11 -Neuer Haarschnitt-

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Dexter's P.O.V.

"Ähm... ich glaube, es wäre gut, wenn du dir dein T-Shirt ausziehst...", Andrew lief rot an, "also, damit das nicht nass wird!"

Ich konnte mir ein anzügliches Grinsen nicht verkneifen, während ich mir schwungvoll das Oberteil über den Kopf zog: "Klar... Das hätte ich an deiner Stelle jetzt auch gesagt!"

Die Gesichtsfarbe des Blonden intensivierte sich und hektisch stammelte er: "Nein! A-also, ich wollte dir nur die Haare waschen... Ich guck auch nicht! Also, ich muss deine Haare angucken, sonst kriegst du Shampoo ins-"

Lachend unterbrach ich ihn: "Krieg dich mal wieder ein, das war ein Witz!"

"Oh... Ähm ja", nervös räusperte er sich und versuchte scheinbar krampfhaft weder auf meinen Bauch, noch auf die tätowierte Brust zu starren. Hastig drehte er sich zur Badewanne und stellte solange am Temperaturregler herum, bis er das Wasser für gut befand. 

Immer noch grinste ich leicht, kniete mich neben ihn und lehnte meinen Kopf über den Rand. Als Andrew mir mit vorsichtigen, schüchternen Bewegungen durch die Haare strich, kam ich nicht umhin schluckend festzustellen, dass diese Geste seit langer Zeit die erste Zärtlichkeit war, die mir zuteil wurde. Ich musste mich wirklich davon abhalten, genießerisch aufzuseufzen und die Augen zu schließen, als der Junge sanft das Shampoo einmassierte. Egal, was er gleich mit meiner Frisur machen würde, es hatte sich bereits jetzt gelohnt. Unwillkürlich musste ich mich davon abhalten, zu überlegen, ob seine Hände an anderen Stellen genauso talentiert waren. 

Als Andrew das Wasser ausstellte, wachte ich wieder aus meinen Gedanken auf und bekam nur am Rande mit, wie er mir fürsorglich ein Handtuch um die Schultern legte, peinlich darauf bedacht, nicht mit seinen Fingern meine Haut zu berühren, als hätte er Angst, sich an mir zu verbrennen. Wahrscheinlich hatte er noch immer Panik, ich würde ausrasten, wenn er mich anfasste, jetzt da ich wusste, dass er schwul war. Vielleicht hätte ich ihm doch sagen sollen, dass wir im selben Team spielten, damit er nicht weiterhin so einen Eiertanz aufführte. 

Andrew zog einen Stuhl, der an der gefliesten Wand gestanden hatte, in die Mitte des kleinen Zimmers und wies einladend darauf: "Setz dich, ich geh kurz die Schere holen..."

Ich tat wie mir befohlen. Auf einmal hörte ich ein leises Rumpeln und anschließend unterdrücktes Fluchen: "Alles okay bei dir?" 

Andrew betrat das Badezimmer wieder und humpelte leicht: "Mir ist so ein blöder Karton auf den Fuß gefallen! Scheiß Teil! Warum zur Hölle muss Mum diese verfickte Schere auch nach ganz oben ins Regal tun? Ist ja zum Glück nicht so, dass wir das Ding ständig brauchen..."   

Ich konnte mein Lachen nicht mehr zurückhalten. Andrew sah mich kurz strafend an, lachte schließlich aber selbst: "Okay, ich fang dann mal an... Was willst du denn?"

Unentschlossen zuckte ich mit den Schultern: "Überrasch mich..."

"Mutig", ein gefährliches Grinsen huschte über sein Gesicht.

"Sehr witzig...", gab ich augenverdrehend zurück, während die erste Strähne meines Haares bereits zu Boden fiel.

Eine halbe Stunde später betrachtete ich mich mehr als zufrieden im Spiegel, Andrew hatte ganze Arbeit geleistet. Zwar waren meine Haare im wesentlichen nur kürzer, was vielleicht simpel klang, aber er hatte es geschafft, dass ich wieder aussah wie ich. Seitlich die Haare etwas kürzer, die längeren Strähnen nach rechts gerichtet und noch immer fielen mir einige Haare lässig in die Stirn. 

"Hast du auch Hunger?", fragte Andrew mich.

Ich nickte: "Ja, schon, aber ich sollte langsam gehen..."

Enttäuscht schüttelte der Blonde den Kopf: "Hör doch endlich mal damit auf! Ich bestell uns jetzt 'ne Pizza, ich hab nämlich echt keine Lust jetzt zu Kochen!" 

Zwar war ich überrascht von seinem Verhalten, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass ich hier nichts zu suchen hatte. Ich hatte die Gastfreundschaft Andrews und seiner unwissenden Eltern schon viel zu sehr strapaziert und mir behagte dieser Gedanke ganz und gar nicht. 

"Ich kann nicht ewig hier bleiben! Ich bin wirklich dankbar, dass ich heute Nacht nicht draußen schlafen musste, aber das hat doch keinen Zweck!"

Der Junge ignorierte mich schlicht und ergreifend und griff nach dem Telefon. Er wählte die Nummer des Lieferservice' und bestellte zwei Pizzen ohne mich auch nur angesehen zu haben. Einerseits berührte mich das, aber viel präsenter wurde die leichte Wut, die sich in mir anstaute. Ich konnte es überhaupt nicht haben, wenn man mich nicht beachtete und außerdem hatte ich das letzte Mal vorm Frühstück geraucht, was meine Nerven zusätzlich strapazierte. Wortlos nahm ich meine Kippen und das Feuerzeug und lief durch die gläserne Terrassentür, die das Wohnzimmer mit dem Garten verband. Ein paar tiefe Züge später sah die Welt schon wieder viel besser aus und ich hatte mich soweit beruhigt, dass ich mich wieder dazu in der Lage sah, vernünftig mit Drew zu reden. Als ich das Haus wieder betrat sah mich ebendieser mit eindeutigem Missfallen an.

"Was ist denn? Ich bin doch noch da!", verteidigte ich mich.

Kurz nickte er zufrieden, doch dann verfinsterte sich seine Mine wieder: "Schon, aber du hast schon wieder geraucht!"

Ich stöhnte auf: "Ja, gewöhn' dich dran..."

Ein triumphierendes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus: "Werd' ich ganz bestimmt nicht, aber du kannst es ja drauf ankommen lassen und einfach noch einen Tag hierbleiben..."

"Ich hab noch nie in meine ganzen Leben jemanden kennengelernt, der auch nur ansatzweise so stur ist wie du!" 

"Heißt das ja?"

Dexter JonesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt