Ich hörte lachen, ich hörte weinen.
Ich vernahm Schreie, ich vernahm Gebete, ich vernahm Schweigen.
Ich erfasste Dunkelheit, ich erfasste Helligkeit.
Ich spürte Schmerzen, ich spürte nichts.
Ich sah Bekannte, ich sah Fremde, ich sah Freunde.
Und die ganze Zeit wollte ich nichts anderes als hier raus.Doch dann folgten die nächsten Gefühle und ließen meinen Atem stocken. Es waren zu viele Bilder, um alle erfassen zu können.
Ich war zu langsam.
Um mich herum wurde es heiß, dann plötzlich eiskalt. Ich schwitzte, dann zitterte ich.
Es war Folter.Erst konnte ich es bloß hören, wodurch sich mein Herz zusammenzog, bevor die Bilder verblassten und die Anspannung schwand. Doch schon folgten die eigenen Gefühle, die eigenen Empfindungen und Schmerzen, welche mich so sehr leiden ließen, dass ich nur noch wegwollte.
Weg.
Für immer.
Ich wusste nicht wieso es nicht endlich ein Ende nahm.
Ich wusste überhaupt gar nichts mehr.
Weder wusste ich, wie ich hierhergekommen war, noch, was all das hier sollte.
Manchmal sah ich nur Gesichter, dann wiederrum ganze Szenarien, die sich mal verschwommen, mal klar vor mir abzeichneten.Es schien als wäre ich dabei als Hira zum ersten Mal die Stimme gegen Mutter und Vater erhob.
Es war als würde ich immer noch neben Lias liegen, der nur wollte, dass ich endlich schlief.
Wieso konnte ich nicht einschlafen?
Warum waren meine Wangen feucht?
Warum bekam ich kein Wort über die Lippen?Ich sah Blut, dann Schmerzen und Trauer in den Augen anderer.
Es waren so viele.
Aber wieso konnte ich nicht sprechen?
Und warum hörte ich mich selbst mit meinem Bruder reden?
Dumpfe Schmerzen rasten durch meinen Brustkorb und machten es mir binnen eines Herzschlages fast unmöglich zu atmen.
Ich wollte schreien.Stimmen redeten auf mich ein, viele Stimmen.
Wie viele Stimmen waren es?
Das nächste Bild blitzte vor meinen Augen, die jetzt panisch hin und her schossen, auf der Suche nach einem Ausweg.
Aber es gab keinen Ausweg.
Ich wollte schreien, aber es blieb mir verwehrt.„Beruhige dich Alexis, beruhige dich, wir sind da." Wer hatte gesprochen? Ich sah mich um, wirbelte herum, sah aber nur Schwarz.
Ich wollte rennen.
Ich rannte.
Wieso konnte ich rennen?Ich schrie, schrie jemanden an der hinter mir her war.
Dabei schrie ich gar nicht.
Ich hörte wieder meine Stimme, die nicht wirklich von mir kam.
Aber ich rannte.
Ich rannte vor etwas weg.
Nur was sollte das sein?
Vor was lief ich weg?
Plötzlich und ohne Vorwarnung fühlte es sich so an als würde meine Lunge zusammengequetscht.
Ich viel ungebremst keuchend zu Boden, als ein neues Bild hell wurde und mir die Tränen in die Augen trieb.
Mein Körper zuckte.
Dann sah ich Wiesen, sah Kerker und Ketten und spürte nichts als Schmerzen - im Herz und im ganzen Körper.
Es fühlte sich an als würde ich brennen, als würde ich in Flammen aufgehen und verbrennen.
Aber das war unmöglich.
Oder?
Konnte ich verbrennen?„Wir müssen ihr helfen!" Ein neues Bild. Eine Patrouille die um mich herum stand. Einer sah mich voller Mitgefühl an.
Dann war alles wieder schwarz.
Was war all das?
Woher kamen diese Bilder, diese Stimmen?‚Holt mich hier raus! Wieso hilft mir denn keiner!' Worte, die ich so gerne mit aller Kraft einfach rausschreien wollte, aber nicht konnte.
Ich schaffte es mich so weit aufzurappeln, dass ich nun kniete, meine Hände hob und mit tränenden Augen auf sie hinabstarrte.
Panik ließ mein Herz so schnell schlagen, dass es meine Rippen brechen könnte.
Nein, nein!Ich fiel nach vorne, stützte mich ab und begann so schnell zu rennen wie es meine müden Beine zuließen.
Mir tat auf einmal jeder Muskel weh während ich mich langsam immer weiter verlor.
Meine Hände begannen sich in den unendlichen Schatten aufzulösen.
Dann meine Füße.
Meine Beine.
Doch ich rannte.
Ich rannte und schrie.
Ich schrie innerlich.
Ich rannte während ich mich langsam begann in den Schatten zu verlieren.
Ich verlor immer mehr meiner selbst und spürte mir die kalte nackte Panik im Nacken sitzen.
Meine Haut kribbelte und ich wusste nicht was hier eigentlich passierte.
Ich wusste nur, dass ich vor etwas Großem, etwas Dunklem davonrannte. Ja, ich rannte um mein Leben.
Aber was war das hinter mir?
Ich wollte den Kopf drehen, schaffte es aber nicht.
Es war, als würde ich von etwas abgehalten werden hinter mich zu schauen.
Bloß wusste ich nicht was oder wer mich abhielt.
Also rannte ich weiter.
Ich lief bis meine Lungen brannten, bis ich kaum noch atmen konnte und mein Herz beinahe zum Stillstand kam
Ich musste anhalten, aber ich lief weiter.
Zu groß war die Angst vor dem was hinter mir her war.
Dessen Atem ich fast schon auf meiner kalten Haut spüren konnte.Auf einmal wurde mir wieder unendlich heiß, doch schon wenig später schlug mich eisige Kälte gnadenlos nieder.
Ich schaffte es nicht mehr mich zu kontrollieren.
Wie eine leblose Puppe die fallen gelassen wurde klappte ich in mir zusammen und schnappte nach Luft.
Ich krümmte mich, wollte aber weiter.
Nein.
Ich wollte nicht, ich musste.
Ich wollte kriechen, mich weiter vorziehen, als ich anfing unkontrolliert zu zucken.
Ich schnappte nach Luft, befürchtete zu ersticken.
Was geschah nur mit mir?„Lauf nicht weiter davor weg." Eine fremde Stimme, die doch so ruhig war, dass ich mich fast mit ihr mitreißen ließ.
Ein Chor aus Stimmen explodierte noch im gleichen Herzschlag.
„NEIN! LAUF! LAUF DAVOR WEG! DREH DICH NICHT UM, LAUF! LAUF!" Sie schrien mich an, befahlen mir aufzustehen, weiterzulaufen, weg zu laufen vor dem was hinter mir war.
Dicht hinter mir.
Es holte immer weiter auf.
Meine Arme zitterten viel zu stark als ich mich keuchend und weinend aufrappelte. Immer mehr meines Ichs verschwand unwiderruflich in der Schwärze.„Lauf nicht weg."
„Hör nicht darauf!"
„Ich werde dich beschützen, dir eine neue Welt zeigen."
„RENN!" Und ich rannte.
Ich stolperte, viel zu oft.
Alles tat weh.
Und der Drang wuchs an. Er wurde größer, mächtiger, rollte über mich wie eine riesige Welle und nahm mir die Luft zum Atmen.
Was war da hinter mir?
Ich wurde immer langsamer, wurde immer lauter von den vielen Stimmen um mich herum angeschrien.„Sieh nicht nach hinten!"
„Lauf weiter! Lauf doch! Lauf!"
Bis der Augenblick kam, in denen sie auf einmal an Kraft verloren.
Es war als würde sich etwas zwischen sie und mich stellen, bis ich sie nur noch als fernes Geschrei vernahm.Dann wurde es immer kälter.
Es wurde immer schneller kälter, als ich ein Schreien hörte. Nicht so laut wie die Stimmen zuvor, doch sie traf von vorne auf mich und es war als würde ich von einer Wand getroffen. Es hörte sich an wie ein heiserer Schrei, der hinter mir irgendwann verklang.
Stattdessen traf mich ein ruckartiger Windstoß von hinten und ließ mich beinahe wieder fallen.
Ich wehrte mich mit letzter Kraft.
Dann schloss ich die Augen, drehte mich um.
Ich erstarrte.
Auf einmal wünschte ich auf die Stimmen gehört zu haben.Was auch immer es war, es war riesig, gigantisch.
Es war so schwarz, dass es sich sogar vom Rest der Schwärze abgrenzte.
Ein Wesen so groß, dass ich den Kopf in den Nacken legen musste.
Ein Wesen, das von Nebelschwaden umgeben war, die sich unklar abzeichneten.
Runde, weißglühende Augen schienen unentwegt auf mich hinab zu starren.
Ein Maul, lang und groß, offenstehend, gespickt mit langen unendlich scharfen Zähnen, bereit sie Fleisch zu rammen, bereit zu töten.
Hände, mit langen dünnen, knochigen Fingern, gebogen und mit langen spitzen Krallen.Die Gefühle, die in diesem Moment auf mich einstürzten, waren unvergleichbar mit allem was davor war.
Trauer und Wut.
Glückseligkeit und Freude.
Angst und Panik.
Kälte und Hitze.
Schmerz und Wärme.
Aber schneller als ich es realisierte übernahm eine unbekannte Kälte alles und ließ alles verstummen.
Ich hörte nur noch meinen rauen hektischen Atem.
Sah nur noch das Monster.
Spürte nicht das kleinste Gefühl, nicht die kleinste Empfindung.
Als das Glimmen in meinem Bauch begann zu funken.
Und sich das Monster auf mich stürzte.
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Legend ~ High Queen {Band I}
Fantasy"Steigst du zu einer Legende auf, wird man dich nie wieder vergessen." "Im Bann der Elemente neigt man oft zu Dingen, die man sonst niemals getan hätte. Sie können ein Teil von uns werden, oder uns komplett einnehmen, und es liegt nicht einmal an un...