26 -Sportunterricht-

641 50 1
                                    

Andrew's P.O.V.

Die Sonne strahlte durch mein Fenster. In Filmen regnete es immer, wenn etwas Schlimmes passierte, doch in meinem Leben musste die Sonne mich vom wolkenlosen Himmel aus verspotten. In dieser einen Woche war so viel passiert, dass es mich ehrlich überforderte, und dennoch wollte ich nicht, dass sie jemals endete. 

"Jetzt lass den Kopf nicht so hängen...", brummte Dexter beim Frühstück und strich sich über das frisch rasierte Kinn. Irgendwie mochte ich es, wenn er sich rasierte. Dann sah er nicht mehr ganz so viel älter aus als ich. Ich schenkte ihm nur ein halbherziges Lächeln.

Auf dem Weg zur Schule hatten wir die meiste Zeit geschwiegen. Ich fragte mich, wo Dexter wohl die nächsten Tage schlafen würde. Und natürlich wie es mit uns weiter gehen würde. 

"Ich warte hier auf dich, wenn du aus der Schule kommst, okay?", Dexter hielt mein Gesicht sanft in seinen großen warmen Händen. Auf seine Frage hin nickte ich hastig und der Knoten in meinem Bauch lockerte sich ein kleines bisschen. 

"Gut... Viel Spaß in der Schule", er beugte sich zu mir runter und küsste mich sanft. 

"Danke. Ich... ich hab dich lieb", ich flüsterte es nur, aber er hörte mich.

"Ich dich auch!", er lächelte noch einmal sein ganz spezielles Dexterlächeln, das ich so abgöttisch liebte. Auf seinen Wangen bildeten sich immer diese winzigen Grübchen, die irgendwie nicht zu seiner restlichen Erscheinung passen wollten, ihn aber noch schöner aussehen ließen.

Je länger ich in der Schule war, desto schlechter wurde meine Laune. Mir war nur zu bewusst, dass ich in den letzten beiden Stunden Sport hatte und der Paartanz-Alptraum weiter gehen würde. Nach Blaze' Zusammenbruch wusste ich noch weniger als vorher, wie ich mich verhalten sollte. Doch zuerst musste ich zwei Stunden Geschichte durchhalten. Die Minuten zogen sich wie ein altes, zähes Kaugummi. Bereits nach der Begrüßung von Mr Baker hatte ich die Ohren auf Durchzug gestellt, ich hatte nun wirklich dringendere Sorgen als die napoleonischen Kriege. Zumindest glaubte ich, dass wir darüber redeten...
Darren ließ mich in Ruhe. Entweder war er selbst noch müde oder, was ich für wahrscheinlicher hielt, er wusste einfach, dass ich nicht reden wollte. Vielleicht war es albern von mir, dass ich so einen Aufstand machte. Schließlich würde ich Dexter immer noch treffen können. Aber ich machte mir nun mal Sorgen um ihn und außerdem würde es wohl noch dauern, bis ich zum nächsten Mal in seinen Armen einschlafen würde. Ich fragte mich ernsthaft, wie ich ohne das Geräusch seines ruhigen Atems jemals wieder schlafen können sollte. 

Wie immer ging ich aufs Jungsklo, die Sportsachen unter den Arm geklemmt, und zog mich um. Mr Davis' Begeisterung hatte nicht im mindesten abgenommen. Erneut forderte er uns auf, uns mit unseren Partnern aufzustellen und zuerst einmal die Schritte zu wiederholen, die wir schon gelernt hatten. Unsicher sah ich Blaze an, er hatte die Kiefer aufeinander gepresst und die Augen leicht zusammengekniffen. 

"Willst du da Wurzeln schlagen?!", knurrte er.

Ich wurde rot, senkte meinen Blick schnell wieder und stellte mich vor ihn, traute mich aber nicht, ihn anzufassen. Ungeduldig griff er nach meinen Händen. Mr Davis drehte die Musik recht laut, weswegen ich mir ziemlich sicher war, das niemand außer mir Blaze' Worte verstand, als er mich plötzlich dichter an ihn heran zog und in mein Ohr zu sprechen begann: "Ich... Wehe du erzählst irgendwem was da gestern passiert ist!"

"Mach ich schon nicht", brummte ich erstaunlicherweise ohne zu stottern. 

Der Junge stockte für den Bruchteil einer Sekunde, schüttelte leicht den Kopf und murmelte: "Es... es könnte sein, dass ich ein bisschen... ziemlich scheiße zu dir war..."

Kurz wollte ich einknicken und diese Entschuldigung, wenn man es überhaupt so nennen konnte, annehmen, aber ich konnte das nicht, wollte das nicht. Mir schoss durch den Kopf, dass Dexter bestimmt stolz auf mich wäre und mich vielleicht aufgezogen hätte, weil er seine Gefühle nicht in Worten auszudrücken wusste. Mehr oder weniger entschlossen schüttelte ich den Kopf: "Das kann nicht sein, das ist so!"

Blaze wand sich leicht, nie hatte ich ihn in irgendeiner Weise angreifbar, verletzbar gesehen, doch dieses Mal war es anders. Er wirkte wie ein anderer Mensch. Gerade als er ansetzte, etwas zu sagen, unterbrach Mr Davis uns und fuhr mit dem Unterricht fort. Die restliche Zeit schwiegen wir uns wieder an und ich war mehr als erleichtert, nach der Stunde wieder auf Abstand zu Blaze zu gehen.

"Andrew, warte!", zu früh gefreut... Und dabei war ich mir nicht einmal ganz sicher gewesen, ob Blaze überhaupt wusste, dass ich nicht "Schwuchtel" hieß...

"Was ist denn noch?", ich drehte mich nicht um.

"Ich will mit dir reden!"

"Ich aber nicht mit dir!"

"Andrew, ich muss mit dir reden! Bitte!", jetzt drehte ich mich doch um und bereute es noch im selben Augenblick. Der Junge stand direkt vor mir auf dem menschenleeren Schulhof. Impulsartig wollte ich fragen, wo denn sein Schatten abgeblieben war, doch dann besann ich mich, es war wohl auch besser für mich, Kay so weit wie möglich von mir zu wissen. 

"Was?", fauchte ich.

"Ich will mich entschuldigen verdammt!"

"Und wenn ich das einfach nicht hören will?! Wundert mich, dass du das überhaupt Wort kennst!"

Blaze überging das: "Es tut mir leid. Es tut mir leid, dass wir das mit dir gemacht haben..."

"Was, Blaze, was? Dass ihr was mit mir gemacht habt?"

Er schluckte schwer: "Dass... dass mit dem "Schwuchtel" und so..."

"Hast du überhaupt eine Ahnung, was das mit mir gemacht hat?", die Tränen standen in meinen Augen, "Weißt du, wie es ist, sich andauernd auf dem Klo umziehen zu müssen? Wie erniedrigend das alles war?"

Betreten senkte mein Gegenüber den Blick und schüttelte nur den Kopf.

"Weißt du was? Vergiss es einfach! Lass mich einfach in Ruhe, ich muss jetzt los!", ich wandte mich zum Gehen, um den schnellsten Weg zu Dexter einzuschlagen.

"Andrew... Du... Du kannst dich nächste Woche in der Umkleide umziehn, ich... ich kümmer mich drum..."

Ich nickte nur. Zu mehr war ich für heute einfach nicht mehr im Stande. Die Tränen liefen über meine Wangen. Wütend wischte ich sie weg und setzte mein überzeugendstes Lächeln auf, sobald mein Freund in meinem Sichtfeld erschien. 



Dexter JonesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt