53|CHAPTER FIFTY-THREE|Nico

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„Aber wenn sich ihre Temperatur erhöht ist das doch gut, oder nicht?" Ich drehte mein Profil in Richtung der Heilerin.
„Ich weiß es nicht Nico. Mittlerweile bin ich restlos überfragt." Die Heilerin ging in einem der Korridore der Bibliothek entlang und durchforstete die Regale nach einem Buch, das ihr endlich etwas helfen könnte.

Es waren schon zu viele Tage seit dem Aufbruch der Patrouille vergangen. Es war nun schon der siebte Tag, an dem wir auf ihre Rückkehr warteten.
Mit jedem Tag stieg unsere Sorge weiter.
Denn was, wenn man sie gefangen genommen hatte? Was, wenn sie tot waren? Vielleicht war etwas dazwischengekommen oder der adonische Heiler hatte sie nicht begleiten dürfen?
Aber ohne ihn wäre Alexis in den nächsten Tagen tot. Würde er das zulassen, wenn sie sich so gut verstanden hatten?

„Was suchst du eigentlich Zaor?"
„Ein Buch das endlich mal was Nützliches darüber enthält." Sie stellte ein Buch schnaubend zurück in das Regal vor ihr.
„Gut. Wenn du was findest, lass mich holen." Ohne auf eine Antwort ihrerseits zu warten wandte ich mich ab und verließ die Bibliothek, um den Weg zum Schlossgarten einzuschlagen. Meine beiden Leibwachen blieben mit respektvollem Abstand hinter mir.
Wir hatten nie welche gehabt. Eine Notwendigkeit hatte es dazu nie gegeben. Aber seit dem Aufbruch der Patrouille hatte sie meinen Brüdern und mir ebenfalls welche aufgebrummt.

Sobald die anderen Könige über uns Bescheid wussten, mussten wir mit Besuchen von ihnen rechnen. Vielleicht würden sich auch welche irgendwo hier einschleichen und versuchen uns zu töten, wie Mutter es formuliert hatte. Ihre Sorge war groß, dass man uns Schaden zufügen würde. Und so weit hergeholt klang das nicht einmal. Es gab schon bald ein weiteres Königreich, das sich dem Kampf um die Führung Kaleidons anschließen würde.
Nur würden wir uns gegen niemanden stellen, solange er sich nicht gegen uns stellte. Nur Adaon würde in unser Visier geraten, um sie für das büßen zu lassen, was sie Salanon damals antaten.

Niemand hier konnte die Adoner leiden. Garde und Heer würden von daher automatisch verbitterter gegen sie vorgehen, mit Landon, Kohr und Branigar an ihrer Spitze.

„Wie geht es unserer Schwester?" Collin drehte sich nicht einmal um. Er wusste das ich es war, der am Schlossgarten neben ihn trat. Unsere Maori standen nun zusammen hinter uns und nahmen die Umgebung prüfend unters Auge.
„Uns bleibt nicht mehr viel Zeit." Ich seufzte und warf ihn einen Seitenblick zu. Collin nahm meine Worte still zur Kenntnis und senkte den Kopf.
„Schläft sie?"
„Alexis ist seit gestern nicht einmal bei Bewusstsein. Aber sie wird wärmer."
„Ist das nicht gut?" Jetzt sah er doch wieder auf und suchte in meinen Augen nach einer Antwort.
„Wir wissen es nicht." Ich ließ meinen kleinen Bruder nicht aus den Augen. Ihn traf es so hart wie jeden von uns, selten aber zeigte er es.

Collin war, was sowas anging, Lias sehr ähnlich. Beide zeigten ungern was in ihnen vor sich ging. Nur war er nicht so geschickt wie unser Bruder.
Ich legte ihm meine Hand auf seine Schulter und hörte seinen beherrschten Atem.
„Sie wird es schaffen Collin.", sagte ich leise und drehte mich ihm zu.
„Nur wenn die anderen es schaffen." Er wandte seine graublauen Augen auf mich.
„Versuch nicht das ganze schönzureden Nico. Ich bin kein Kind mehr." Ich konnte nichts dagegen tun, aber mein Mundwinkel zuckte hoch. Mir war bewusst, dass wenn ich das jetzt so weiterführen würde, er nur irgendwann gehen würde, wortlos, und das wollte ich nicht.
„Willst du mit zu ihr kommen?" Daraufhin hob er wieder den Kopf an und blinzelte stumm. Bis er dann langsam den Kopf schüttelte vergingen ein paar Herzschläge.
„Lieber nicht." Sein Mundwinkel zuckte - aber eher traurig - hoch. „Das Ganze steigt mir vielleicht doch langsam zu Kopf." Ich nahm seine Entscheidung mit einem nicken zur Kenntnis und legte ihm nochmal die Hand auf seine Schulter.
„Gut, dann sehen wir uns nachher." Und mit diesen Worten wandte ich mich von meinem Bruder ab und schlug den Weg zurück in den Palast ein, die beiden Leibwachen hinter mir.

×××

Stark gedämmtes Licht tauchte das Gemach in angenehm warmes Licht, in dem die Objekte lange Schatten warfen.
Es war ruhig, als ich eintrat und hinter mir die Tür von den wachehaltenden Maori geschlossen wurde.
Wie jedes Mal zuvor fiel mein Blick sofort auf meine Schwester, wie sie dort lag, seit Tagen – ausgeliefert ihrer Krankheit gegenüber.

Ich trat ans Bett heran und setzte mich neben sie. Ein unangenehmer Schauer lief meinen Rücken hinab als ich sah wie weit empor das Eis mittlerweile gekommen war. Es bedeckte ihr Schlüsselbein und kroch nun schon bis hoch zur Kehle.
Ich hörte ihren Atem kaum, es war fast so, als würde sie schon gar nicht mehr atmen.
Und wir können dir nicht einmal helfen. Ein niederschmetternder Gedanke. Dabei jetzt noch vor ihr zu sitzen machte die Situation nur noch aussichtsloser.

Ich beugte mich etwas vor und strich ihr die Haare hinter ihr Ohr. Ihre Haut beschrieb eine Kälte, wie wir sie hier im Süden nicht kannten.
„Du bist schon viel zu lange am Schlafen." Eine andere Methode ihre Situation ein klein wenig zu umschreiben.
„Du hast sogar verpasst wie sie Cali hierhergebracht haben." Ich war selber überrascht gewesen, dass die von Lias' ausgesandte Patrouille mit dem Hengst zurückgekehrt war, aber es stimmte. Sie hatten den Apfelschimmel gestern kurz nach Sonnenhoch in den Stall des Palastes gebracht. Mutter war natürlich sofort dorthin, Vater im Schlepptau. Sie klammerten sich an alles was mit ihrer Tochter zu tun hatte, als würde es im nächsten Herzschlag zu Staub zerfallen und auf ewig vom Winde verweht werden. Ich verstand ihre Angst, wir hatten sie im gewissen Maß auch und spürten sie jeden Tag nach dem Aufstehen bis zum erneuten Einschlafen.

„Wir vermissen dich Lexi." Sie hatte es gehasst, wenn wir sie so genannt hatten, aber irgendwie kam es mir jetzt passend vor.
Ich seufzte und wandte meinen Blick kurz aus dem Spalt zwischen den beiden Vorhängen.

„Ich vermisse dich." Ein weiteres tiefes Ausatmen.
Wir vermissen dich." Ich wiederholte mich.
Ich senkte den Kopf und schüttelte ihn kurz.
„Verdammt, wie lange willst du noch so hier liegen?" Ich blinzelte als ich sie ansah, meine jüngste Schwester, und doch die einzige die noch lebte.
„Wir haben doch schon Hira damals verloren. Lass nicht zu, dass wir dich auch noch verlieren." Ich nahm ihre Hand in meine, drückte sie leicht und ignorierte die von ihr ausgehende Kälte vollständig.
„Es liegt noch viel vor dir. Du bist noch nicht einmal siebzehn Yael alt und du hast gerade er angefangen dein Element zu verstehen. Und wir haben dich gerade erst zurück. Du musst noch durchalten bis die Patrouille wieder zurück ist, hörst du? Gib uns eine Chance dich endlich zu heilen, gib uns eine Chance, dir deine Qualen endlich zu nehmen." Ich biss mir auf die Innenseite meiner Lippe als die ruhige Atmosphäre durch ein Klopfen gestört wurde. Ozias war es, der sich sehen ließ und dann kurz den Kopf neigte.

„Prinz Nikkail, die Patrouille Eures Bruders ist soeben zurückgekommen."

Legend ~ High Queen {Band I}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt