5 - Im Stich gelassen

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5 - Im Stich gelassen

Ein klingelndes Handy zerstörte den Moment und sofort kramte Cole in seiner Hosentasche herum. Er warf einen Blick auf das Display, bevor er mit einem entschuldigenden Blick aufstand und sich von uns entfernte. Na toll, jetzt war ich mir mit Quinn alleine und mein Herz machte wieder Überstunden. Ich versuchte mir möglichst nichts anmerken zu lassen und starrte weiter aufs Wasser, aber Quinn musste ja unbedingt die Stille brechen. „Du bist anders, als die meisten Mädchen die ich kenne.“, sagte er leise und zwang mich somit dazu, ihn anzusehen, während er weiterhin geradeaus schaute. Er schien meinen fragenden Blick zu bemerken, denn jetzt drehte er sich auch zu mir. Für einen Moment stockte mir der Atem, denn in der Sonne funkelten in seinen blattgrünen Augen kleine bernstein-farbene Sprenkel. Dichte goldene Wimpern, von denen Frauen nur träumen konnten, umrahmten diese und gab ihnen dadurch den letzten Schliff. „Ich meine, du- du wirst am Montag schon merken, wie die Mädchen an unserer Schule ticken. Sie ziehen sich alle an, als wären sie Models für die Vogue und führen sich auf, wie sonst was. Du bist komplett anders, weißt du?“, redete er weiter und musterte mein Gesicht. Ich spürte die leichte Röte in meinen Wangen und sah runter auf meine Hände, damit er es nicht bemerkte. „Siehst du? Genau das meine ich. Heutzutage findet man nicht mehr oft ein Mädchen, das man noch in Verlegenheit bringen kann.“, sagte er und grinste mich stolz an. Plan gescheitert, würde ich mal sagen!

Ich drehte mich um, um zu sehen, wo Cole blieb, aber keine Spur von ihm. Wo blieb er denn nur? Er konnte mich mit seinem Freund doch nicht einfach alleine lassen! „Kriegt das Kätzchen etwa Angst vor mir?“, fragte er belustigt, als er merkte, dass ich etwas suchte oder besser gesagt jemanden. „Kätzchen?“, fragte ich ihn und zog eine Augenbraue hoch. „Kätzchen.“, bestätigte er und wieder machte sich das schiefe Grinsen auf seinem Gesicht breit, das so typisch für ihn war. „Wie kommst du darauf?“, hakte ich nach, setzte mich auf meine vor Nervosität schwitzenden Hände und ließ meine Füße baumeln. „Keine Ahnung, irgendwie erinnerst du mich an eine Katze.“, sagte er schulterzuckend. „Soll das jetzt eine Beleidigung oder ein Kompliment sein?“ „Ich würde sagen, etwas zwischen Kompliment und Feststellung.“, gab er zu und entlockte mir somit ein Grinsen. „Du solltest öfter lächeln - das sieht noch schöner aus.“, sagte er sanft und hob mit zwei Fingern mein Kinn in seine Richtung. Ich wartete auf das Zusammenzucken, oder das verängstigte Keuchen, aber nichts. Ich blieb vollkommen ruhig, bis auf die kribbelnden Wellen, die in meinen Körper wüteten.
Wir sahen uns einfach nur an und ich wusste nicht, was ich jetzt tun sollte, aber meine Gedanken wurden wieder stumm, als seine angenehm rauen Finger von meinem Kinn weiterwanderten zu meinen Wangenknochen. Als hätte er sich an meiner Haut verbrannt, zog er schnell seine Hand zurück und sah mich etwas komisch an. „Tut mir leid, ich hätte nicht-“ Er wurde durch ein Piepen unterbrochen und ich konnte die Erleichterung in seinen Augen sehen, als er sein Handy aus der Hosentasche zerrte. „Cole sagt, dass ein Freund seine Hilfe gebraucht hat und er weg musste. Scheint so, als wären wir wohl jetzt auf uns gestellt.“, erzählte er nach einen verwirrten Blick auf sein Handy, den er nun auf mich richtete. Ouh, na toll!, dachte ich mir und konnte meinen Puls in meinem Kopf dröhnen hören.
Quinn schien mit der Situation genauso überfordert zu sein - er kratzte sich am Hinterkopf und zog eine Grimasse, während er mich vorsichtig ansah. Irgendwie ist dieser Junge ziemlich merkwürdig drauf.
„Ahm, ich weiß ja nicht… was du noch- willst du noch irgendwo hin, oder…“, stammelte er zusammen und ließ den Satz in der Luft hängen. Ich zuckte unsicher mit den Schultern und kam mir vor, wie… ach, keine Ahnung, wie ich mir vorkam. „Wir könnten ja vielleicht, also nur wenn du auch willst, ein Eis essen gehen?“, fragte er mit etwas kratzigerer Stimme als sonst und ich konnte mir ehrlich nicht erklären, wo der selbstsichere junge Mann von heute Mittag hin war.
Ich wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, aber er ließ mich nicht zu Wort kommen. „Also wir können auch was anderes machen, wenn du das nicht willst, oder ich kann dich auch gleich nach Hause bringen, aber-“ „Quinn.“, unterbrach ich seinen Redeschwall sanft und musste schmunzeln. „Hm?“, fragte er überrascht und sah von seinen Füßen hoch. „Wir können gerne noch ein Eis essen gehen.“, sagte ich leise und lächelte ihn leicht an, während er so breit grinste und mir seine weißen Zähne präsentierte.
Ich strauchelte ein wenig, als Quinn mich ohne Vorwarnung an der Hand nahm und mich hinter sich her zog. Ehrlich gesagt stellt es sich als äußerst schwierig heraus, denn seine Schritte waren doppelt so groß wie meine. Schweigend ließ ich mich davonziehen, bis wir zu der Stelle kamen, an dem die beiden Motorräder abgestellt worden waren, bloß, dass es jetzt nur noch Quinn’s da war. Ich war froh, dass Cole Jasons Helm nicht mitgenommen, sondern am Rückspiegel umgehängt hatte, denn die Fahrt hierher war schon grenzwertig und dann noch ohne dieses kleine Stückchen Sicherheit? Nein danke.
„Kommst du?“, fragte er, während er sich auf den Sitz schwang und seinen eigenen Helm überstülpte.
Ich schüttelte meine letzten Zweifel so gut wie möglich ab, setzte mich hinter Quinn und setzte den schweren Motorradhelm auf. Ich wollte gerade nach den Griffen greifen, aber ich tastete ins Leere. Sollte das jetzt ein Witz sein? Bei Cole waren solche Dinger doch auch da!
Ich hörte Quinn über den Motor hinweg leise lachen, bevor er meine Hände nahm und sie um seinen Bauch legte. Für einen kurzen Moment hielt ich die Luft an und spürte die unglaubliche Hitze in meinem Gesicht. Ich spürte seine Körperwärme sogar durch seine Kleidung auf meinen kalten Fingern. Harte Muskeln unter weicher Haut lagen unter seinem T-Shirt und ich musste mich beherrschen, um nicht darüber zu streichen. Ich klammerte mich fester an ihn, als er los fuhr und ich musste wohl nicht beschreiben, wie komisch mir diese Situation vorkam. Ich meine, ich saß auf dem Motorrad eines fast fremden Jungens, an dem ich mich gerade wie an ein Klammeräffchen festhielt. Was sollte man davon auch gerade groß halten? Außer der Tatsache, dass mein Herz so raste, als wäre ich einen Marathon gelaufen, meine Hände so schwitzig waren, dass ich schon hoffen musste, dass sie nicht Quinns T-Shirt durchweichen würden und mein Mund staubtrocken wurde. Das war doch auch nicht mehr normal, oder?

Meine Beine waren ein bisschen wackelig, als ich abstieg und den Helm abnahm. „Geht’s dir gut? Du bist ‘n bisschen blass um die Nase.“, lachte Quinn, der im Gegensatz zu mir elegant, die Füße auf den Boden schwang. „Alles bestens.“, murmelte ich und fand meine Füße auf einmal wahnsinnig interessant. Mein Gegenüber quittierte das mit einem Lachen und noch nie hatte ich so das Verlangen, einen Jungen zu schlagen, aber meine Folterpläne wurden von ihm unterbrochen, indem er wieder meine Hand nahm und mich quer durch den Parkplatz zu einer kleinen Seitenstraße schleppte. Himmel Herr Gott nochmal! Seh‘ ich aus wie ein Hund, den man ständig an der Leine herumführen muss? Aber ich konnte nicht leugnen, dass mein Bauchgefühl mir sagte, dass ich es irgendwie genoss, wie seine Hand meine immer aufwärmte. Die Sonne blendete mich, als die Gebäude immer kleiner wurden und die Grünflächen mehr. Diese Gegend sah nicht so aus, als wäre sie großartig mit Läden überfüllt, aber nur ein paar Minuten darauf standen wir vor einer kleinen gemütlichen Eisdiele mit verschnörkelten Stühlen davor. Eine helle Glocke klingelte, als wir sie betraten und eine alte Frau mit langen grauen Haaren und lächelte uns an. „Hallo Quinn! Schön dich auch mal wieder zu sehen. Und wer ist die hübsche Lady neben dir?“, fragte sie und die Lachfalten in ihrem Gesicht wurden deutlicher.
„Das“ er zog mich am Handgelenk sanft nach vorne, weil ich mich hinter seinen breiten Schultern zu verstecken versuchte „Ist seit heute die Stiefschwester von Cole und Jason.“, sagte er grinsend. Anscheinend kannten sie sich schon länger, wenn man bedenkt, wie vertraut sie miteinander umgingen. „Und sie hat bestimmt auch einen Namen…“, hakte sie augenverdrehend nach. „Joyce.“, mischte ich mich ein und trat wieder einen Schritt hinter Quinn, aber diese Frau kam um die Theke, legte ihre Schürze ab und zog mich fest in ihre Arme. Ich riss die Augen weit auf und automatisch verkrampfte ich mich. Ihre Umarmung war so herzlich, wie ich sie nur selten in letzter Zeit erlebt hatte, aber trotzdem… wie sollte man das jetzt bezeichnen? Meine Beschützerinstinkte? Ja, das wäre glaube ich die beste Erklärung. Aber trotzdem kehrten meine Beschützerinstinkte zurück und ich musste mich so zusammen reißen, um sie nicht von mir zu stoßen. „Hallo Joyce. Ich bin Sophie, eine alte Freundin von Quinn.“, stellte sie sich vor, nachdem sie mich auf Armeslänge betrachtete. „Ach Gottchen. Quinn?“, schrie sie nach ihm und langsam wurde mir unter ihrem genauen Blick unwohl. Endlich nahm sie ihre Hände von meinen Schultern, denn sie ging rüber zu Quinn murmelte ihm etwas zu. Jedenfalls war es nicht leise genug. „An deiner Stelle würde ich bei ihr nicht mit dem Eis sparen. Warst du früher nicht immer eher von Kurven angetan?“ Ihre Worte versetzten mir, wieso auch immer, einen Stich, denn irgendwie verdeutlichte es nur noch mehr, wie unerreichbar er für mich war. Er war ganze drei Jahre älter als ich und er würde sich bestimmt nie für ein… für ein Kind interessieren. Ein Kind ohne Kurven und ohne ‚Holz vor der Hütte‘.
Quinn schenkte Sophie nur einen zum Schweigen bringenden Blick und kam wieder lächelnd auf mich zu. „Also. Was wollt ihr? Ich hab ein paar neue Sorten und bitte sagt mir, dass sie gut sind.“, wandte sich Sophie wieder an uns beide und ich tat einfach so, als hätte ich von der kleinen Unterhaltung vorhin nichts mitbekommen. „Für mich das wie immer. Was nimmst du?“, fragte er mich. „Ähm, Grapefruit und Waldmeister.“, sagte ich leise und vergrub meine -welche Überraschung- kalten Hände in meiner offenen Kapuzenjacke.
Mit den Eisbechern setzten wir uns an ein paar der Barhocker am hohen Tresen. Das dunkle Holz bildete eigentlich einen ziemlichen Kontrast für den sonst so hell eingerichteten Raum.

Während Quinn und ich unser Eis aßen -er hatte übrigens Grapefruit (!) und Kirsche-, erzählte mir Sophie, dass sie sich seit einem Jahr kannten, als Quinn zu den Eliots gezogen ist. Wieso, wusste ich immer noch nicht, aber wenn er mir es erzählen wollte, dann würde er das irgendwann freiwillig machen.

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Hei :)
Ich weiß, dass das Kapi etwas kurz ist und n bisschen langweilig, aber ich hoffe, dass es euch trotzdem gefallen hat! Außerdem wollte ich mal ganz groß DANKE sagen, dass ihr meiner Story eine Chance gebt und dass schon soo viele gevotet und kommentiert haben! Echt, ich war total überrascht :*
Eure Sabi :)

My Stepbrother's Best Friend ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt