Dexter's P.O.V.
Ich hasste es, keinen Plan zu haben. So ungern ich das auch zugab, aber es hatte durchaus Vorteile gehabt, als ich damals noch für Red gearbeitet hatte. Wenigstens hatte ich einen Job und was zu Essen gehabt. Momentan war ich einigermaßen ratlos, für Red wollte ich nie wieder tätig werden, da konnte die Aussicht auf das Geld noch so verlockend sein. Das Problem war, dass Red die Drogenszene in der Stadt, in der ich lebte, kontrollierte. Ich hätte mich einem anderen Drogenboss anschließen können, aber das war zu gefährlich. Ich wusste sehr wohl, dass Red mich unbedingt wieder in seinem Team wissen wollte, weil er die berechtigte Befürchtung hatte, ich könne ein paar dreckige Geheimnisse ausplaudern. Und er würde ganz sicher keine Skrupel haben, mich nötigenfalls loszuwerden.
Wenn man auf der Straße lebte, gab es nicht unbedingt viele Jobmöglichkeiten. Ich war eindeutig weder Stricher, noch ein kleiner Dealer, der ein bisschen Gras an Studenten vertickte. Entweder wäre ich wieder richtig im Geschäft oder aber ich war ganz draußen. Für Red war ich im Prinzip ein Wachmann gewesen, hatte Kuriere begleitet, hatte mich um Kunden gekümmert, die nicht zahlen wollten oder anderweitig Stress gemacht hatten. Ich war der erster Mann für's Grobe gewesen. So hatte ich mir einen Namen gemacht, hatte mir Respekt verschafft, der bis heute anhielt. Wenn ich ehrlich war, musste ich zugeben, dass ich es in gewisser Art und Weise genossen hatte. Ich war ein Vertrauter von Red gewesen, von dem wohl mächtigsten Mann, den ich zu dem Zeitpunkt gekannt hatte. Man hatte zu mir aufgesehen, mich bewundert, mich beneidet. Doch ich konnte nicht zurück, zu grausam waren die Dinge, die Red getan hatte, kurz bevor die Bullen mich mitgenommen hatten. Lange hatte ich gedacht, Red hätte mich gerettet, vielleicht hatte er das sogar, für ein paar Monate lang, doch im Endeffekt hatte er mein Leben nur noch weiter zerstört. Bevor ich ihn kennengelernt hatte, hatte ich mich einsam gefühlt, jetzt war ich einsam.
Mir fiel nur noch eine einzige Person ein, die mit Glück einen Job für mich wusste. Helena Willkinson war ein Frau in den Vierzigern, die bekanntermaßen Einbrüche auf Auftrag erledigte. Zwar kannte ich mich zugegebenermaßen nicht allzu gut mit Überwachungsanlagen aus, doch man brauchte nun mal auch jemanden, der den Fluchtwagen fuhr, jemanden, der Schmiere stand, und nicht zuletzt jemanden, der mit möglichen ungebetenen Gästen fertig wurde.
Ich wollte keine Zeit verlieren, weswegen ich am Montag von Andrews Schule aus direkt zu den keinen Antiquitätengeschäft lief, das zumindest damals als Fassade für Helenas wirkliche Geschäfte fungiert hatte. Ehrlich erleichtert entdeckte ich in dem Aushang 'Open' an der Ladentür und unverkennbar Helenas hagere Gestalt hinter dem Tresen. Sie hatte sich in den letzten vier Jahren nicht wirklich verändert, die gleichen gefärbten roten Haare, die gleichen blassblauen Augen, die gleiche reserviert freundliche Miene, wenn sie mit einem Kunden sprach. Ich betrat den Laden, an der Kasse kaufte eine alte Frau gerade eine wirklich scheußliche Lampe. Als sie sich zu mir umdrehte, zuckte sie leicht zusammen, griff instinktiv nach ihrer klobigen Handtasche und verließ mit verkniffenem Gesichtsausdruck das Geschäft. Keine besonders außergewöhnliche Reaktion auf meine Gestalt und meine Tattoos.
"Helena", sagte ich, nachdem ich mich mit einem sorgfältigen Umschauen vergewissert hatte, dass wir alleine waren.
Sie zog die Brauen hoch und musterte mich abschätzend: "Kennen wir uns?"
"Du erinnerst dich nicht mehr an mich? Ich muss zugeben, dass verletzt mich jetzt!", ich kam nicht umhin festzustellen, dass meine sarkastische Art der von Red ähnelte.
"Entweder du verpisst dich sofort aus meinem Laden oder du sagst mir, wer du bist und was du willst!"
Seufzend setzte ich zu einer Antwort an: "Wir haben vor ein paar Jahren mal zusammen eine Kugel aus Rixbys Bein geholt, obwohl wir sie meiner Meinung nach vielleicht besser drinstecken gelassen hätten... Ich bin Dex-"
Sie riss die Augen auf: "Dexter! Du bist Dexter... Klar, da hätte ich drauf kommen sollen... Aber du hast mir immer noch nicht verraten, was du hier willst!"
"Kannst du dir das nicht denken? Ich brauch Cash und du hast eigentlich immer einen Job."
"Du arbeitest nicht mehr für Red?", es war eher eine Feststellung als eine Frage, "nun gut, vielleicht kannst du tatsächlich was für mich tun..."
"Wann und wo und vor allem, was sitzt für mich drin?", mein Herz klopfte aufgeregt in meiner Brust. Wenn Helena ein größeres Ding plante, würde mir das viel Geld und damit Zeit verschaffen, mir zu überlegen, was ich in den nächsten Wochen und Monaten tun wollte.
"Komm mit nach hinten", sie drehte das Schild an der Ladentür um, von außen war jetzt anstatt 'Open' 'Closed' zu lesen, dann stieß sie eine Tür auf und deutete mir an, ihr zu folgen, "alle genaueren Infos bekommst du kurz vorher als SMS, ich geb dir ein Wegwerfhandy. Wenn du mich kontaktieren musst, dann kannst du das benutzen. Wenn wir das Ding durchgezogen haben, vernichtest du das Handy, kapiert?"
Augenverdrehend nickte ich, ich war schließlich nicht von gestern.
"Gut... Es geht um einen kleinen... Besuch in eine Villa, du bleibst draußen und bewachst die Lage, notfalls greifst du ein. Für dich springen zweitausend, das ist alles, was du bis jetzt wissen musst", die Rothaarige drückte mir das besagte Handy in die Hand.
Als die Dämmerung langsam das Ende des heutigen Tages einzuläuten begann, war ich alles in allem sehr zufrieden mit mir. Ich würde in absehbarer Zeit wieder flüssig sein, Drew ging es gut und ich hatte mir gerade eine neue Zigarette angesteckt. Ich starrte auf den Glimmstängel, den ich zwischen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand hielt und fragte mich unwillkürlich, ob ich irgendwann doch mit dem Rauchen aufhören würde. Andrews Stimme spukte in meinem Kopf herum und zauberte mir ein kleines Grinsen ins Gesicht. Doch dieses Lächeln wurde mir rasch aus dem Gesicht gewischt, als der erste unerwartete Schlag meine Magengrube traf.
Ich hatte zu spät bemerkt, dass mir offenbar mehrere Männer gefolgt waren...
Hi :)
Was haltet ihr von dem Kapitel? Es ist mir irgendwie nicht gerade leicht gefallen, das zu schreiben, weswegen ich mir etwas unsicher bin, wie es so geworden ist, ich würde mich also dieses Mal noch mal etwas mehr über Feedback freuen als eh immer... ;)
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende, eure c_in_medias_res <3
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Dexter Jones
Teen FictionDexters Leben war noch nie einfach, doch als der Einundzwanzigjährige nach vier Jahren aus dem Gefängnis kommt, scheint er am Tiefpunkt angekommen zu sein. Perspektivlos wie er ist, versucht er sich über Wasser zu halten. Doch seine Lage verändert s...