Das Leben der Familie R

Teil 61

Miscuit (Mikey und Biscuit)

POV JACK

Mir wurde mit jeder Sekunde, die ich mit den Anderen verbrachte, unwohler. Mikey war jetzt schon 40 Minuten weg und wir saßen immer noch am Tisch. Ich wusste, dass ich Mist gebaut hatte und ich war mir sicher, dass die Stimmung definitiv nicht so gut war, wie es momentan schien. Ich wollte zu Brooklyn. Ich wollte ihm sagen, dass es mir leid tat und, dass der Typ mich geküsst hatte und nicht ich ihn. Ich wollte erklären, dass ich mich gewehrt hatte und, dass ich mich selbst für diese Aktion hasste. Aber ich wusste auch, dass ich ihn verletzt hatte und dass ich Rye verprügelt, und somit auch Andy und Hailey gegen mich aufgebracht hatte. Ich hatte echt schlechte Karten. Und trotzdem war ich unfassbar wütend auf Rye, weil er mir gestern derartig eine runter gehauen hatte, dass ich ohnmächtig wurde und sich nicht mal dafür entschuldigt hatte. Ich stand auf und ging zur Spülmaschine. Ich hörte im Hintergrund die Haustür, tat jedoch so, als hätte ich es nicht gehört. Ich stellte meinen Teller gerade in die Spülmaschine und stellte mich aufrecht hin, um sie wieder zu schließen, als ich die Stimme von Andy hörte. „Mikey, nicht!". Ich drehte mich um und spürte im nächsten Moment einen drückenden Schmerz in meinem Rücken. Mikey hatte mich fest bei den Schultern gepackt und presste mich mit seiner ganzen Kraft gegen den Kühlschrank, dessen Griff sich in meinen unteren Rücken bohrte. Sein Gesicht war leichenblass, nur seine Wangen waren rot gefärbt. Seine Augen waren fast schwarz und ich sah, dass er die Zähne aufeinander biss. „Lass ihn los!" rief Hailey und zog Mikey von mir weg. Ich sah sie dankbar an, doch sie warf mir nur einen vernichtenden Blick zu. Mikey schaute sie nicht an. Er fixierte mich, wie ein Raubtier, das jeden Moment zupacken würde. Ich wagte nicht, mich zu bewegen. „Wie geht's Brooklyn?" fragte Rye und mein Herz fing an zu rasen. „Scheiße." erwiderte Mikey und seine Augen wurden zu Schlitzen. Brooklyn hatte es ihm erzählt. Fuck. „Was hat er gesagt? Hat er überhaupt was gesagt?" fragte Andy und Mikey nickte langsam. „Erst hat er geweint, dann hat er das ganze Zimmer auseinander genommen wegen eines Wutanfalls und dann hat er mir alles erzählt. Und unser kleiner Freund hier, hat deutlich mehr verbockt, als wir dachten." fauchte er den letzten Satz in meine Richtung und ich musste mich zwingen, weiter zu atmen. Sein Gesicht war nur ein paar Zentimeter von meinem entfernt und ich konnte seinen Atem spüren. „Was zum-" fing Rye an, doch Hailey hatte Mikey schon zurück gezogen und selbst den Platz eingenommen. „Was hast du gemacht? Sag es!" feuerte sie mir ins Gesicht und ich schluckte schwer. „Ich... ich... kann nicht." stotterte ich und presste mich noch enger an den Kühlschrank. „Was. Hast. Du. Mit. Brooklyn. Gemacht." zischte sie und ich bekam Gänsehaut. „Du solltest eher fragen, mit wem er es sonst gemacht hat." warf Mikey ein und mir stockte der Atem. Hailey drehte ihren Kopf in seine Richtung und riss die Augen auf. „Wie bitte?" flüsterte sie und Rye ging ein Licht auf. „Der Junge im Toilettenraum. Den ich fotografiert habe, weil er so verletzt war..." sagte er leise und ich sah ihn ängstlich an. „Nein..." flüsterte Hailey und ich betete stumm um Vergebung. „Doch... Rye hat Recht..." sagte Mikey und im nächsten Moment brannte meine Wange wie Feuer und durch meinen Kiefer zog ein stechender Schmerz. Ich hob meine Hand und legte sie auf meine Wange. Hailey stand fuchsteufelswild vor mir, ihre Hand immer noch in der Luft, bereit erneut zuzuschlagen. Ich hielt mir schützend die Hände vors Gesicht und drehte mich leicht zur Seite. Doch es kam kein weiterer Schlag, denn Hailey hatte sich an den Tisch gesetzt. Ich stellte mich wieder aufrecht hin und schaute auf meine Füße. „Hast du noch irgendwas dazu zu sagen?" fragte Rye leise und ich nickte. „Er hat mich geküsst, nicht ich ihn. Und es tut mir leid, dass ich dich geschlagen hab." sagte ich ohne aufzuschauen. Ohne ein weiteres Wort verließen Hailey und Andy den Raum. Es blieben nur noch Mikey, Rye und ich. „Mir tut's nicht leid, dass ich dich verprügelt habe. Du wirst dafür nie eine Entschuldigung von mir hören. Das hattest du mehr als verdient und das weißt du auch." erwiderte Rye und ich nickte. „Und ich werde mich auch für nichts entschuldigen. Du kannst froh sein, dass ich dir deinen Kiefer nicht direkt gebrochen habe." sagte Mikey und ich nickte erneut. „Wieso hast du das getan?" flüsterte Rye plötzlich und ich sah ihn an. Seine Augen glänzten verdächtig und ich konnte sehen, wie verletzt er war. „Ich habe nichts getan. Ich habe mich den ganzen Abend mit dem Typen unterhalten und musste auf die Toilette. Er ist mir gefolgt. Und dann hat er mich gepackt und mich gegen die Wand gedrückt. Ich habe versucht ihn wegzuschieben und als ich es endlich geschafft hab, hab ich ihm eine rein gehauen und er ist umgekippt und mit dem Kopf gegen die Kabinenwand gestoßen. Dann hab ich Brooklyn da stehen sehen. Ich bin sofort zu ihm hin und hab mich 100 mal entschuldigt. Ich habe versucht es ihm zu erklären, aber er wirkte wie erstarrt. Er hat nicht reagiert. Er hat nichts gesagt oder sich bewegt. Dann hat er plötzlich ausgeatmet und ich hab den Rauch gerochen. Ich hab ihn gefragt, ob er geraucht hat und er ist raus gerannt. Ich kam nicht so schnell hinterher, weil die Sanitäter mich gefragt haben, was passiert ist. Dann bin ich zur Bar." erzählte ich mit kratzender Stimme. Mikey hatte die Arme vor der Brust verschränkt und Rye sah jetzt weniger wütend aus. „Es tut mir leid... Ihr wisst, wie sehr ich Brook liebe. Er ist Alles für mich. Aber ich weiß, dass ich ihn mehr verletzt habe, als ich mir vorstellen kann und dass er mich nicht sehen will. Und ich kann es verstehen. Und genau deshalb werde ich ihn gehen lassen. Ich hab ihn nicht verdient. Ich will, dass er glücklich ist. Und er ist ohne mich besser dran." sagte ich und unterdrückte die Tränen. „Ja, wir wissen sehr wohl, wie sehr du ihn liebst. Und das beruht auf Gegenseitigkeit. Brooklyn liebt dich mehr, als du dir vorstellen kannst. Und er ist verletzter, als du dir vorstellen kannst, da stimme ich dir zu. Aber wenn du jetzt gehst, nimmst du einen Teil von ihm mit. Und zwar seinen besten Teil, nämlich sein Herz. Du hast Recht, er will dich nicht sehen. Er bleibt jetzt bei Sina und Rebecca und fliegt Sonntag direkt zu seiner Familie, weil er es mit dir unter einem Dach nicht aushält. Und du hast Recht damit, dass er im Moment ohne dich besser dran wäre, aber das gilt nicht für immer. Du bist sein Leben, Jack. Nimm ihm nicht auch noch seine Zukunft." sagte Rye und mir entwich ein Schluchzen. Eine Träne verließ mein Auge und tropfte auf den Boden. Plötzlich schlangen sich zwei Arme um mich und ich sah überrascht auf. Es war Andy. Ich hatte nicht gehört, dass er wieder gekommen war. Ich vergrub mein Gesicht in seiner Schulter und umarmte ihn. „Ich liebe ihn so sehr... aber ich werde nie gut genug für ihn sein." flüsterte ich.

POV HARVEY

Als ich aufstand und in die Küche kam, sah ich, wie Jack in Andys Armen lag, Mikey die Beiden beobachtete und Rye auf seine Hände starrte. Ich blieb verwirrt im Türrahmen stehen und versuchte zu begreifen, was hier vor sich ging. Ich ging langsam zu Rye und hockte mich vor seinen Schoß. Er hob den Blick und schaute mich an. Seine Augen glänzten und er schniefte leise. „Hey..." flüsterte er und ich fuhr mit meinem Daumen über seine Wange. „Hey Babe..." antwortete ich ihm und stellte mich wieder hin. Er schlang seine Arme um mich und drückte sein Gesicht an meinen Bauch. Ich legte meine Arme um seinen Hals und fuhr ihm mit meinen Fingern durch die Haare. „Was ist denn überhaupt los?" fragte ich und ließ mir von Mikey die Kurzfassung erzählen. Als er endete, verstand ich ungefähr, warum Jack und Rye weinten und, warum Mikey so gefühlskalt war. Rye hatte mittlerweile aufgehört zu weinen und hörte nun unserem Gespräch zu. „Ich glaube, dann wäre eine Band-Pause ganz angebracht, oder?" sagte Andy plötzlich und ich spürte Ryes Atem auf meiner Haut. „Wie lange?" fragte Mikey. „So lange, bis es Brooklyn besser geht." sagte Jack und Rye nickte. „Das ist das einzig Vernünftige." sagte er und lächelte traurig. „Also ich bleibe erstmal in der Wohnung." sagte Andy und Rye nickte. „Ich auch." sagte er. Er schaute zu mir auf und sah mich fragend an. Ich nickte ihm zu und er lächelte. „Und Harv auch." fügte er hinzu. „Ich denke Hailey auch..." sagte Andy. Ich schaute zu Jack. Er begegnete meinem Blick und holte tief Luft. „Ich gehe zurück nach Irland." sagte er dann und Andy nickte verständnisvoll. „Ich ziehe für die Zeit zu Sina und Rebecca." teilte uns Mikey mit und er versuchte einen halbwegs zufriedenen Gesichtsausdruck aufzusetzen, was jedoch nicht so gut klappte. „Das ist nicht das Ende, Jungs." sagte ich und schaute in die Runde. „Ihr könnt nicht ohne einander. Und das werdet ihr auch noch begreifen..." fügte ich hinzu und lächelte. „Lasst uns die letzten 2 Tage noch genießen und dann könnt ihr in euren Sorgen versinken." sagte plötzlich die Stimme von Hailey und ich drehte mich zu ihr um. Sie schenkte mir ein Lächeln und ich grinste zurück. „Hailey und ich gehen heute übrigens zusammen Ski fahren. Wer kommt mit?" fragte ich in die Runde. „Ich komme mit. Ich kann ja nicht nur beim Snowboard fahren bleiben." sagte Rye und grinste leicht. „Ich komme nicht mit. Jack und ich bauen einen Schneemann." sagte Andy und errötete leicht. „Okay...Was ist mit dir Mikey?" fragte Hailey. „Ich komm mit." erwiderte er. „Gut, dann lasst uns direkt um 13 Uhr rüber gehen. Also in 30 Minuten." schlug ich vor und alle nickten zustimmend. „Ich schreibe eben Sina an... Sie will bestimmt auch mit." sagte Hailey und zückte ihr Handy.