11 - Von Freunden und Bett-Unfällen

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11 - Von Freunden und Bett-Unfällen

Erschrocken sah ich von der Hand zu einer hochgewachsenen Brünette mit leuchtend blau-grauen Augen hoch. Sie nahm ihre Hand von meinem Spind und hielt sie mir hin. „Hei, ich bin Marleen. Du bist die Neue Eliot, oder?“, fragte sie mich und zu meiner Überraschung war sie nett. Sie kam mir bekannt vor, ich glaube ich hatte ein paar Kurse mit ihr.
Für einen kurzen Moment hatte ich befürchtet, es wäre diese Luise, oder wie sie hieß. „Ja, ich bin Joyce.“, stellte ich mich leise vor. Wieso war sie nett zu mir? Sie war größer als ich, hatte lange dunkle Haare, wunderschöne Augen, einen goldenen Haut Ton und weibliche Kurven. Alles in einem war sie wunderschön. „Denk dir nichts wegen eben. Ich liebe dramatische Auftritte. Brauchst du vielleicht Hilfe? Ich dachte, die könntest du brauchen. Ist ja erst dein zweiter Tag hier und man kann hier ganz schnell bei den falschen Leuten landen.“, erklärte sie. Ich sah sie mir genauer an, aber in ihren Augen war nichts außer Aufrichtigkeit. „Okay.“, sagte ich langsam und packte meine Sachen weiter zusammen. „Was hast du jetzt?“ „Geometrie.“, antwortete ich und richtete meine Tasche zu Recht. „Oh, cool. Das liegt auf den Weg zu mir. Ich hab jetzt Physik.“, stöhnte sie und irgendwie war sie mir langsam sympathisch. Auf den Weg zu unseren Klassenzimmern erfuhr ich so einiges über sie. Sie hieß Marleen, war 17, ging aber in dieselbe Jahrgangsstufe wie ich, aber war letztes Jahr wegen ihren Hassfächern Physik und Chemie sitzengeblieben. Alles in einem kam sie ganz sympathisch rüber und vielleicht hatte ich ja endlich eine Freundin gefunden.

„Hallo Joy!“, begrüßte mich Alex dreckig grinsend. „Hei.“, gab ich genervt zurück und ließ meine Tasche auf dem Platz neben ihm fallen. Wieso saß er eigentlich überall allein? Genau das war mein Pech, denn das hieß überall neben ihm zu sitzen! Kurz hielt ich in der Bewegung inne und sah ihn stirnrunzelnd an. „Joy?“, fragte ich ungläubig und zog eine Augenbraue nach oben. Alex zuckte mit den Schultern und lächelte schief. „Ich finde, der Spitzname passt zu dir.“, meinte er und setzte sich auf den Tisch, die Füße auf seinem Stuhl abgestützt. Die Lehrerin war immer noch nicht da, was die perfekte Gelegenheit für Alex zu sein schien, um mich über Sachen, die ihn nichts angingen, auszufragen. „Wieso bist du jetzt eigentlich eine von den Eliots? Soweit ich weiß haben sie keine richtige Schwester. Heißt das also, dass sie dich adoptiert haben?“, fragte er mich und sah mir mit seinen dunkelbraunen, fast schwarzen Augen tief in meine. Ich fragte mich, wie man nur so dunkle Augen haben konnte, aber irgendwie fand ich das interessant. Sein Blick signalisierte mir, dass er es nicht akzeptierte, ignoriert zu werden - das ging ihm anscheinend gegen den Strich. „Ja, ich bin adoptiert worden.“, gab ich leise zurück und sah einen Papierflieger an mir vorbei fliegen. „Und was ist mit deinen richtigen Eltern?“, bohrte er weiter und ich seufzte tief. „Alex, du kannst so nerven, weißt du das eigentlich?“, entgegnete ich erschöpft von dieser ewigen Diskussion. Leider hatte meine ‚Beleidigung‘ nicht die erwünschte Wirkung. Anstatt empört oder was auch immer zu sein, grinste er mich stolz an, als wäre es das beste Kompliment, das ich ihm machen könnte.

Ich war erleichtert, als endlich die Pause war und wie auch gestern schon, verbrachte sie Quinn mit mir. Ich konnte ja verstehen, dass er mich noch nicht allein lassen wollte, aber meinte er, ich würde nicht sehen, wie mich die Mädchen aus seiner Clique mit Blicken töten wollten und die Jungs auch schon genervt aussahen? Ich kam ja schließlich auch nicht aus Narnia. Quinn zog mich auf einen großen Stein, auf den wir uns setzten und redete mit mir so ungezwungen wie immer, aber wie gesagt. Wäre es euch angenehm, die ganze Zeit aus Adlersaugen beobachtet zu werden? Noch dazu, wenn es nicht gerade freundliche Blicke waren.
Quinn erzählte mir gerade etwas aus alten Zeiten von ihm und Cole, als die Mädchen auch noch zu tuscheln begannen. So unauffällig wie sie es anstellen, sahen sie mich aber die ganze Zeit dabei an. War auch genug Sarkasmus in meiner inneren Stimme? Ich unterbrach Quinn sanft, aber bestimmt. „Quinn? Geh bitte.“, forderte ich ihn auf. Etwas erschrocken sah er mich an und richtete sich etwas auf. „Was meinst du? Hab ich irgendwas Falsches gesagt?“, fragte er erschrocken. Ich lächelte schwach, während ich den Kopf schüttelte. „Nein, alles in Ordnung. Ich- ähm…“
Hatte ich schon mal erwähnt, dass ich im Ausreden einfallen lassen richtig schleckt war? „Ich muss noch…“, stammelte ich und deutete mit dem Daumen hinter mich auf die Schule. Ohne noch etwas zu sagen, ging ich einfach weg zum Aufenthaltsraum und ließ einen verdatterten Quinn hinter mir. Ihr denkt euch jetzt bestimmt, ich hätte eine Schraube locker, aber ich wollte nicht, dass er sich wegen mir einen schlechten Ruf einhandeln würde. Ich meine, die konnten mich ja jetzt schon nicht leiden, obwohl ich ihnen nichts getan hatte. Mit eingezogenen Schultern und schnellen Schritten überquerte ich den Schulhof und ließ mich im Aufenthaltsraum auf eine Bank. Die Schüler um mich herum redeten, lachten und aßen. Wie ein stummer Beobachter ließ ich meinen Blick über sie gleiten und blieb bei einem Tisch hängen. Es war der von Luise und ihren Marionetten, wie ich sie bezeichnete. Sie waren beide gertenschlank bloß eine von ihnen war klein und braunhaarig, während die Blondine fast so groß wie Luise war. Ihre aufreizenden Klamotten bedeckten nur das Nötigste und ihre echte Hautfarbe ließ sich durch den Selbstbräuner nur erahnen, aber das war es nicht, was meine Aufmerksamkeit auf sie zog, sondern das Marleen bei ihnen stand und sie sogar ziemlich vertraut wirkten. Sie umarmte die Brünette und verschwand nach draußen. Merkwürdig.
Etwas verloren setzte ich mich einfach auf einen leeren Tisch und holte mein Geschichtsbuch heraus. Ich musste sowieso noch ein wenig lernen, obwohl ich das gestern schon getan hatte. Vertieft in Napoleons Lebensgeschichte spielte ich mit meiner Kette, die ich heute umgelegt hatte und merkte gar nicht, wie sich jemand zu mir setzte. Erschrocken sah ich auf und strich mir die Strähnen aus dem Gesicht, die sich mal wieder aus meinem Pferdeschwanz gelöst hatten. Ein rothaariges Mädchen mit süßen Sommersprossen und brauen Augen saß neben mir und lächelte mich an. „Hei, ich bin Cassie. Cassie Johnson.“, stellte sie sich vor und reichte mir ihre Hand, die ich zögerlich schüttelte. Ich kannte sie ebenfalls aus ein paar Kursen, aber bisher war sie mir nicht wirklich aufgefallen, weil sie immer etwas weiter hinten und allein saß.
„Joyce Eliot.“, stellte ich mich vor und lächelte sie an, was aber nicht mehr war, als einen Mundwinkel nach oben zu ziehen. „Ich weiß. Du bist Gesprächsthema Nummer eins.“, sagte sie lächelnd und kleine Grübchen bildeten sich auf ihren Wangen. „Ja, schon klar. Ich bin ja die Neue.“, stöhnte ich genervt und klappte mein Buch zu. „Nein, nein!“, warf Cassie sofort ein und musterte kurz mein Gesicht, aber es entging mir trotzdem nicht. „Es liegt daran, weil du die neue Schwester von den Jungs der Schule bist und sie dich noch dazu beschützen, als wärst du ein kostbares Juwel. Außerdem wirkst du unnahbar. Das findet die männliche Seite der Schule interessant. Weißt du, erst dachte ich, du wärst so eine, die sich in der Aufmerksamkeit der Jungs sonnen würde und dass du arrogant wärst, aber allein die Tatsache, dass du mutterseelenallein lernst und mit eingezogenen Kopf herumläufst, sagt mir, dass wir uns sehr gut verstehen werden.“, grinste sie und ich fragte mich, wie man nur so viel auf einmal reden konnte.
„Ähm, danke?“, gab ich zurück. Okay, ich fragte wohl eher, weil ich nicht wusste, ob ich das jetzt als Kompliment aufnehmen sollte. Cassie reichte mir ihr Handy und forderte mich auf, meine Nummer einzuspeichern, was ich sofort tat. Sie schien wirklich nett zu sein und irgendwie fühlte ich mich bei ihr etwas wohler, als bei Marleen. Cassie spielte wohl eher in meiner Liga, als dieses wunderschöne Mädchen mit den blauen Augen und der Figur eines Models.
Ich reichte es ihr wieder und lächelte sie an, bevor sie mit wippenden Haaren davon ging. Wow, also an dieser Schule waren sie wirklich anders zu mir. Hier wusste niemand außer Jason, Cole und Quinn über meine Vergangenheit Bescheid und das sollte auch so bleiben. Wer weiß, ob sie dann immer noch so nett sein würden. Früher haben sie mich jeden Tag ausgelacht und beschimpft, ich wäre armselig und bemitleidenswert.

My Stepbrother's Best Friend ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt