Der Astronomieturm -Wolfstar

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SIRIUS' POV

Die meisten Menschen dachten, dass ich eher dazu neigte Remus zu betrügen, als er mich. Vielleicht weil ich früher ein Herzensbrecher gewesen war, oder einfach wegen meiner Art, meines Aussehens, oder sonstwas. Beinahe niemand traute Remus zu, dass er mich betrügen könnte. Und doch stand er hier vor mir und küsste eine Hufflepuff.

"Rem?", fragte ich ungläubig.

Sofort unterbrach er den Kuss, sah mich schockiert an, drückte das Mädchen, das ihn dicht an die Wand gepresst hatte, von sich weg und fing an vor sich hin zu stammeln.

"Sirius... Ich kann das... Es tut mir... Erklären...!", stotterte er und lief zu mir.

Doch ich wollte weg hier, so schnell wie möglich. Tränen liefen mir über die Wangen, ich stolperte rückwärts durch den dunklen Korridor.

Weg von hier. Schnell weg von hier.

"Lass... lass mich i-in R-r-ruhe!"

Ich konnte kaum sprechen, so sehr zitterte ich. Ich drehte mich um und rannte, rannte so weit mich meine Beine trugen. Remus verfolgte mich und rief mir nach, doch ich wollte nichts hören. Was wollte ich überhaupt noch? Mich vom Astronomieturm stürzen? Gar keine schlechte Idee...

Atemlos sank ich an einer Wand hinunter. Remus hatte ich längst abgehängt, seine langen Beine kamen nicht gegen meinen Fluchttrieb an. Ich erkannte, dass ich mich tatsächlich auf dem Astronomieturm befand. Es war eine klare Nacht und die Sterne waren gut sichtbar. Früher war ich oft mit Remus hier oben gewesen und hatte mit ihm nach dem Stern gesucht, der mir meinen Namen gegeben hatte. Auch heute konnte ich ihn klar und deutlich am Nachthimmel erkennen. Sirius, der hellste Stern von allen. Ich stand mühsam auf und ging näher an den Abgrund. Die Mauer, die mich vor einem Absturz bewahrte, fühlte sich kalt und rau an. Mit voller Wucht schlug ich gegen sie und ein paar Steine bröckelten ab, zerbrachen, als sie unten ankamen.

Genau wie mein Herz.

Warum? Warum hatte Remus, mein Remus, mir das angetan? Nach außen hin wirkte ich vielleicht unerschütterlich, doch eigentlich war ich sehr sensibel und war schnell beleidigt, sauer oder verletzt. Remus hatte mich immer seine 'kleine Dramaqueen' genannt.

Ich beugte mich über die Mauer und sah hinab ins Bodenlose. Einen Sturz würde ich nicht überleben.

Warum tust du es nicht? Keiner liebt dich.

Das war wahr. Meine Eltern hassten mich sowieso, in den Ferien hatte ich mich mit Regulus gestritten und er sprach seitdem nicht mehr mit mir, und nun hatte Remus mich auch noch betrogen. Mich würde niemand vermissen.

Warum also nicht? Dann ist alles vorbei.

Ich schwang mein eines Bein über die Mauer. Der Wind brauste in meinen Ohren. Das zweite Bein. Würde ich mich jetzt nur ein wenig abstoßen, würde ich fallen.

REMUS' POV

Scheiße. Ich hatte ihn verloren. Wo war Sirius nur? Ich machte mir ernsthaft Sorgen. Vor Kurzem hatte sein Bruder sich mit ihm gestritten, seitdem ignorierte Regulus ihn. Seine Eltern hatten ihm erst heute Morgen einen Heuler geschickt, dass er ein Blutsverräter und Schandfleck für die Familie sei. All das hatte ihn mehr mitgenommen, als er zugeben wollte. Und nun auch noch das.

Dabei war es, so abgedroschen das klingen mag, nicht das wonach es aussah. Ich hatte nämlich nicht sie geküsst, sondern sie mich, und das auch nur, weil sie furchtbar betrunken gewesen war. Eigentlich war die Hufflepuff mit diesem Chang aus Ravenclaw zusammen.

Und nun würde Sirius vielleicht etwas Unüberlegtes tun. Er tat immer so, als sei er ein ganz harter Kerl, aber in Wirklichkeit war er ziemlich weich. Ich hatte große Angst, dass er sich jetzt, wo er innerhalb dieses kurzen Zeitraums von so vielen Menschen verletzt worden war, etwas antun könnte. Wut und Trauer waren oft Auslöser für Selbstmord. Würde er so weit gehen?

Bitte, bitte nicht.

Das durfte Sirius einfach nicht. Ich liebte ihn doch, mehr als alles andere auf der Welt!

Panisch lief ich durch die ganze Schule, klapperte alle Orte ab, an denen wir uns oft getroffen hatten. Der Gemeinschaftsraum, der um diese Uhrzeit bereits ganz leer war. Das verlassene Klassenzimmer, in dem wir uns früher, als unsere Beziehung noch ein Geheimnis gewesen war, immer getroffen hatten. Die Bibliothek, in der er mich mit seinen Küssen immer vom Lernen abgehalten hatte. Ich war wirklich überall gewesen, doch ich fand ihn nicht. Doch dann kam mir ein Einfall.

Der Astronomieturm!

So schnell es ging rannte ich hinauf, achtete weder auf meine Atemnot, noch auf meine schmerzenden Füße. Und da war er. Sirius, wie er auf der Mauer saß und ich die Tiefe starrte, sein Haar wehte im Wind. Ich eilte zu ihm, versuchte leise zu sein, um zu verhindern, dass er erschrak und in den Abgrund stürzte. Ich packte ihn einfach am Bauch und zog den überrascht kreischenden Sirius von der Mauer auf den sicheren Boden.

"Was. Denkst. Du. Dir. Eigentlich. Dabei? Du hättest fallen können! Du hättest sterben können! Du..."

Ich brach ab. Sirius schüttelte meine Hände ab und richtete sich auf, seine Augen waren vom Weinen ganz verquollen.

"Was denkst du dir eigentlich dabei? Du hast mich doch betrogen! Ich bedeute dir doch rein gar nichts! Was kümmert es dich also, wenn ich sterbe?", brüllte er mich an und brach wieder in Tränen aus.

"Das kümmert mich eine ganze Menge! Zufällig liebe ich dich nämlich!", schrie ich zurück.

Sirius blickte mich finster an.

"Das sah aber nicht so aus, als du diese Hufflepuff eben geküsst hast!"

"Sie hat mich geküsst! Und sie war betrunken! UND sie ist die Freundin von diesem Chang! Sirius, ich könnte dich doch nie betrügen, ich liebe dich doch!", erklärte ich flehend.

Er hob eine Augenbraue.

"Woher weiß ich, dass du die Wahrheit sagst?", fragte er leise und begutachtete mich misstrauisch.

"Wenn sie wieder nüchtern ist, kannst du die Hufflepuff fragen. Vorerst musst du dich mit meinem Wort begnügen.", antwortete ich ebenso leise und sah ihm direkt in die wunderschönen sturmgrauen Augen.

Sirius schien zu überlegen. Eine Minute lang, zwei, drei. Dann sah er auf.

"Okay. Ich glaube dir."

Erleichtert trat ich zu ihm, nahm sein Gesicht in meine Hände und küsste ihn vorsichtig. Er erwiderte den Kuss ebenso sanft und verschränkte die Hände in meinem Nacken. Nach einiger Zeit löste ich mich von ihm.

"Sirius, ich weiß, ich habe es heute schon oft gesagt, aber trotzdem: Ich liebe dich.", flüsterte ich, was ihm ein Lächeln entlockte.

"Ich liebe mich auch.", sagte Sirius frech und fing an meinen Hals zu küssen.

"Du Idiot!", lachte ich, doch mehr Worte ließ mein Verstand nicht zu, der langsam aber sicher von Sirius weggeküsst wurde.

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