, danke." ,,Klar bedien dich." Schon wieder bin ich kurz vor einem Lachanfall und kann mich nur mit mühe beherrschen. Gleichzeitig bin ich ziemlich stolz auf meine plötzliche Schlagfertigkeit. Lous Kiefermuskeln spannen sich sichtbar an, aber trotzdem steht er auf, kniet sich vor seine Minibar und holt sich eine Flasche mit Wodka heraus. ,,Ich dachte, du willst ein Wasser?",, Habs mir anders überlegt", antwortet er kurz. Okay, ich denke ich habe ihn genug gereizt. Die restliche Fahrt verkneifen ich mir jede Art von provozierenden Sprüchen und auch Lou sitzt einfach nur still neben mir und starrt ins Leere.
Nach weiteren 15 Minuten Fahrt bleiben wir vor einem weißen Haus stehen, das über der Eingangstür den Schriftzug "Mike Alba - Vocalcoach" stehen hat. Lou und ich steigen nacheinander aus der schwarzen Limousine aus und betreten das Gebäude. Ein angenehmer Pfefferminzgeruch kommt mir entgegen und auch die Einrichtung ist sehr geschmackvoll. Eine beige Ledercouch steht in der Ecke und direkt gegenüber sitzt ein Mann Mitte 40 in einem Stuhl in dem selben Material, von dem ich ausgehe, dass es Mike Alba ist. Als wir die Tür hinter uns schließen, sieht er auf und ein freundliches Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. ,,Du musst Harry sein. Ich bin Mike, euer Vocalcoach," begrüßt Mike mich, als ich ihm meine Hand hinstrecke, die er sofort ergreift und kräftig schüttelt. Auch Louis schüttelt er die Hand, bevor er uns mit einer Handbewegung deutet, uns auf die Ledercouch zu setzten. Irgendwie bin ich jetzt doch etwas nervös. Was, wenn er mich schrecklich findet?! Louis scheint meine Nervosität mitzubekommen. ,,Keine Sorge, Mike ist wirklich nett," meint er in ruhigem Ton. Ich weiß, dass er nur nett zu mir ist, weil ich ihn dazu zwinge, aber aus irgendeinem Grund, finde ich es sehr süß von ihm, dass er versucht mich zu beruhigen. ,,NEIN?! Ich finde Louis nicht süß! Er ist ein Arsch und in einer geheimen Beziehung, also Schluss!", beschimpfe ich mich sofort selbst.
,,Also, Paul hat mir die Aufnahmen von eurem letztem Konzert gemailt und eigentlich hört sich das alles schon ganz gut an-" erleichtert atme ich aus ,,-aber ein paar Kleinigkeiten möchte ich mit euch durchgehen. Ich würde vorschlagen, wir beginnen mit dir Harry. Zuerst möchte ich dir aber gratulieren! Ich finde deinen Song 'Sign of the times' wirklich gut, es sind sehr viele schwierige Passagen darin und du singst sie wirklich hervorragend !", sagt Mike und lächelt mich an. Ich kann Lous genervten Blick spüren. Er hat seine Hände im Gesicht und stützt sie auf seinen Knien ab. ,, Ich möchte, dass ihr nochmal Two Ghosts singt, damit wir aktiv an diesem Song arbeiten können." Er reicht uns zwei Mikrofone die hinter ihm auf dem Schreibtisch liegen. ,,Jetzt?", fragt Louis verwirrt. Mike nickt nur und die Musik beginnt.

,,Das war besser," sagt Mike, nachdem wir den Song zum Dritten Mal gesungen haben. ,,Wer hat diesen Song geschrieben?", fragt er und spielt sich mit dem Kugelschreiber, den er nach dem ersten Durchgang in die Hand nahm, um sich Notizen zu machen. Sein Block ist erstaunlich voll mit Notizen. ,,Harry," antwortet Lou anstelle von mir und ich nicke nur zustimmend. ,,Der ist dir echt gelungen!-" er macht eine kurze Pause und überfliegt seine Notizen noch einmal,,-Das wars für heute und bitte beachtet die Stellen, die ich euch im Text markiert habe," sagt er noch bevor er sich wieder seinem Computer zuwendet . ,,Danke Mike," sagt Louis erstaunlich freundlich. Er muss ihn wirklich mögen. Ich hab ihn noch nie so gesehen, also nachdem er Kritik bekommen hat.
,,Ist was?", fragt er genervt in meine Richtung, als wir das Gebäude verlassen. Ich muss schon wieder gestarrt haben. ,,Nein," antworte ich schnell. ,, Okay eigentlich schon. Seit wann macht dir Kritik nichts mehr aus? Er hat dich heute ziemlich viel kritisiert," sage ich und halte ihn am Arm zurück. Er schaut zuerst auf meine Hand, dann zurück in meine Augen. ,, Er hatte immerhin noch mehr an dir auszusetzen als an mir," antwortet er nur und geht einfach weiter. Ich versuche den Abstand zwischen uns wieder aufzuholen. ,, Natürlich! Übrigens danke, dass du es geschafft hast einen ganzen Tag nichts  an mir auszusetzen. Du machst Forschritte Tommo," sage ich, während wir das Studio verlassen. Das letzte Wort scheint Lou aus dem Konzept zu bringen, denn er bleibt plötzlich stehen. ,,Nenn mich nie wieder so Anfänger," geht er mich an und steigt in die Limousine. Nicht, dass mich diese schroffe Art wundern würde, aber diesmal scheint der Auslöser dafür nicht an seiner Arroganz zu liegen, sondern an etwas anderem. Er ist die ganze Fahrt lang still und ignoriert mich. Ich muss wohl wirklichen einen wunden Punkt getroffen haben.

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