Legend ~ High Queen {Band I}

5|CHAPTER FIVE

Ich wusste nicht genau wie lange wir hier saßen, doch als ich Tajanas Schriftrolle beiseitelegte, wurde der Himmel draußen bereits orange gefärbt. Joel war schon etwas länger fertig gewesen. Er ging also die ganze Zeit durch sämtliche Gänge und durchforstete die Regale nach weiteren nützlichen Dokumenten, schien aber nichts zu finden.

„Bist du fertig?" Joel kam aus einem der Gänge weiter vorne und setzte sich wieder zu mir an den Tisch. Auf seine Frage nickte ich als Antwort. „Aber wirklich was Neues konnte ich nicht finden."
„Über was hat sie denn geschrieben?"

„Tajanas Patient war ein sehr enger Freund von ihr, den sie schon ihr Leben lang gekannt hat. Aber er hatte keine magischen Fähigkeiten und die ersten Symptome kamen schlagartig von einen auf den nächsten Tag: Fieber, Schüttelfrost, erkaltende Haut. Nur eines war hier anders." Ich tippte leicht mit einem Finger auf die alte Schriftrolle. „Er starb nicht wegen eines gefrorenen Herzens, er ertrank." Der Heiler neben mir zog die Brauen hoch. „Er ertrank?" Ich nickte. „Ihre Worte."

„Wie kam es dazu?" Ich senkte den Blick auf den Tisch und atmete aus. „Es war in einer Nacht, als sie von einem Husten und Würgen geweckt wurde. Als Tajana dann zu ihrem Freund kam, sah sie wie sich Wasser ohne Ende aus seinem Mund ergoss. Sie wollte ihm helfen, konnte aber nichts tun. Selbst der Wassermagier den sie geholt hatte, konnte nichts tun. Und so starb er." Joel verengte die grünen Augen. „Jedoch hilft uns das auch nicht weiter." Er stützte seinen Kopf auf seine Hände. „Es muss doch irgendwas geben." Für einen kurzen Moment war es wieder still in der Bibliothek. „Ich werde nochmal mit den anderen Grünmagiern reden, vielleicht hat irgendwer ja etwas herausgefunden."

„Wie?", verdutzt sah ich ihn an. „Du willst Balbonja verlassen?"
„Wie sonst soll ich mit ihnen reden, Alexis?" Mit plötzlich müden Augen sah er mich wieder an. „Und was wird aus Kuro? Wenn er stirbt?" Joel schüttelte langsam den Kopf. „Ihm wird nichts passieren Alexis. Fiona und Larissa werden sich um ihn kümmern. Sie sind beide Grünmagier, so wie ich. Sie können genauso viel für Kuro tun, wie auch ich."

„Aber –" „Nein, Alexis. Ich werde das mit Aaron und Lakeisha absprechen, und dann noch vor Aufgang der ersten Sonne aufbrechen." Ich wollte noch was sagen, aber es verließ kein Laut meinen Mund. Deshalb wandte ich das Gesicht ab und starrte auf das dunkle Holz des Tisches. Noch im selben Augenblick legte sich eine Hand auf meinen Unterarm.

„Du willst diese Krankheit doch auch endlich loswerden. Und das ist die beste Möglichkeit. Du verstehst das, oder nicht?"

„Doch, schon.", sagte ich leise. Er nahm seine Hand wieder von meinem Arm. Das Geräusch eines Stuhles auf dem Boden bestätigte, dass er aufstand. „Ich werde in einem Mond wieder zurück sein. Hoffentlich mit einer Lösung.", fügte er leise hinzu. Dann entfernten sich seine Schritte, die Tür wurde geöffnet, und dann war ich allein.

×××

Joel brach tatsächlich noch vor Sonnenaufgang auf, um die Grünmagier Adaons aufzusuchen. Ich war zugegeben überrascht, dass Aaron ihn hatte gehen lassen, seinen besten Grünmagier. Zur Sicherheit hatte der König ein paar Makari und Maori der roten Garde mitreiten lassen. Unter ihnen war auch Athalia, und so würde ich diesen Mond wohl oder übel allein sein. Ich konnte zwar noch mit Ostara trainieren, aber das war nicht das gleiche. Doch kaum hatte er die Stadt verlassen, begann ich eine Enge in meiner Brust zu spüren, die sich über all die Tage hielt und auch nicht abschwächte.

Es vergingen die ersten Tage, in denen Joel nicht in der Hauptstadt war. Fiona und Larissa hatten die Heilung Kuros übernommen, und ich verbrachte regelmäßig Zeit in der Bibliothek des Palastes. Es waren etliche Schriftrollen und Bücher gewesen, die ich durchforstet hatte. Doch es waren tatsächlich nur die zwei Schriftrollen und die Bücher gewesen, in denen meine Krankheit auch nur erwähnt wurde. Sie war somit seltener als ich zuerst angenommen hatte, vor allem da der letzte Vorfall vor zweihundertfünfzig Yael gewesen war.