55|CHAPTER FIFTY-FIVE|Joel

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Der Sonnenaufgang war hier anders als in Adaon. Man sah vielleicht nicht die Wüste, hier vom Palast aus, und trotzdem ließ sie alles heller wirken. Die weißen Fassaden der edlen Anwesen schimmerten in den Sonnen und blendeten dennoch nicht.
Und dann waren da noch die Bewohner.

Wir waren bereits einen Tag hier, ich konnte also noch nicht viel angucken, aber der Ritt durch die Straßen bei unserer Ankunft hatte genügt.
Salanon mochte vielleicht vor tausenden Yael von den Landkarten verschwunden sein, aber sie waren in all der Zeit noch mehr aufgeblüht.
In den Schriftrollen der alten Legenden gab es sogar Zeichnungen von dieser Stadt – Yanille: von den großen Anwesen, dem Palast und vielem mehr. In all der Zeit hatten sie keinen Krieg fürchten müssen, oder Angriffe oder sonstiges. Sie hatten es geschafft alle Eindringlinge dingfest zu machen. Was dann mit ihnen passierte wusste ich allerdings nicht.

Und jetzt stand ich wieder hier, am großen Schreibtisch in Alexis' Gemach und studierte die Schriften zusammen mit den beiden Heilerinnen.
Wir hatten schon gestern den ersten Versuch gestartet. Ich hatte zusammen mit Fiona versucht das Eis zurückgehen zu lassen, was aber nur kurz geholfen hatte. Sie hatte es nicht einmal geschafft sie aufzuwecken.
„Irgendwas müssen wir übersehen haben." Es war immer noch merkwürdig Zaor in der gleichen Sprache sprechen zu hören. Jeder hier sprach flüssiger, eleganter. Man musste ihnen automatisch zuhören.
Dabei entsprang unsere Sprache sogar aus Salanon.
„Das kann natürlich sein, aber wir haben auch noch viel vor uns." Damit deutete ich auf die Schriftrollen vor uns. Zwei von ihnen lagen ausgerollt vor uns. Wir hatten auch die anderen Heiler mit einbezogen, um mit dem lesen schneller voranzukommen.

Fiona hatte ihren Kopf zu der jungen Prinzessin gedreht und musterte sie jetzt mit einer Menge Mitgefühl in den gelbgrünen Augen.
„Ihre Aura ist schwach, kaum noch vorhanden." Sie stieß die Luft aus, entfernte sich vom Schreibtisch und ging sich durch die langen blonden Haare. Die Blondine überbrückte den Abstand zum Bett der Prinzessin und kniete sich auf den Boden vor ihr. Fiona streckte eine Hand aus und legte sie ihr auf den linken Arm, als es unter der Haut ihrer Hand anfing hellblau zu schimmern. Dieses Glimmen ging auf Alexis' Arm über und pulsierte dann unter ihrer Haut wie das Blut in unseren Adern. Ich spürte wie mein Herz einen gewaltigen Satz machte, als das pulsierende Blau immer dunkler wurde, bis es beinahe Schwarz wirkte. Und all das schien nun praktisch unter Fionas Haut gesogen zu werden. Diese begann das Gesicht zu verziehen, während sie versuchte Alexis nicht mit ihren zuckenden Fingern zu verletzen.

„Fiona!" Ich kam schnell zu ihr, als sie das Gesicht verzog und ihr Körper sich anspannte. Ich fasste sie unter den Armen, kniete mich hinter sie, um zu verhindern, dass sie zur Seite kippte. Ich spürte wie Zaor uns beobachtete, achtete aber nicht groß auf sie.
„Wie oft habe ich gesagt du sollst es bedachter angehen?" Ich hörte ihren Atem bevor sie zur Antwort ansetzte.
„Aber sie hat so ... sie leidet Schmerzen, Joel. Ich musste es tun."
Ich seufzte und küsste sie auf den Scheitel. Fionas Versuche anderen ihre Schmerzen zu nehmen, wurden mit jedem Mal risikoreicher, denn all diese aufgenommenen Schmerzen konnte sie nicht wieder loswerden. Deshalb ließ ich es sie, wenn überhaupt, nur im äußersten Notfall machen, um sie zu schonen, zu schützen.

Ihre Gabe war selten und nützlich, ja, aber auch mit der Gefahr verbunden, an den Schmerzen anderer zu sterben. Und jetzt gerade schien sie ziemlich überfordert zu sein.
„Ich will ihr helfen." Sie verstummte und zog meinen Arm enger um sich, als ich spürte wie sie bebte.
„Wir werden ihr helfen."
„Aber auch schnell genug?"
Ja, werden wir es rechtzeitig schaffen? Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als ich zu Alexis sah.

Das Eis war weiter fortgeschritten als damals, als Athalia zu mir gebracht hatte. Und unser Wissen jetzt war sogar noch schlimmer als die Ahnungslosigkeit der anderen.
Alexis war krank, sehr krank, und ihre Krankheit war schon sehr weit fortgeschritten, das Eis würde bald ihren Kiefer erreichen. Das Knirschen ihres Herzens war mittlerweile nicht mehr nur ein Knirschen, sondern ein stetiges Knacken.
Die anderen wussten es vielleicht noch nicht, aber die Prinzessin lag bereits im Sterben. Und dieses Wissen hatte uns in der Nacht nicht ein Auge zumachen lassen. Stattdessen waren wir hierhergekommen, um weiter nach einer Lösung zu suchen.
In den nächsten Tagen würde Fionas Bedürfnis Alexis den Schmerz zu nehmen stärker werden, bis sie sich im schlimmsten Fall dadurch selbst das Leben nahm.

„Wir werden ihr helfen.", flüsterte ich an ihr Ohr und küsste sie ein weiteres Mal auf den Scheitel.
„Wir werden ihr helfen."

×××

Mit dem Sonnenuntergang kam die Dunkelheit und mit der Dunkelheit die nagende Angst, sie könnte sie nicht überleben.

Ich hatte Fiona aus dem Palast bringen wollen, um etwas Abstand zu schaffen von diesem Druck, doch sie hatte sich geweigert und ich wollte sie nicht zwingen.

So saßen wir jetzt auf dem großen Balkon, die Tür geschlossen und mit dem seichten Wind in den Gesichtern.
Zaor war erst kurze Zeit zuvor gegangen und hatte uns somit zum ersten Mal die Verantwortung über sie überlassen.
Ich musste schon zugeben, dass mein Herz etwas höherschlug.
Sie war jetzt nicht mehr nur ein krankes Mädchen – bei Alexis handelte es sich jetzt um ein Mitglied der Dynastie dieses Königreiches. Jeder Fehler könnte verheerende Folgen für uns mit sich ziehen.
Wenigstens hatten wir eine erste Möglichkeit gefunden uns etwas mehr Zeit zu verschaffen. Zumindest hofften wir das.

Zaor und ich hatten eine Möglichkeit gefunden, unsere Fähigkeiten soweit miteinander zu kombinieren, dass wir es geschafft hatten, Alexis Atem zu stabilisieren. Aber das würde uns vielleicht noch ein paar Tage etwas bringen, bevor auch das ohne Nutzen für uns wäre.
Soweit ich wusste war Zaor mit Marah dabei einige Tinkturen zu mischen, die ich damals schon in Adaon benutzt hatte. Ich hoffte dass sie etwas helfen würden, vielleicht sogar so gut wie damals.
Aber um das feststellen zu können, müsste Alexis die Augen aufmachen und aufwachen. Erst dann hätten wir die erste handfeste Bestätigung eines kleinen Erfolges, denn es würde nicht lange dauern, bevor sie wieder das Bewusstsein verlieren würde. Und danach würde das Eis schneller fortschreiten als zuvor.
Als ich den Blick irgendwann hob, erfassten meine Augen sofort Fiona, die neben mir am Geländer stand.

Sie trug ein blattgrünes, leichtes Kleid, welches vom Wind sanft gegen ihre Beine gedrückt wurde. Es hatte schmale Träger und einen weiten Ausschnitt. So sah man ihre goldene Kette sehr gut, die im letzten Licht der Sonnen funkelte. An der Kette waren acht reinweiße Perlen aus Lijepo, einem Königreich in Breena. Ich hatte sie auf dem Markt in Balbonja gesehen, kurz bevor ich mit ihr zusammengekommen war. Fiona liebte Perlen. Ich hätte ihr auch nur eine einzige schenken müssen und sie wäre mir um den Hals gefallen.
Seitdem ich ihr die Kette geschenkt hatte, trug sie sie jeden Tag. Entweder um ihr rechtes Handgelenk, wo sie es dann mehrere Male drumwickelte, oder eben um den Hals.
Ich schaffte es in diesem Moment nicht mehr meine Augen von ihr zu nehmen. Sie war die Frau meiner Träume seitdem ich sie kannte. Mit ihren langen blonden Haaren, den feinen Gesichtszügen, den hohen Wangenknochen und ihren Augen schaffte sie es mir immer wieder aufs Neue den Kopf zu verdrehen. Fiona war nicht nur wunderschön, auch schlau, herzensgut und allseits glücklich.
Den Kranken zuhause schaffte sie es immer aufzumuntern. Man sah das Strahlen in ihrem Gesicht, das sich auch auf die Gesichter anderer übertrug.

Um so schmerzhafter war es jetzt zu sehen, wie ihr Gesicht von Sorgen um das Mädchen zerfressen wurde.
Es war als würde sie ihre Befürchtungen nicht länger verstecken, sondern sie der Welt zeigen. Gegenüber anderen meinte sie bloß nachzudenken, aber ich kannte sie zu gut, als dass ich auf sowas reinfallen würde.
„Alles in Ordnung?" Ich schreckte auf als ich auf einmal Fionas Stimme vernahm. ich sah auf sie hinab, wie sie mich aus ihren grünen Augen ansah.
Ich nickte bloß, anstatt ihr eine vernünftige Antwort zu geben. Fiona musterte mein Gesicht noch für einen Augenblick, bevor sie ihre Arme einfach um mich legte und mich umarmte. Ich erwiderte ihre Geste und spürte die aufkeimende Wärme tief in mir. Ich konnte nicht anders, als mein Gesicht in ihrer Halsbeuge zu vergraben und ihren leichten Duft einzuatmen.
Wo wäre ich heute ohne sie?
„Ich liebe dich Fiona.", flüsterte ich leise, löste mich soweit von ihr, dass ich ihr in die Augen gucken konnte. „Ich wüsste nicht wo ich heute ohne dich wäre." Ein ehrliches Lächeln huschte über ihre weichen Lippen.
„Joel ..." Aber mehr konnte sie nicht mehr sagen, denn ich zog sie zu mir und vereine unsere Lippen langsam.

Joel is back!
Was haltet ihr von dem Kapitel? Ich habe es drei Mal neu geschrieben und bin noch immer nicht zufrieden.
Und danke für die vielen neuen reads und votes.
Ich schätze das ungemein wert und alles davon spornt mich weiter an zu schreiben.
Ich konnte dadurch sogar meine Schreibblockade überwinden.
Danke auf jeden Fall für all das und wir sehen uns im nächsten Kapitel^^

Außerdem ist es ja interessant zu wissen, dass wir jetzt 5 Wochen "Corona-Ferien" haben.
Wer ist noch davon betroffen und was haltet ihr davon?
Findet ihr es gut oder schlecht? Gehört zu den 10.Klässlern oder Abiturienten die jetzt noch 5 Wochen Zeit zum lernen haben, oder die eben zusehen müssen in den Wochen genug Stoff durchzubekommen?

xoxo
Ash

Legend ~ High Queen {Band I}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt