6 -Betrunken-

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Andrew's P.O.V.

Dexter sah mich einen Moment lang einfach nur sprachlos an. Ich konnte förmlich spüren, wie ungläubig er überlegte, ob es tatsächlich jemanden geben konnte, der so naiv wie ich war.

"Dir ist schon klar, dass ich ein Vergewaltiger sein könnte?! Oder euch einfach nur ausrauben will?", ungläubig starrte der Mann mich an und murmelte dann eher zu sich selbst, "Ein Glück, dass du mir und nicht Red oder so über den Weg gelaufen bist..."

"Wer ist Red?", fragte ich neugierig. Was war das überhaupt für ein Name?

"Ist nicht wichtig! Viel wichtiger ist, dass du echt zu doof bist, um zu checken, dass das hier gerade verdammt schlecht für dich ausgehen könnte! Du weißt doch sogar, dass ich gerade erst aus dem Knast raus bin. Mal im Ernst, wie blauäugig kann man sein?!", verständnislos schüttelte er den Kopf.

Etwas verletzt senkte ich den Blick, erwiderte dann aber doch etwas trotzig: "Also... wenn du mich hättest ausrauben wollen, hättest du das längst gemacht und mich auch nicht gerettet! Und ich glaube nicht, dass du ein Vergewaltiger bist und selbst wenn, als Junge hätte ich ja wohl nicht so viel zu befürchten..."

Dexter schnaubte verächtlich und raufte sich seine Haare, die in der Dunkelheit beinahe schwarz aussahen: "Du hast ja keine Ahnung..."

Ich hatte wirklich nicht die geringste Ahnung, woher mein plötzlicher Mut kam, doch tatsächlich sagte ich mit halbwegs fester Stimme: "Dann formuliere ich es halt anders! Ich hab immer noch echt Angst, weil das gerade ein verdammter Schock für mich war und ich will heute Nacht echt nicht alleine in einem leeren Haus verbringen, okay?!"

Warum zur Hölle war ich nie auch nur annähernd so selbstbewusst, wenn ich mit meinen Mitschülern sprach?

"Ich... ich weiß nicht...", brummte Dexter offensichtlich überrascht über meinen plötzlichen Stimmungswechsel.

Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, den Mann vor mir etwas verunsichert zu haben. Aus irgendeinem Grund stahl sich ein weiches Lächeln auf meine Lippen: "Komm schon... Du kannst ja morgen gehen, wenn ich dir auf die Nerven gehe!"

Er verdrehte die Augen: "Na gut, aber nur für eine Nacht!"

Grinsend versuchte ich die Tür aufzuschließen, traf jedoch beim besten Willen nicht das Schlüsselloch. Eventuell war ich doch etwas betrunkener, als ich gedacht hatte. Vielleicht erklärte das auch den Umstand, dass ich plötzlich so selbstsicher mit einem Fremden sprach, als wären wir seit Jahren befreundet. Als Dexter mir mit einem vernichtenden Blick die Schlüssel abnahm, fiel mein Blick unweigerlich auf den nackten Teil seiner Arme, der durch das kurzärmlige T-Shirt unverdeckt blieb. Fror er denn gar nicht? Ich musste schlucken, als sich beim Aufschließen der Tür sein Bizep leicht spannte und versuchte instinktiv zu erkennen, was die dunkle Tinte auf seiner Haut darstellte.

"Wehe du kotzt heute auch noch", knurrte Dexter und schob mich überraschend vorsichtig ins Haus.

Beleidigt brummte ich nur vor mich hin und war offenbar immerhin noch klar genug im Kopf, um ihm sowohl Bad, als auch Küche, Gästezimmer und mein eigenes Zimmer zu zeigen.

"Na dann... Gute Nacht", murmelte der Dunkelhaarige und schloss die Tür seines Zimmers.

"Gute Nacht!", rief ich ihm noch hinterher und begab mich dann selbst in mein Bett.

Gähnend wachte ich auf und hielt mir im selben Moment den pochenden Schädel. Stöhnend tastete ich nach meinem Handy, das mich so unsanft aus dem Schlaf gerissen hatte. Ich stellte meinen Wecker aus und auf einmal wurde mir bewusst, wer da im Zimmer nebenan lag und vermutlich noch entspannt an der Matratze horchte. Ich war mir nicht sicher, ob ich bereute, dass er da war oder ob ich doch eher froh über diesen Umstand sein sollte.

Mit einem Blick auf mein Handy stellte ich fest, dass ich jetzt aufstehen musste, wenn ich pünktlich in der Schule sein wollte, doch erstens tat mein Kopf wirklich weh und zweitens war ja auch noch Dexter hier. Kurzentschlossen schrieb ich Darren eine SMS mit der Anweisung, in der Schule zu sagen, ich sei krank. Zurück kam nur ein wütender Smiley. Das war eine Art Running Gag zwischen uns, immer wenn der eine krank war, bekam er kein 'Gute Besserung' zugeschickt, sondern einen Emoji, der zeigte, wie wenig Lust der andere auf Unterricht hatte.

Erneut musste ich gähnen, drehte mich um und schlief einfach weiter. Gegen neun Uhr wachte ich erneut auf, meine Kopfschmerzen waren glücklicherweise bereits dabei, sich zu verflüchtigen. Manchmal vergaß ich wirklich, wie wenig Alkohol ich vertrug.
Ob Dexter wohl schon wach war?
Ich klopfte vorsichtig an seine Zimmertür, hörte aber keine Antwort. Kurz zögerte ich, beschloss dann aber trotzdem ihn zu wecken.
Zu meiner Überraschung war das Zimmer nicht dunkel, Dexter lag auch nicht im Bett. Stattdessen stand er am geöffneten Fenster, blickte nachdenklich in den Regen und rauchte. Er hatte sich bereits angezogen, vielleicht hatte er auch einfach in seiner Kleidung geschlafen. Im Tageslicht konnte ich Teile der Tattoos auf seinen Armen erkennen.

"Morgen", sagte ich leise, um ihn nicht allzu sehr zu erschrecken.

Tatsächlich zuckte er lediglich leicht zusammen und drehte sich dann um: "Morgen..."

Er nahm noch einen Zug von seiner Zigarette, drückte sie aus und ging dann auf das gemachte Bett zu, auf dem seine Lederjacke lag. Dexter nahm sie und murmelte mit verschlafener Stimme: "Bin gleich weg."

"Was?", fragte ich sehr geistreich.

"Danke für das Bett, ich bin dann auch gleich weg und störe nicht länger", gab er zurück und wollte an mir vorbei durch die Zimmertür gehen.

"Warte", ich hielt ihn am Arm fest, "Willst du nichts frühstücken?"



Hi:)

Lasst mir gerne mal eine Meinung da, ob ihr die Geschichte noch für einigermaßen glaubwürdig haltet oder ob es doch eher zu unrealistisch wird! ;)

Ich melde mich spätestens nächsten Freitag wieder, eure c_in_medias_res <3

Dexter JonesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt