30 -Unpassende Momente-

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Andrew's P.O.V.

"Dexter, wie alt bist du, wenn ich mal so direkt fragen darf?", Mum gab sich echte Mühe, entspant zu sein, was ich ihr hoch anrechnete, trotzdem war ich sicher, dass sie noch mit mir schimpfen würde, weil ich ihr nichts gesagt hatte. 

"Ich bin einundzwanzig", Dexter sprach im gleichen ruhigen Ton, den er auch immer drauf hatte, wenn er mich zu beruhigen versuchte.  

"Einundzwanzig... Jünger als ich geschätzt hätte, das beruhigt mich ehrlich gesagt ein bisschen. Andrew ist ja schließlich noch nicht mal volljährig..."

"Ja, noch zwei Wochen!", beschwerte ich mich.

"Ist ja schon gut, ich höre schon auf", sie lächelte mich an, "Wie habt ihr euch denn kennengelernt?"

Und schon kam die erste Frage, die sich nicht so leicht beantworten ließ. Ich konnte ihr ja schlecht erzählen, dass ich an einem Donnerstagabend alleine was trinken gegangen war, mich dann mit Dexter unterhalten hatte und schließlich noch von ihm gerettet worden war, als alte Bekannte von ihm mich ausrauben wollten. Dexter sah mich mit der gleichen Verunsicherung an.

"Ähm... Also an dem Donnerstag, an dem ihr gefahren seid, hab ich ihn... getroffen, als ich nach der Arbeit nach Hause gelaufen bin...", ich klang wohl nicht allzu überzeugend, jedenfalls sprang Dexter mir ziemlich schnell bei.

"Na ja, er hatte nicht den besten Tag, ich wollte wissen, ob bei ihm alles in Ordnung ist und so sind wir dann ins Gespräch gekommen..."

Mum runzelte leicht die Stirn, fragte aber nicht weiter nach. "Dexter, hast du heute Abend noch etwas Zeit und Lust, zum Abendessen da zu bleiben oder wirst du noch irgendwo erwartet? Dann würde Liam, also Andys Dad, dich auch noch kennenlernen..."

Der Dunkelhaarige sah mich fragend an. Ich fand es süß, dass er kontrollieren wollte, dass mir das nicht unangenehm war. Ein Schmunzeln trat auf mein Gesicht, als ich ihm leicht zunickte. 

"Ich würde gerne noch bleiben."

"Sehr gut! Ich würde dann schon mal mit dem Kochen anfangen", geschäftig stand Mum auf. 

"Sollen wir helfen?", fragte ich.

Sie lächelte mich an: "Lasst mal. Geht ruhig hoch, wenn ihr noch ein bisschen für euch sein wollt..."

"Ich mag deine Mum", brummte Dexter nur fünf Minuten später leise und streichele meinen Oberarm. Wir saßen nebeneinander auf dem Bett, die Beine ausgestreckt, Dexters Arm um meine Schulter, mein Kopf leicht an seine Brust gelehnt. 

"Ich glaub, sie mag dich auch. Sie kann dich nur noch nicht einschätzen...", erwiderte ich zufrieden.

"Jetzt vielleicht noch... Wenn sie rausfindet, dass-", ein schriller Handyton unterbrach ihn. Verwirrt sah ich auf mein Smartphone, doch ich hatte keine neue Nachricht und der Ton war mir auch nicht bekannt vorgekommen. Dexter fluchte leise und kramte in seiner Hosentasche. Er beförderte ein kleines schwarzes Tastenhandy ans Licht und runzelte die Stirn: "Scheiß Teil..."

"Seit wann hast du ein Handy?", ich konnte den anklagenden Klang einfach nicht aus meiner Stimme verbannen.

"Was? Oh, nicht lange...", hastig steckte er es wieder weg.

Mit einer unguten Vorahnung richtete ich mich auf: "Dexter, hast du das geklaut?!"

"Nein! Warum sollte ich?! Ich hasse die Dinger!"

"Dann gib mal her, ich geb dir meine Nummer!", forderte ich einige Oktaven zu hoch.

"Das geht nicht!"

"Ach ja? Und warum nicht? Dexter, warum nicht?!"

Er raufte sich die Haare: "Weil- Verdammt, weil ich das gesagt hab!"

"Sag mir die Wahrheit!"

"Ich... Das Handy ist ein Wegwerfhandy."

"Warum hast du ein Wegwerfhandy?", die Tränen bahnten sich bereits den Weg in meine Augen.

"Scheiße, weil man das nicht zurückverfolgen kann! Andrew, bitte hör mir zu! Bitte, ich erklär's dir, ich schwöre!"

"Was gibt's da zu erklären?"

"Ich... Scheiße, ich brauchte Geld! Ich war bei einer Bekannten, die einen Job für mich hatte. Als du mir gesagt hast, dass ich bei Mr. Harris anfangen kann, da wollte ich sofort bei ihr anrufen und ihr sagen, dass ich raus bin, ich verspreche es dir. Aber ich wollte nicht, dass du davon was mitbekommst..."

"Weißt du noch, was ich dir gesagt habe, bevor wir zusammen nach einem Job für dich gesucht haben?", fast tonlos hallten die Worte schwer durch den Raum.

"Dass du mich nicht im Gefängnis besuchen kommst..."

Ich sah in sein Gesicht und mir stockte der Atem. In Dexters kupferbraunen Augen konnte ich Tränen erkennen. Ich war vergleichsweise nah am Wasser gebaut, immer wenn ich mich stritt, fing ich früher oder später an zu weinen, aber Dexter? Dexter war so anders als ich, doch in diesem Moment konnte ich nicht mehr ignorieren, dass er nur ein Mensch war. Ein Mensch, der versuchte das Richtige zu tun -auf seine Art. 

"Ich liebe dich", noch während ich die Worte aus meinem eigenen Mund kommen hörte, wurde mir klar, wie unendlich unpassend der Moment für Liebesgeständnisse war, aber ich konnte und wollte es nicht zurücknehmen. 

"Was? Ich...", überrumpelt zwinkerte mein Freund ein paar mal schnell hintereinander, "Mein Gott, ich liebe dich auch, Drew!"

Dexter JonesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt