8 - Mitternachtssnack

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8 - Mitternachtssnack

Ich schaukelte in meiner Hängematte hin und her, während ich über Johns Worte nachdachte. Machte sie den Entzug wirklich für mich? Aber wieso hatte sie dann gesagt, dass ich dort bleiben sollte, wo der Pfeffer wächst? Ich schüttelte leicht den Kopf. Ich meine, seien wir doch mal nicht naiv, denn am Schluss würde ich bloß wieder enttäuscht sein - so wie jedes Mal. Morgen war wieder Schule und ich war immer noch nervös. Die Blicke, die sie mir heute zugeworfen hatten, verhießen meiner Meinung nach nichts Gutes. Ich wollte nicht schon wieder das Opfer in der Schule sein, verdammt.
Ich nahm meine Kopfhörer heraus, als ich ein dumpfes Geräusch hörte. „Joyce?“, hörte ich es leise von der anderen Seite der Tür, während derjenige klopfte. Als mein Pulsschlag auf 180 war, konnte ich mir schon denken, dass es Quinn war. „Hm?“, fragte ich ebenso leise, weil es schon 23:30 Uhr war. Er öffnete die leise die Tür, damit sie keine Geräusche von sich gab und schloss sie genauso leise.
Quinn trug nicht mehr, als eine Boxershorts und ein weißes Band-Shirt, das anscheinend schon seine besten Jahre hinter sich liegen hatte. Seine blonden Haare waren noch verwuschelter als sonst, was ihn aber irgendwie… sexy wirken ließ.  Na toll, und ich? Ich trug eine Jogginghose und ein Baseballshirt, das meinem Dad gehört hatte.

„Hab ich dich geweckt oder so?“, fragte er leise, weil Coles Zimmer direkt neben meinem war. „Nein. Ist irgendwas?“, fragte ich ihn und setzte mich in der Hängematte auf, was sich als ziemlicher Kampf herausstellte, wenn die Füße ständig hängen blieben.
Oh Gott, peinlicher ging es wohl nicht. Als er auf mich zukam, rutschte ich ein Stück und bedeutete ihm, sich zu mir zu setzen. Er legte sich neben mich und ich hatte das Gefühl, mir würde gleich das Herz aus der Brust springen, wie nah er mir war. Er roch so verdammt gut nach Orange, wenn mich nicht alles täuschte und seine warme Haut an meiner Kalten machte es nicht besser.
Quinn entwich ein schwaches Lachen, als er mit seinen Zehen wackelte. „Du bist wirklich klein.“ „Ich weiß, Big Foot.“, lachte ich mit. „Also, wieso bist du zu mir rüber?“, fügte ich hinzu und sah ihn an. Es haute mich wirklich jedes Mal wieder um, wie männlich seine Gesichtszüge waren. Das kantige Kinn, das mit den vollen zarten Lippen abgerundet wurde, die scharfen Wangenknochen, die seine Augen nur noch betonten und die gerade adelige Nase.
Wie sollte so jemand wie ich auch bei so einem Goldstück von Mann eine Chance haben, dachte ich schnaubend.
Quinn zuckte lediglich die Schultern und seine Mundwinkel begannen zu zucken. „Keine Ahnung. Konnte nicht schlafen.“, gab er zu und ich fragte mich ernsthaft, ob dieser Junge jemals nicht gelächelt hat. „Und wieso hab ich dann die Ehre und nicht zum Beispiel Cole?“, lachte ich. Bei ihm musste man einfach gute Laune haben. „Ladys first, würde ich mal sagen.“, grinste er und seine dunkelgrünen Augen strahlten mich an. Wenn wir jetzt in einem kitschigen High School Film wären, würde man verknallte Mädchen im Hintergrund seufzen hören. Okay, Spaß beiseite.
„Ach, so ist das.“, sagte ich lächelnd und strich mir eine Haarsträhne zurück. Quinn lehnte seinen Kopf zurück und ließ seinen Blick durch mein Zimmer schweifen. „Wirklich tolles Zimmer. So hell. Irgendwie passt das zu dir.“, gab er zu und kratzte sich verlegen hinterm Ohr. Wie süß! „Danke. Jenna und Mark haben sich wirklich Mühe gegeben, aber wieso eigentlich wollten sie noch jemandem im Haus?“ „Ich glaube, weil wir alle erwachsen werden und sie das einfach nicht akzeptieren wollen. Du weißt ja, dass sie nicht meine Eltern sind. Ich wohne bei ihnen, weil meine Alten wegen ihrer heiß geliebten Firma umziehen mussten und ich nicht mit wollte. Ich hatte es satt, ständig allein zu Hause zu sein, also hat mir Cole angeboten, bei ihm einzuziehen.“, erzählte er mir, während wir beide an die Decke starrten. „Aber vermisst du sie denn gar nicht?“, fragte ich verwundert. „Naja, manchmal schon, aber dann fällt mir ein, dass sie mir nicht meinen eigenen Willen lassen. Sie wollen, dass ich diese bescheuerte Firma nach der High School übernehme, aber ich will aufs College. Das wollte ich schon immer, aber sie sagen, dass wenn ich als einiger Nachfolger nicht weiter mache, dann kann ich mein Erbe vergessen und ich wäre für sie gestorben.“ Es war das erste Mal, seit ich hier war, dass Quinn geknickt wirkte und das tat mir weh. Ich wollte ihn wieder sein typisch schiefes Grinsen lächeln sehen und nicht Trübsal blasen. Das passte irgendwie so überhaupt nicht zu ihm. „Hast du ihnen schon mal erzählt, dass du andere Pläne hast?“, hakte ich nach. Ich wollte ihm helfen, ihn aufmuntern, nur nicht so traurig sehen. Er stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus und schaute mich an. Ich drehte meinen Kopf ebenfalls in seine Richtung und versank in seinen Blattgrünen Augen. Meine dunkelbraunen musste er bestimmt sterbenslangweilig finden.
„Ich weiß, dass es zwecklos wäre. Sie sind so verdammt stur und würden es mir bloß ausreden wollen. Manchmal denke ich, ach scheiß doch auf ihre Meinung und zieh dein Ding durch, aber ich will auch nicht den letzten Kontakt zu ihnen verlieren. Sie sind schließlich mein Eltern!“, beklagte er sich. Ich wusste nur zu gut, wie es war, wenn man nicht wusste, was man über sie denken sollte. Dieses Lied konnte ich schon in und auswendig singen.
„Ich hab Hunger.“, flüsterte er und ich prustete los. Scheiß egal, ob Cole oder Jason mich hören würden. „Wie kommt man von so einem Thema auf so was?“, lachte ich und hatte schon Lachtränen in den Augen. Grinsend zuckte er die Schultern -das tat er irgendwie oft- und zeigte mir sein strahlendstes Lächeln, das er zu bieten hatte. „Also, kommst du mit?“, fragte er und stupste mich mit dem Ellbogen in die Seite. „Okay.“

Und so kam es, dass wir mitten in der Nacht in der Küche standen und den Kühlschrank durchstöberten.
„Gib mir mal den Zucker.“, verlangte Quinn und ich reichte ihm die Packung von meinem Platz auf der Theke aus. Er war gerade dabei uns ein paar Pfannkuchen zu machen und ich konnte mir das Lachen noch kaum verkneifen, so wie er herumhantierte. Wenn das keine Schweinerei war, dann wusste ich auch nicht. Er rührte weiter in dem Teig herum und goss ihn schließlich in die heiße Pfanne. „Woher kannst du kochen?“, fragte ich ihn und ließ meine Beine von der Anrichte baumeln, die vorher noch im Schneidersitz waren. „Wie gesagt, ich habe nicht immer hier gewohnt und irgendwie musste ich mich ja ernähren.“, erklärte er und konzentrierte sich auf den Herd. „Hm, ich kann nur die nötigsten Gerichte.“, sagte ich und sah dabei zu, wie er die fertigen Pfannkuchen auf zwei Teller transportierte. „Marmelade, Zucker, Puderzucker oder Nutella?“ „Ähm… Marmelade.“, antwortete ich. Als Quinn mir meinen Pfannkuchen fertig machte, lachte ich: „Was für ein Service.“
„Für dich doch immer, Mylady.“, sagte er, überreichte mir den Teller mit einer unterwürfigen Pose, eine Hand auf dem Rücken. Er wackelte anzüglich mit den Augenbrauen und ich konnte mich gar nicht mehr halten vor Lachen. „Kinder, was treibt ihr um diese Uhrzeit noch? Morgen ist Schule!“, schimpfte Jenna von der Treppe aus, die Augen kaum offen. Wir fuhren erschrocken zusammen und drehten unsere Köpfe zu ihr. Sie hatte nur ein dünnes Seidennachthemdchen an, was meiner Meinung nach ziemlich knapp war und ihre hellbraunen Haare waren komplett durcheinander. Oh Gott, wenn ich mir nur vorstelle, was sie und Mark im Schlafzimmer getrieben haben oder zumindest vor hatten… grr, Trauma fürs Leben. „Jetzt aber ab ins Bett mit euch.“, fügte Jenna hinzu um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, bevor sie wieder nach oben ging.
Quinn und ich lachten uns einen Ast ab, während wir die Küche bestmöglich sauber machten. Zusammen gingen wir wieder nach oben und vor meiner Zimmertür blieben wir stehen. „Also gute Nacht und danke für den Mitternachtssnack.“, lächelte ich und musste den Kopf in den Nacken legen um zu ihm aufzusehen, denn er war über einen Kopf größer als ich. Gut, mit meinen 1,69 war ich wirklich nicht gerade die Größte, aber was wollte man machen. „Gern geschehen. Gute Nacht.“, grinste er zurück und bevor ich wusste, wie mir geschah, fühlte ich seine weichen Lippen auf meiner Wange. Meine Augen wurden so groß wie bei einem Frosch und ich hatte es noch gar nicht so richtig realisiert, als das Kribbeln auf meiner Haut auch schon wieder weg war. Einen kurzen Moment hielt er neben meinem Gesicht inne, während ich weiter geradeaus schaute. Quinn richtete sich wieder auf, wünschte mir noch einmal gute Nacht und ging ein paar Schritte rückwärts, bevor er sich umdrehte und in seinem Zimmer verschwand. Ich dagegen konnte ihm nur stumm nachsehen.

Sooo,
Mal wieder ein neues Kapitel und sorry, dass es so lange gedauert hat, aber ich hab mich beim Krabbeln verletzt. Nein, jetzt ohne Witz. Ist mir wirklich passiert xD Naja, jedenfalls hoffe ich, dass es euch gefallen hat und vielen riesen Dank, dass so viele für meine Story schon voten! Das ist wirklich… WOW :)
Eure S.

My Stepbrother's Best Friend ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt