65|CHAPTER SIXTY-FIVE

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Die Seeploner in Yanille zu haben fühlte mich merkwürdig und ungewohnt an. Ich hatte mich mittlerweile vollkommen daran gewöhnt niemanden aus anderen Reichen zu sehen, und dann kam sowas.
Mutter, aber vor allem Vater und Lias, beschäftigten sich viel mit Isaac und zwei seiner Makari. Selbst Kohr wurde immer häufiger hinzugezogen, und das nervte mich ungemein.
Nach dem Training freute ich mich ihn zu sehen, abends freute ich mich ihn zu sehen, aber jetzt war er den ganzen lieben langen Tag mit den Kriegsplanungen oder mit seinen Makari beschäftigt. Auch Landon hatte man voll mit einbezogen. Ich wollte nicht wissen was für Stress sie alle momentan ertragen mussten. Mit Nico und Collin kam ich seit Isaacs Ankunft häufiger zusammen. Wir verbrachten noch immer zu wenig Zeit zusammen, aber unsere Pflichten gingen nun mal vor, das wusste jeder von uns nur zu gut. Schon in Kindertagen wurde uns die Wichtigkeit unserer Pflichten eingetrichtert. Hira hatte es gehasst immer so herumkommandiert zu werden und sie begann früh Widerspruch einzulegen. Ich dagegen hatte es über mich ergehen lassen und hatte getan was unsere Eltern von uns verlangten, wann und was war da eigentlich egal gewesen.
Und zu meinen Pflichten wurde seit heute scheinbar auch die Kriegsplanung gezählt.

×××

Mit Lon und Jasper in meinem Gefolge kam ich in den Kartensaal. Ein riesiger Tisch aus Marmor befand sich genau in der Mitte und füllte den Raum fast gänzlich aus.
Auf diesem Tisch befand sich die aktuellste Karte Kaleidons über die wir verfügten. An der Wand links gab es einen breiten und hohen Bogen, der einem erlaubte in das Kartenlager zu treten, in dem sich laut meinem Stand alle möglichen Karten befanden. Nicht nur von Kaleidon und dessen Königreichen, sondern auch von den anderen Kontinenten.

Vater und Lias waren aber nicht allein. Kohr war auch anwesend, sowie der seeplonische König, zwei seiner Leibwachen und jemand den ich noch nicht kennengelernt hatte.
Sie unterbrachen ihr Gespräch als ich eintrat und kurz einen Knicks vollführte, wie man ihn mir beigebracht hatte.
„Vater." Ich kam zu ihm und stellte mich zwischen ihn und Kohr zu seiner rechten. Lias stand auf Vaters anderer Seite und betrachtete den Flecken der Karte, der Balbonja, Adaons Hauptstadt, zeigte.
Es waren Straßen, Flüsse, Häuser, der Hafen und vieles weitere zu sehen, auch der Standpunkt des Palastes, der direkt im Herzen der riesigen und noch immer wachsenden Stadt lag.

„Was gibt es?" Ich hob den Kopf und ließ meine Augen über jeden hier anwesenden gleiten.
„Wir brauchen deine Kenntnis über die Stadt, und am besten auch den Palast.", erklärte Kohr und begegnete meinem Blick unerschrocken.
Ich zögerte. Die Familie geht vor, mein Volk geht vor. Aaron hat mich doch nur als eine Waffe gegen Seeplon gesehen. Er sah nie etwas anderes in mir.
„Was braucht ihr?"
„Die besten Wege, um unbemerkt in die Stadt zu kommen, wäre ein Anfang." Doch kaum hatte Isaac das ausgesprochen, musste ich ein Lachen unterdrücken, wodurch ich mir einen kritischen Blick Vaters einhandelte. Ich räusperte mich schnell.

„Tut mir leid, aber solche Wege existieren in Balbonja nicht. Die Mauer ist so gut bewacht wie selten etwas anderes. Die Patrouillen nehmen immer verschiedene und doch gleiche Wege und nicht einmal ich bin irgendwie durch den Plan durchgestiegen, wann welche Patrouille wie wo lang geht und mit wie vielen sie unterwegs sind. Ghaales, der Gardemeister, macht ganze Arbeit. Er hat die seltene Gabe Sicherheitslücken sehr schnell zu bemerken. Und Rabons Makari sind allzeit kampfbereit. Man könnte sie nachts im Schlaf überraschen und sie würden dem Tod noch immer entkommen können." Ich wiegte den Kopf hin und her. „Zumindest die besten." Daraufhin musterten die Männer die Stadt noch einmal, Kohr und Lias mit angespannten Kiefern. Vater und Isaac, und auch der Fremde, ließen sich nichts anmerken. Ich streckte daraufhin den Arm und fuhr mit dem Finger einige Flüsse nach, die ihre Bahnen durch Balbonja machten.

„Die beste Möglichkeit liegt bei den Flüssen und der Norden." Ich zeichnete die nördlichste Grenze Adaons nach. „Picuma und Adaon sind nicht verfeindet und Aaron hat auch keinen Keil zwischen sich und König Lepers gejagt, weshalb er auch nicht die Notwendigkeit darin sieht diese Grenze, besonders im Norden, wie die zu Hyderon zu überwachen. Ein weiterer guter Punkt wäre die Grenze zu Salumin. Aber wir müssten eine große Strecke durch das ganze Reich zurücklegen. Und wenn wir dann ankommen, steht uns bereits ihre gesamte Streitkraft gegenüber."
„Seit unserem letzten Kampf hat der Malckech doch tatsächlich was verändert." Ich wusste nicht was Isaac da gerade von sich gegeben hatte, doch der etwas ältere Mann neben ihm gluckste leise.
„Wart Ihr nicht erst vor kurzem gegen Adaon im Kampf, oder Krieg?" Isaac hob den Kopf und sah mich an.
„Nein. Es ist schon ein paar Yael her. Das einzige was vor kurzer Zeit passierte, war ein kleiner Überfall auf das Schatzkämmerchen am Hidder." Ich nickte, mehr oder weniger verstehend.
Der Hidder war der breiteste und größte Fluss, der vom Meer aus direkt durch Balbonja seine Ufer führte. Er wurde zum absoluten Großteil für die Schiffe benutzt. Für die größten Schiffe die es überhaupt gab.
„Der Hidder ist der beste Fluss für einen Angriff. Viel Schifffahrt und sehr, sehr große Schiffe. Damit würden wir am einfachsten in die Stadt kommen – wenn wir so tun als würden wir Waren abgeben wollen."
„Und wenn sie es bemerken? Dass etwas nicht stimmt? Aarons Wasserbändiger und -magier sind stark. Unsere sind knapp besser, aber nicht gut genug, um eine gebündelte Abwehr zum Scheitern zu bringen.", brachte Isaac ein, woraufhin Kohr abwinkte.
„Wir haben eine Hochmagierin auf unserer Seite. Sie wird es mit den anderen Wassermagiern schon geregelt bekommen. Und außerdem haben wir Alexis, mit der sie mit Glück nicht rechnen werden." Kohr und ich tauschten einen kurzen Seitenblick, während Isaac nun zu Ulysees hinübersah.
„Ihr habt eine Hochmagierin? Die sechste Hochmagierin?" Man hörte deutlich seinen Unglauben. Hochmagier waren mehr als nur rar. Es hatte bisher nur einmal zwei Hochmagier auf einmal gegeben, und das waren Zwillinge vor langer, langer Zeit. Vor Äonen. Wenn auch eine nennenswerte Weile nach Ashen.
„Sirél, ja. Sie bildet Alexis mit aus." Daraufhin war der jüngere König erst einmal still und starrte auf Balbonja.

Das Gespräch hatte sich noch ordentlich in die Länge gezogen, sodass ich erst wieder kurz vor Sonnenuntergang freigelassen wurde.
Vater und Isaac hatten wirklich alles wissen wollen; ob es Wege gab unbemerkt in den Palast zu kommen, welche Schwachstellen die Akademie aufwies, wo sich die Akademie der Magier befand, wie groß die Entfernungen zwischen den wichtigsten Orten waren oder wie hoch die Stadtmauer war, wie groß der Wald der Balbonja wie ein Gürtel umgab.
Ich hatte alle Fragen so gut wie möglich beantwortet, obwohl mich diese leise Stimme in meinen Gedanken davon hatte abhalten wollen. Balbonja war lange meine Heimat gewesen, man hatte mich bleiben lassen und sich um mich gesorgt. Wiederrum hatte ich meine Familie endlich gefunden, hatte den Ort gefunden, wo ich wirklich hingehörte.
Für diese Menschen hier musste ich kämpfen, und für diese Familie würde ich für den Rest meines Lebens stehen.

×××

Ich saß am späten Abend noch allein an der Schlucht. Jasper und Lon, noch immer meine festen Leibwachen, waren bei mir. Lon hatte sich neben mir niedergelassen und Jasper hatte sich am Abgrund etwas vorgelehnt um die tiefliegenden Felsen zu begutachtet, nahm ich zumindest an.

„Wir werden also bald in den Krieg ziehen?" Ich wusste, dass es keine Frage war, als sich Lon an mich wandte und sich mit den Händen hinter sich abstützte.
„Exakt." Ich seufzte. Unsere Leibwachen waren zum Ende der Besprechung rausgeschickt worden. Sie wussten also nicht alles, wenn auch viel.
„Schon sehr bald. Das Heer ist einsatzbereit und die meisten Wunden verheilt. Vater will es nicht weiter hinauszögern und Isaac ..." Ich blies die Luft raus. „Isaac will Aaron schon lange am Boden sehen."

„Isaac." Jasper kam zu uns zurück und stellte sich vor uns. „Er erweckt nicht gerade mein Vertrauen." Er verschränkte die kräftigen Arme und sah mich an. „Vertraust du ihm?"
„Wenn ich es tun würde, wäre ich eine Närrin. Wir werden ihn, besonders nach dem Kampf, im Auge behalten müssen. Es liegt in Isaacs Familie sich unschuldig zu stellen, bis sie irgendwann zuschlagen und dabei jedes Risiko ohne Umschweife mitnehmen."
„Verluste machen ihnen nichts?" Lon runzelte die Stirn und wechselte mit Jasper einen Blick. Ich schüttelte wieder den Kopf. „Nein."
„Das macht sie gefährlich."
„Und wenn schon. Isaacs Heer ist noch kleiner als das von Aaron, und der hat schon beim ersten Mal gegen uns verloren. Wenn er sich gegen uns erhebt, wird er keinen Spaß dabei haben und diese Verluste werden sogar an ihm kratzen." Ich sprach mit entschlossener Stimme und bemerkte wie die beiden langsam überzeugt wirkten. „Ich vertraue fest darauf, dass wir sie alle schlagen werden." Daraufhin verfielen wir in ein Schweigen und ich widmete mich dem Wind, der meine halboffenen Haare leicht gegen meinen Nacken drückte. Schon bald wurde ich mir der Masse an Luft in mir immer bewusster und nahm die leichten Windströme um uns herum wahr, sodass ich sie erfassen und umlenken konnte, so wie Nolan es mir mittlerweile beigebracht hatte. Es fiel mir mit jedem Mal leichter und es ging mir besser von der Hand. Auch mein Feuer profitierte davon. Der Wind brachte auch Ruhe mit sich, die sich immer irgendwo in mir befand. Während der Besprechung hätte sich meine Haut heute bestimmt erhitzt, doch durch diese Ruhe hatte ich es verhindern können. Aber auch eine gewisse Feinfühligkeit für die beiden Elemente hatte sich mittlerweile entwickelt, die Sirél weiter schürte. Die beiden Magier waren erstklassige Mentoren und taten alles mir das Training zu erleichtern. Sie erkundigten sich ausgiebig bevor sie mir ihre Erfahrungen so mitteilten, dass ich es auf mein Feuer anwenden konnte. Und teilweise tauschte ich mich auch mit Lon und Jasper aus, die mir durchaus auch helfen konnten. Ihre Fähigkeiten unterschieden sich zwar fast grundlegend von den unseren, aber dennoch gab es besonders bei uns einige Parallelen. Denn auch sie mussten immer eine gewisse Kontrolle besitzen, damit sich ihre Fähigkeiten nicht selbstständig machten. Gewisse Gefühle durften sie nicht gänzlich über sich kommen lassen, besonders die Wut. Lon sagte, dass Wut das weitaus gefährlichste war, denn die Wut trieb Menschen zu unvorstellbaren Taten, und die Wut verkörperte in gewisser Weise das Feuer – heiß, zerstörerisch und unaufhaltsam.
Aber genau sowas würde uns im bevorstehenden Kampf nützlich sein, um Aaron endgültig in die Knie zu zwingen.


Sorry für das verspätete Kapitel, aber ich hatte eine Schreibblockade.
Und High Queen hat es heute auf die Startseite geschafft!
Danke für alles! Wirklich, ihr seit die besten<3

xoxo
Ash

Legend ~ High Queen {Band I}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt