Dexter's P.O.V.
Seit der unschönen Begegnung mit Rixby waren mehrere Stunden vergangen. In der Tat setzte gerade die Dämmerung ein als ich rauchend durch das Kneipenviertel lief. Früher hatte ich diese Gegend gemieden, besonders abends, wenn überall Betrunkene herumliefen. Doch heute war ich erwachsen, ich hatte ordentlich an Muskelmasse und Kampferfahrung zugelegt und um ehrlich zu sein brauchte ich das wilde Treiben an diesem Abend einfach. Hier fühlte ich mich lebendig. Erschreckend viele eindeutig Minderjährige liefen rauchend und trinkend an mir vorbei, ohne mich überhaupt wahrzunehmen. Ich drückte meine Fluppe aus und schmiss sie in den Mülleimer, obwohl es keinen wirklichen Unterschied machte, ob ich sie ordnungsgemäß oder einfach auf dem Boden entsorgte, denn auf der Straße, auf der ich mich befand, waren Zigarettenstummel noch das kleinste Übel.
Nachdenklich ließ ich mich auf eine Bank sinken, die im Schatten einer Bar stand, aus der ertragbare Musik drang. Ich wusste nicht so recht, wo ich die Nacht schlafen sollte, denn ich hatte weder Freunde, noch eine Familie, die auf mich wartete. Ein Hotel oder ähnliches war definitiv zu teuer, also hieß es wohl unter freiem Himmel schlafen... Nur wo? Ich wollte nicht auch noch ausgenommen werden.Meine Gedanken wurden unterbrochen, als ein eher schmächtiger blonder Junge meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er trug eine schwarze Sweatshirtjacke, eine helle Jeans und dunkle Stoffschuhe. Die Schultern hatte er hochgezogen, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Es war nicht zu übersehen, dass er sonst nicht hier war und sich definitiv unwohl fühlte und ich war mir ziemlich sicher, dass er nicht älter als achtzehn Jahre alt sein konnte. Erst als er an mir vorbei zum Eingang der Bar eilte, bemerkte ich sein blaues geschwollenes Auge. Ich konnte nicht benennen, was es war, aber irgendetwas an diesem Jungen weckte mein Interesse. Vielleicht war es der Umstand, dass er einfach nicht in dieses Viertel gehörte, vielleicht aber auch, dass ich schon immer etwas für blonde Männer übrig gehabt hatte. Jedenfalls behielt ich den Eingang der Bar im Auge. Zu meiner Verwunderung musterte der Türsteher ihn nur kurz, ließ ihn dann jedoch widerstandslos passieren.
Eine Weile geschah nichts mehr und ich war bereits wieder mit der Wahl der perfekten Parkbank für die Nacht beschäftigt, als der blonde Junge das Gebäude wieder verließ, in der rechten Hand eine Flasche mit einer durchsichtigen Flüssigkeit, die definitiv kein Wasser war. Ich verdrehte die Augen, offenbar war er gegen meine Erwartungen doch nur ein ganz normaler Teenager, der eine rebellische Phase hatte und sich jetzt für irgendwas Mut antrinken musste oder seine dramatischen Teenagerprobleme in Alkohol zu ertränken versuchte. Mein Blick richtete sich wieder auf die Passanten, die mal liefen, mal eher torkelten.
"Fuck!", die leise Stimme zu meiner rechten ließ mich zusammenzucken. Der blonde Junge hatte den ersten Schluck von was auch immer genommen und hustete. Ihm liefen Tränen über die Wangen, die allerdings sicher nicht von dem Inhalt seiner Flasche verursacht worden waren. Er ließ sich neben mich auf die Bank nieder und legte den Kopf in den Nacken.
Einige Minuten saßen wir schweigend nebeneinander, die einzigen Geräusche, die er von sich gab, rührten vom Trinken und Atmen, doch dann begann er erneut zu fluchen: "Fuck! So eine verdammte Scheiße! Fuck, fuck, fuck!"
Ich hielt das nicht mehr aus, dieser Typ ging mir mit seinem Gefluche dermaßen auf den Sack, dass ich ihn dezent genervt ansprach: "Was ist denn so beschissen?!"
Erschrocken sah er mich an, als hätte er überhaupt nicht realisiert, dass er nicht alleine war und vielleicht hatte er das wirklich nicht, so aufgelöst wie er mich ansah, kam mir diese Möglichkeit jedenfalls immer wahrscheinlicher vor. "N-nichts!", noch immer weinte er stumm vor sich hin.
"Na dann halt nicht, aber dann halt wenigstes die Klappe!", grummelte ich und drehte mir eine neue Zigarette, die ich mir umgehend anzündete.
Wieder schwiegen wir, als er die Stille durchbrach: "Rauchen ist scheiße..."
Belustigt und ehrlich überrascht zog ich eine Augenbraue hoch: "Ach, und Trinken ist richtig geil für deinen Körper?!"
"Nein, aber ich trinke normalerweise keinen Alkohol und außerdem kann ich damit sofort wieder aufhören, Zigaretten machen süchtig", behauptete er neunmalklug.
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen: "Man merkt, dass du noch nicht lange trinkst! Hast du jemals 'nen Alki auf Entzug gesehen?"
"Nein, aber...", er verstummte nachdenklich, "aber ich könnte dir jetzt die Flasche geben und nie wieder trinken, könntest du das mit der Fluppe genauso?"
"Hör mal, Klugscheißer, nur weil ich rauche, heißt das nicht, dass ich damit nie wieder aufhören kann, ich seh nur momentan nicht ein, mir mehr Stress aufzuhalsen, als ich eh schon hab!"
"Sicher", murmelte er unbeeindruckt.
"Wie heißt du überhaupt?", fragte ich irgendwann.
"Andrew", erwiderte er und gähnte, wenigstens heulte er nicht mehr.
"Okay Andrew, du kommst jetzt in einen sehr seltenen Genuss, ich werde dir einen Rat geben. Du lässt jetzt den scheiß Alkohol hier stehen, machst dich auf dem sichersten und best beleuchtetsten Weg nach Hause zu Mami und Papi, haust dich ins Bett und hältst dich ab jetzt von dieser Gegend fern. Du bist echt kein Straßenmaterial...", stellte ich fest.
Kurz dachte ich, er wolle mir widersprechen, doch dann nickte er geknickt: "Hast wahrscheinlich recht... Also dann, ähm... Tschüss?"
"Tschüss", murmelte ich und sah ihm hinterher, während er sich seinen Weg durch die Menschen bahnte.
Hi:)
Ich hab eine kurze Frage an euch! Ich hab bei diesem Buch bisher keine Musik eingefügt, weil ich mir die beim Lesen eh nie anhöre, aber wenn ihr welche wollt, kann ich damit auch gerne wieder anfangen. Also, wollt ihr gerne Musik oder kann ich mir das sparen? XD
Bis dann, eure c_in_medias_res <3
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Dexter Jones
Teen FictionDexters Leben war noch nie einfach, doch als der Einundzwanzigjährige nach vier Jahren aus dem Gefängnis kommt, scheint er am Tiefpunkt angekommen zu sein. Perspektivlos wie er ist, versucht er sich über Wasser zu halten. Doch seine Lage verändert s...