2 -Ein verfickt beschissener Tag-

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Andrew's P.O.V.

"Viel Spaß in der Schule, Schatz!", rief meine Mutter mir hinterher, während ich mir die Kopfhörer in die Ohren schob und mich widerstrebend auf den Weg zur Schule machte. Wenigstens war es schon Donnerstag, nur noch heute und morgen und ich hatte es wieder eine Woche überlebt. Außerdem flogen meine Eltern für eine Woche nach Paris, um ihre Silberhochzeit zu feiern, mit anderen Worten, ich war für eine ganze Woche alleine zu Hause. 

Als ich an der Schule ankam, suchte ich als erstes meinen besten Freund Darren. Wir kannten uns von klein auf, es gab niemanden auf diesem Planten, dem ich auch nur annähernd so gut vertraue konnte, wie dem mittelgroßen blassen Jungen. Seine Haare waren flammend rot, weswegen er schon so manches Mal einen Spruch einstecken musste, doch ihn bekam man nicht so schnell klein. Vielleicht war das sogar einer der Gründe, wieso ich so froh war, ihn in meinem Leben zu haben, denn als schwuler Siebzehnjähriger brauchte man an der Highschool definitiv so einen Freund. Einen Freund, der einen tröstete und zu dem man irgendwie auch aufsehen konnte. 

"Hey, Andy", murmelte Darren müde, als ich ihn endlich fand. 

"Morgen", sagte ich. "Weißt du, was wir gleich haben?"

"Geschichte", brummte er mit einer Stimme, die es nicht schwer machte zu begreifen, dass er von dieser Tatsache alles andere als begeistert war. 

Allein bei dem Gedanken an Mr Baker musste ich so heftig gähnen, dass selbst Darren, der ein echter Morgenmuffel war, sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte.

Allerdings war Geschichte an diesem Tag weiß Gott nicht mein schlimmstes Fach. Nein, denn in den letzten beiden Stunden hatte ich Sport, ohne Darren, dafür aber mit den beiden Muskelpaketen Blaze Carter und Kay Walker. Mit anderen Worten ich würde wie jede Woche meinen wahr gewordenen Albtraum erleben. Ich würde gerne behaupten können, dass ich jemals den Mut gehabt hätte, irgendetwas zu erwidern und mich zu wehren, wenn Blaze und Kay sich mal wieder über mich ausließen, doch so war ich nicht. Im generellen war ich nun einmal eher in mich gekehrt und ganz sicher nicht extrovertiert. Darren zog mich manchmal damit auf, dass ich bei ihm doch auch mal wieder so ruhig sein sollte, wenn ich ihn morgens nervte.
Auch gehörte ich nicht zu den Menschen, die sich ihr Leben lang fragten, was sie getan hatten, um so runtergemacht zu werden. Ich wusste ganz genau, was für ein Problem die beiden seit exakt fünf Monaten mit mir hatten. Vor fünf Monaten war herausgekommen, dass ich schwul war. Vielleicht hätten Blaze und Kay das sogar ignoriert, aber die Tatsache, dass wir zusammen Sport hatten und uns somit logischerweise in der gleichen Umkleidekabine umgezogen hatten, gefiel ihnen ganz offensichtlich nicht. Andererseits hatte Blaze mich auch vorher nicht immer besonders nett behandelt, aber wenigstens für Kay war ich einfach Luft gewesen. 

Auch heute schnappte ich mir meine Sportsachen, um mich auf der Toilette umzuziehen, um auch ja niemanden versehentlich anzuspringen. Ich fühlte mich albern, wie ich mich so auf dem Klo versteckte und wartete, bis die Umkleide wieder leer war, um meine Sache dort ablegen zu können. Aber es war für mich nicht nur die angenehmste, sondern auch die einfachste Möglichkeit, Blaze und Kay aus dem Weg zu gehen.  

Dieser Tag sollte sich als besonders beschissen entpuppen, denn wir mussten mit dem äußerst jungen und motivierten Mr Davis ausgerechnet Paartanz machen. Aber damit nicht genug, in meinem Kurs waren exakt elf Mädchen und dreizehn Jungen, weswegen logischerweise zwei Jungen zusammen tanzen mussten. Mir war von Anfang an klar, dass ich einer dieser Jungen sein würde, da wir uns selbst einen Partner suchen sollten und ich in diesem Sportkurs definitiv alles hatte, nur keine Freunde. Fraglich war nur noch, wer mein Schicksal teilen musste und damit vermutlich bis Ende des Jahres Sprüche über sich ergehen lassen musste, weil er mit der Schwuchtel getanzt hatte. Zu meiner Überraschung ließ sich mein Unglück sogar noch steigern, denn ausgerechnet Blaze fand keine Partnerin. Weshalb war mir schleierhaft, eigentlich sah er nämlich nicht unattraktiv aus und war auch relativ beliebt. Andererseits war seine Ex ebenfalls in diesem Kurs und mit ihr ein Haufen mitfühlender Mädchen, die Blaze auch einen Monat nach der Trennung noch vernichtende Blicke entgegen schleuderten. 

Mein einziger Trost war Blaze' schockierter Blick, als er realisierte, dass alle, außer natürlich mir, sich bereits zu zweit zusammen getan hatten. Sein Gesichtsausdruck sah genauso aus, wie ich mich fühlte, voller Abscheu und Entsetzen. 

"Ich tanze nicht mit der Schwuchtel!", rief er.

"Mr Carter, ich verbitte mir solche Ausdrücke in meinem Unterricht! Sparen Sie sich ihr Feuer lieber für's Tanzen auf!", empörte sich Mr Davis.  

Tatsächlich hielt Blaze jetzt den Mund, kam mit einem verbissenen Gesichtsausdruck auf mich zu und knurrte lediglich: "Du bist die Frau!"

Schnell guckte ich auf den Boden und nickte. Ich fühlte mich unbehaglich, wenn ich ihm in die Augen sah und außerdem wollte ich ihn nicht noch irgendwie provozieren.
Erstaunlich sanft griff Blaze mir an die Taille. Er sprach die gesamte Stunde kein einziges Wort mit mir, was mir allerdings eh zu gute kam. Zwar konnte ich nicht behaupten, dass einer von uns je ein begnadeter Tänzer werden würde, doch tatsächlich lief auch das nicht so schlecht, wie ich gedacht hatte.
Doch meine so unverhoffte Glückssträhne hielt nicht lange an, kaum das die Stunde vorüber war, schubste der große Junge mich so heftig von sich, dass ich mich nur noch gerade so auf den Beinen halten konnte. Angesäuert ging ich erneut auf die Toiletten, um mich wieder umzuziehen. Als ich jedoch fertig umgezogen den Schulhof gerade verließ, wurde ich heftig am Kragen gepackt und gegen eine Hauswand geschleudert. Mein Hinterkopf knallte gegen den Stein, der Schmerz trieb mir die Tränen in die Augen.

"Wenn du irgendwem sagst, dass ich mit dir getanzt hab, mach ich dich kalt, verstanden?", knurrte Blaze in mein Ohr.

Hektisch versuchte ich mich von ihm wegzudrücken und nickte, auch wenn ich den Sinn hinter seiner Drohung nicht begriff, unser gesamter Sportkurs hatte uns schließlich bereits zusammen gesehen.

"Dann ist ja gut", brummte er und ließ mich am Boden sitzend zurück.

Dexter JonesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt