Andrew's P.O.V.
"Das wird nie was...", Dexter fuhr sich frustriert mit den Händen durch seine dunklen Haare. Den gesamten Mittwochnachmittag hatten wir bereits mit Recherche und ersten Anrufen verbracht, um Dexter irgendeinen Job zu besorgen. Das wohl größte Problem, neben seinem Aufhält im Gefängnis, war eindeutig sein nicht vorhandener Schulabschluss. Bereits mehrere Restaurants, wo er als Kellner hätte anfangen können, hatten ihn abgelehnt, genauso die Bäckerei, die ganz in der Nähe meiner Schule war. Ich wusste, dass Dexter keine Lust mehr hatte und sich in seiner Ansicht nur bestätigt fühlte, auch ich war längst nicht mehr so enthusiastisch wie am Anfang, auch wenn ich versuchte, mir das nicht anmerken zu lassen.
"Das wird schon noch, wir müssen nur noch mal gucken..."
"Können wir bitte wenigstens eine Pause machen? Ich werde sonst noch wahnsinnig!", die Miene meines Freundes erhellte sich augenblicklich, als ich ergeben nickte.
"Kommst du mit, eine Runde nach draußen? Ich brauche echt frische Luft!", fragte ich.
Er bejahte und so zogen wir uns Schuhe und Jacken an und verließen das Haus. Ich ging beinahe schon automatisch los, ich hatte eine Standartrunde, die ich öfter mal nutzte, um den Kopf etwas frei zu kriegen. Eine Angewohnheit, mit der Darren mich nicht selten aufzog.
"Wie war es in der Schule?", fragte Dexter unvermittelt.
"Gut", murmelte ich geistesabwesend.
"Klingt wahnsinnig überzeugend..."
"Na ja, es ist halt Schule", brummte ich.
Er lachte leise: "Okay, ich hör schon auf..."
Ich musste ebenfalls lächeln: "Ist schon gut! Es war... okay. Ich hatte heute Bio und ich hasse Bio! Ich weiß auch nicht, ich versteh den Scheiß einfach nicht..."
"Was macht ihr den gerade?", zu meiner Freude wirkte Dexter wirklich interessiert.
"Transkription und Translation und diesen ganzen Mist... Das ist doch alles das gleiche!"
"Soll ich mir das mal angucken? Ich war eigentlich ganz gut in Bio...", bot Dexter an.
Eine wohlige Wärme breitete sich in meiner Brust aus: "Das ist süß von dir!"
Der Tätowierte wirkte beinahe ein wenig verlegen und murmelte nur: "Du bist süß..."
Kurz bevor wir wieder bei mir zu Hause ankamen, verlangsamten sich Dexters Schritte plötzlich. Irritiert folgte ich seinem Blick und erdeckte eine Gärtnerei.
"Was ist?", fragte ich.
"Hm? Ach, nichts! Komm, lass uns zu dir gehen..."
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen, natürlich, Dexter kannte sich mit Pflanzen aller Art aus und konnte ganz eindeutig anpacken. Wenn es einen Job gab, der ihm gefiel, dann war das wohl dieser. Entschlossen lenkte ich meine Schritte zu der Gärtnerei und betrachtete die Aushänge im Schaufenster. "Dex! Guck mal, die suchen eine Aushilfe! Und die haben noch eine halbe Stunde offen!"
"Und?"
"Wie, und?! Nichts wie rein mit dir!"
"Andrew, das haben wir doch heute schon oft genug gehört, ohne Abschluss kann ich das vergessen!"
"Blödsinn! Denen vom Restaurant ging dein Abschluss am Arsch vorbei, die wollten nur keinen verurteilten Straftäter. Du musst es halt einfach versuchen!", beharrte ich.
"Du hast leicht reden, du hast heute nicht sieben Absagen kassiert!", hielt er dagegen.
"Kann sein, aber du wirst immer bereuen, wenn du es nicht zumindest versuchst. Mal im Ernst, schlimmer kann's doch heute eigentlich gar nicht mehr werden, was macht da eine Absage mehr?"
"Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass du ein Helfersyndrom hast? Ich hoffe, dir ist klar, dass das verdammt gefährlich sein kann ,wenn man damit an die falschen Leute gerät...", seine Stimme hatte den leicht spöttischen Ton angenommen, den er immer nutzte, wenn er nicht mehr weiter wusste.
"Hör auf, vom Thema abzulenken! Ich komm auch mit, wenn du willst... Bitte, versuch's, für mich..."
Seufzend straffte er die Schultern: "Lass es uns hinter uns bringen..."
"Das wollte ich hören", zufrieden grinsend stellte ich mich auf die Zehenspitzen und küsst ihn auf die Wange. Dann öffnete Dexter schon die Tür und trat von mir gefolgt ein.
"Hallo, kann ich Ihnen helfen?", der Verkäufer war ein Mann um die Fünfzig, die ersten grauen Haare waren in seinem sonst schwarzen Haarschopf erkennbar. Insgesamt machte er mit seiner etwas breiteren Statur und dem warmen Lächeln einen eher gemütlichen, aber durchaus sympatischen Eindruck.
"Hallo, ich habe Ihren Aushang gesehen, dass sie eine Aushilfe suchen. Und ähm", Dexter räusperte sich, "da dachten wir, fragen wir einfach mal nach..."
"Kommen Sie doch mit nach hinten, da können wir das besser besprechen!", der Mann ging uns voraus, öffnete eine schlichte grüne Tür und bedeutete uns mit einer einladenden Geste das kleine Büro zu betreten. Wir ließen uns ihm gegenüber an einem Schreibtisch nieder.
"Vielleicht stelle ich mich erstmal vor, ich bin Elliot Harris und mir gehört der Laden. Ich suche tatsächlich eine Aushilfe, mein Angestellter ist kurzfristig erkrankt und ich bin nicht sicher, wie lange er ausfällt und ob er überhaupt wieder hier anfangen will.", erklärte Mr. Harris, "Aber wie wäre es, wenn Sie mir erstmal erzählen, wer Sie sind und was Sie sich unter einem Job hier vorstellen würden?"
"Natürlich", Dexter hatte sein Pokerface aufgesetzt, aber ich hätte meine rechte Hand verwettet, dass er innerlich verdammt nervös war, "Mein Name ist Dexter Jones und ich bin Einundzwanzig Jahre alt."
Mein Freund hielt kurz inne, weswegen ich, in der Hoffnung, ihn ermutigen zu können, meine Hand auf seine zusammengeballte Faust legte, was ihn tatsächlich zum Weitersprechen bewegte: "Ich sollte wohl direkt die Karten auf den Tisch legen, ich habe keinen Schulabschluss und ich war vier Jahre im Gefängnis. Aber ich hab in meiner Jugend viel Zeit in einer Gärtnerei verbracht, ich kann mit Pflanzen umgehen und Gartenarbeit ist auch kein Problem für mich. Ich weiß, dass Sie vermutlich jemand anderen suchen, aber ich würde hier wirklich gerne arbeiten und ich müsste nicht mal besonders aufwendig eingearbeitet werden..."
Zum ersten Mal an diesem Tag fiel mir dieses kleines Funkeln in Dexters Augen auf, dieses Funkeln der Begeisterung.
Mr. Harris hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und den Brünetten fixiert, nachdenklich legte er die Stirn in Falten: "Ich verstehe...", er wandte sich mir zu, "Sie sind ein Freund?"
"Oh, entschuldigen Sie, ich hab mich gar nicht vorgestellt! Ich bin Andrew Daniels, Dexters Partner."
Seine Augen weiteten sich kurz, er nickte verstehend: "Nun gut, ich will ehrlich sein, ich muss darüber nachdenken, wie sich Ihre Vergangenheit auf Ihre mögliche Zukunft bei mir auswirkt. Ich kann Ihnen auch nicht allzu viel zahlen, weil Sie keinen Abschluss haben. Allerdings wäre es unter Umständen nicht undenkbar, dass Sie mir hier vorerst zur Hand gehen und abends ihren Abschluss nachholen und danach eine Ausbildung bei mir anfangen. Aber ich würde gerne erstmal noch mehr über Sie erfahren, erzählen Sie mir doch bitte noch ein bisschen von sich!"
Dexter schien aus diesen Worten Hoffnung geschöpft zu haben, denn er wirkte schon wesentlich ruhiger als er fortfuhr sich vorzustellen. Ich hoffte wirklich, dass Mr. Harris ihm den Job geben würde.
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Dexter Jones
Novela JuvenilDexters Leben war noch nie einfach, doch als der Einundzwanzigjährige nach vier Jahren aus dem Gefängnis kommt, scheint er am Tiefpunkt angekommen zu sein. Perspektivlos wie er ist, versucht er sich über Wasser zu halten. Doch seine Lage verändert s...