31 -Familienessen-

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Dexter's P.O.V.

Es breitete sich eine merkwürdige Stille über uns aus. Ich konnte noch immer nicht fassen, dass ich beinahe geweint hatte. Diese Seite von mir mochte ich nicht, noch weniger mochte ich, wenn jemand sie zu sehen bekam, wenn Drew auch immerhin noch der Mensch war, bei dem es mir am wenigsten unangenehm war. 

"Andrew, Dexter? Das Essen ist fertig", Samanthas Stimme ließ mich zusammenzucken. 

Meine Hand lag schon auf der Klinke von Drews Zimmertür, als er seine Hand auf meinen Arm legte: "Warte! Kann ich mich darauf verlassen, dass du wirklich nichts Dummes machst? Versprichst du mir das?"

"Ich verspreche es dir", ernst erwiderte ich seinen prüfenden Blick. Er nickte zufrieden uns ließ mich los. 

"Bist du noch sauer?"

"Was denkst du? Natürlich ein bisschen, aber ich denke, wir sollten uns jetzt besser auf das Essen mit meinen Eltern konzentrieren..."

Niedergeschlagen nickte ich: "Hast ja recht..."

Andrew grinste schief und nahm meine Hand in seine: "Wird schon..."

Schweigend liefen wir in die Küche. Am gedeckten Tisch saß ein schlanker Mann, seine aschblonden Haare waren ordentlich über den Kopf gekämmt, er trug eine schwarze Hose und ein hellblaues Hemd. 

"Dad? Das ist Dexter, mein Freund", Mr. Daniels Aufmerksam richtete sich auf mich. Er stand auf und streckte mir seine Hand entgegen.

"Hallo, Mr. Daniels", meine Stimme war ruhig, kontrolliert, meine Gesichtsmuskeln dagegen eher unkoordiniert.

"Hallo, Dexter. Freut mich, dich kennenzulernen."

"Die Freude ist ganz meinerseits, Sir", log ich. Es war nicht so, dass ich prinzipiell etwas dagegen hatte, Andrews Eltern zu treffen, aber ich machte mir wahnsinnige Sorgen. Von diesem Essen würde viel abhängen und ob ich währenddessen mein Gesicht wahren konnte, würde sehr von den Gesprächsthemen abhängen.

"Sag doch Liam", seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, doch seine Augen musterten meine nackten, tätowierten Arme abschätzig. Es war offensichtlich, dass er nicht unbedingt von mir begeistert war. Na ja, zumindest war es für mich offensichtlich, Drew dagegen entspannte sich merklich und half seiner Mutter, die Töpfe auf den Tisch zu stellen. 

"Was machst du beruflich?", schon mit seiner ersten Frage stach Liam in ein Wespennest. Was hatte ich auch anderes erwartet?

"Ich fange am Montag meine Ausbildung im Landschafts- und Gartenbau an", gab ich zurück.

"Oh, und was hast du bisher gemacht?", mit ehrlichem Interesse in der Stimme sah Samantha auf. 

"Ich... hatte ein paar Gelegenheitsjobs...", wich ich aus.

"Kein College?", es war zwar eine Frage, doch ich merkte Liam deutlich an, dass er sich in seinen Vorurteilen mir gegenüber bereits jetzt bestätigt fühlte.

"Nein", mehr sagte ich zu diesem Thema nicht.

Andrew schaltete sich ein, versuchte die Situation zu retten: "Das schmeckt echt lecker, Mum!"

"Was machen deine Eltern?", das mit dem Beruf schien Liam nicht mehr loszulassen.

Mir wurde es ab dieser Stelle entschieden zu privat, nur Andrew zuliebe antwortete ich leicht verbissen: "Ich habe keinen Kontakt zu meinen Eltern." Das war zwar extrem beschönigt, aber nicht gelogen. Das Verlangen, eine zu rauchen überfiel mich plötzlich und heftig. Tief atmete ich ein und aus, kniff mir unauffällig in den Oberschenkel. Ich durfte nicht ausgerechnet jetzt die Kontrolle verlieren. 

"Wie war's heute bei der Arbeit, Dad?", mein Freund klang langsam leicht verzweifelt.

"Gut soweit. Aber Billy war schon wieder nicht da, offiziell natürlich krank. Tja, wenn man sein Kind nicht im Griff hat, muss man sich auch nicht wundern, wenn der eigene Sohn einem das Geld aus der Brieftasche klaut, um sich Stoff zu besorgen...", der Seitenblick auf mich reichte fast aus, um mich ausflippen zu lassen. Fast...

Ich fragte mich wirklich, ob Samantha die Spannung spürte, die zwischen mir und ihrem Ehemann hochkochte. 

"Ich bin froh, dass Andrew nie etwas mit Drogen zutun hatte... Wie ist es mit dir, Dexter?"

Das reichte. Das trieb mich über meine Grenzen hinaus. Nur am Rande bemerkte ich die empörten Blicke von Andrew und seiner Mutter. Mit jeder Zelle meines Körpers fühlte ich die Wut und die Enttäuschung, dass das Essen genauso geworden war, wie ich es tief in mir drin erwartet hatte. Ein freudloses Lachen verließ meinen Mund: "Ja, Sie haben mich voll durchschaut! Ich seh so aus, also bin ich selbstverständlich in einer Gang und spritze, schnüffel und rauche täglich alles, was die Straße zu bieten hat! Und Drew zwinge ich, mitzumachen! Hören Sie mir mal zu, verdammt! Ich hab in meinem Leben mehr Leute an 'ner Überdosis verrecken sehen, als Sie sich in ihren wildesten Fantasien vorstellen können, ich hab nicht mal 'nen Joint geraucht!" Erst jetzt realisierte ich, dass ich wutschnaubend mit erhobenem Zeigefinger da stand und dass ich unbewusst ganz automatisch wieder zum "Sie" übergegangen war.

"Dex...", Andrew wollte nach meiner Hand greifen, er sah mich mit schockgeweiteten Augen an.

Ich zog meine Hand weg: "Tut mir leid, Baby... Ich denke, ich gehe jetzt besser. Samantha, danke für das Essen, es war wirklicht gut."

Dann drehte ich mich um und verließ das Zimmer. Sofort war der Blonde an meiner Seite: "Es tut mir so leid, Dexter! Bitte, ich bin mir sicher, es wird-"

"Lass gut sein, Drew... Ich gehe jetzt", sagte ich erneut.

"Sehen wir uns wieder?", angstvoll musterte Andrew seine blau-weiß geringelten Socken. 

"Wenn du mich sehen willst, wirst du mich immer sehen. Ich liebe dich", fest drückte ich seinen zierlichen Körper an meine Brust. Ein leises Schniefen erklang, Tränen benetzten meine Shirt. 

"Ich liebe dich auch", drang es gedämpft zu mir zurück.

Dann verließ ich das Haus, ließ einen aufgelösten Andrew zurück. Ich griff nach dem mir so verhassten Handy und wählte umständlich Helenas Nummer.

Es tutete nur ein mal, dann erklang eine Frauenstimme: "Ja?"




Hi:)

Lasst mir bitte Feedback da!

Ich wünsche euch ein schönes Wochenende, eure c_in_medias_res <3

Dexter JonesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt