Andrew's P.O.V.
Ich lag mit dem Kopf auf Dexters Brust, ein Arm auf seinem flachen Bauch und lauschte seinem ruhigen Atem und dem gleichmäßigem Klopfen seines Herzen. Wir hatten eigentlich einen Film gucken wollen, doch mein Freund war schon nach zwanzig Minuten eingenickt. Der Tag hatte ihn wohl doch mehr beansprucht als ich erwartet hatte. Er sah schlafend immer so friedlich aus, dass er ironischerweise einem Engel ähnelte. Einem Engel mit ziemlich vielen Tattoos. Sanft strich ich mit dem Zeigefinger über den kleinen Adlerkopf, der sich auf der Innenseite seines linken Handgelenks befand. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, was all die Tinte für ihn wohl zu bedeuten hatte.
"Ich bin wieder da", die gedämpfte Stimme meines Dads, die aus dem Flur drang, ließ mich zusammenzucken. Die Idylle war mit einem Schlag vorbei. Besorgt löste ich mich so vorsichtig wie möglich aus Dexters Armen. Er murmelte irgendetwas unverständliches und drehte sich auf die Seite. Auf Zehenspitzen schlich ich zu meiner Zimmertür und drückte mein Ohr dagegen. Vielleicht konnte ich so aufschnappen, ob Mum Dad erzählte, dass mein Freund da war. Einerseits meldete sich sofort meine Sorge, ich wollte Dexter nicht wegschicken, aber andererseits war da auch diese wütende Entschlossenheit, die in meinem Bauch heranschwoll und mir befahl zu kämpfen. Dexter war mein Freund und ich war kein kleines Kind mehr, wenn ich wollte, dass er blieb, dann würde er bleiben.
"Hallo Schatz", hörte ich erneut meinen Dad, dieses Mal allerdings aufgrund seiner verringerten Lautstärke undeutlicher.
"Hi", kurz hörte ich nichts mehr, vermutlich küssten sie sich.
"Wann gibt's Essen?", erkundigte er sich.
"In einer halben Stunde, denke ich."
"Ist Andy in seinem Zimmer?"
"Ja, aber an deiner Stelle würde ich jetzt nicht da rein gehen..."
Mein Dad seufzte: "Ist er immer noch eingeschnappt?"
"Das auch, aber in erster Linie meinte ich, dass Dexter bei ihm ist. Und ich verstehe immer noch nicht, weshalb du dich nicht einfach entschuldigst. Ich wäre an seiner Stelle auch noch sauer...", wenigstens Mum verstand mich.
"Ich rede später mit ihm... Wenn ihr alle unbedingt wollt, dass er in sein eigenes Verderben rennt, dann will ich euch nicht im Weg stehen, aber wenn er in drei Monaten mit gebrochenem Herz in seinem Bett liegt, will ich nicht hören, ich hätte ihn nicht gewarnt. Das ist einfach-", mehr brauchte ich nicht zu hören. Es enttäuschte mich tief, dass mein Dad sich nicht einmal die Mühe machte, Dexter kennenzulernen, nicht einmal versuchte, ihm eine Chance zu geben. Vielleicht war es schon ein Fortschritt, dass er ihn nicht wegschicken wollte, aber der Triumph meinerseits blieb aus. Ernüchtert griff ich nach einem Buch, dass ich noch für die Schule lesen musste und kuschelte mich an meinen Freund.
Gähnend rieb ich mir die Augen. Wieso las man in der Schule eigentlich nie etwas auch nur ansatzweise Spannendes? Seufzend zwang ich mich zum Weiterlesen, doch schon bald fielen mir die Augen zu.
Grelle Helligkeit drang durch meine Lider hindurch und riss mich aus dem Schlaf.
"Siehst du, ich hab doch gesagt, die beiden machen nichts unanständiges. Mach endlich das Licht wieder aus, du weckst sie noch...", flüsterte meine Mum."Ist ja gut, mein Gott! Vielleicht habe ich ein wenig voreilig geurteilt, aber-", das Licht ging wieder aus und die Tür wurde leise geschlossen.
Mit zusammengekniffenen Augen sah ich auf mein Handy, es war neun Uhr. Kurz überlegte ich, ob ich Dexter wohl wecken und nach Hause schicken sollte, aber er lag so friedlich da, dass ich ihn nicht stören wollte. Stattdessen zog ich mir mein Shirt und meine Jeans aus und legte mich wieder neben ihn. Er grummelte leise und zog mich an seine Brust. Entspannt schloss ich die Augen und atmete tief ein. Sein Geruch beruhigte mich, seine Anwesenheit lies mich Geborgenheit fühlen. Ich war am sichersten und schönsten Ort, den ich mir vorstellen konnte. Ich lag in Dexters Armen.
"Baby?", die raue Stimme des Dunkelhaarigen ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen.
"Mh?"
"Du musst aufwachen...", noch immer hatte ich die Augen geschlossen. Er lachte leise und begann mein gesamtes Gesicht inklusive meiner geschlossenen Lider mit Küssen zu bedecken. Als er endlich bei meinen Lippen ankam, hörte er jedoch auf. Empört öffnete ich die Augen: "Ey! Hast du nicht was vergessen?!"
"Was denn?", gespielt grüblerisch runzelte Dexter die Stirn.
"Na das!", ich stützte mich auf meinen Ellbogen um auf einer Höhe mit ihm zu sein und legte meine freie Hand an seine Wange. Mit leicht schief gelegtem Kopf verringerte ich den Abstand zwischen unseren Köpfen, Zentimeter für Zentimeter. Mein Blick wanderte gierig immer wieder von seinen kupferbraunen Augen zu seinen Lippen. Ich sah gerade noch sein flüchtiges Lächeln bevor ich die Augen schloss und unsere Lippen miteinander verband. Erst bewegten wir nur unschuldig die Lippen aufeinander, doch dann spürte ich, wie Dexters Mund sich leicht öffnete und seine Zunge spielerisch meine Unterlippe anstupste. Ich keuchte leise auf, teilte meine Lippen und erwiderte das Zungenspiel.
"Jetzt müssen wir aber wirklich aufstehen!", leicht atemlos versuchte Dexter mich streng anzusehen, doch der Schalk blitzte mich aus seinen Augen an.
"Spießer...", ich grinste breit und wollte gerade aufstehen, als ich mitten in der Bewegung stockte. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich ein kleines morgendliches Problem hatte. Die gesamte Woche, in der Dexter die Nächte an meiner Seite verbracht hatte, war ich davor verschont geblieben, aber ausgerechnet nach einer intensiven Knutscherei musste mein Schwanz wieder sein Eigenleben entwickeln! Augenblicklich schoss mir die Röte ins Gesicht, während ich ähnlich steif wie mein Penis im Bett saß.
"Alles okay bei dir?", belustigt aber auch leicht verunsichert musterte Dex mich.
"Ähm, klar! Was sollte auch nicht okay sein?!", leicht hysterisch lachte ich gekünstelt, "willst du nicht schon mal aufstehen, ich komm dann gleich!"
"Drew?", er setzte sich auf, "Was zur Hölle ist los?"
"Ich...", ich senkte den Blick, ich wollte gar nicht wissen, wie knallrot ich gerade war, "Es ist morgens..."
"Ja, das weiß ich, deshalb hab ich dich ja gewe- Oh! Klar, ich verstehe!", ich traute mich, wieder aufzusehen und erblickte Dex, der offensichtlich krampfhaft versuchte, nicht in Lachen auszubrechen.
"Lach mich nicht aus!", beschwerte ich mich.
"Okay", brachte er lachend hervor. Gerührt grinste er mich an, nachdem er sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln gewischt hatte: "Tut mir leid, du bist einfach zu süß! Das muss dir doch nicht peinlich sein! Ich bin auch ein Mann und ich war auch mal in der Pubertät, mir ist schon klar, dass das halt manchmal passiert... Ehrlich, das ist nicht schlimm, okay?"
"Du bist doof...", murmelte ich verlegen, lächelte aber.
"Ich liebe dich."
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Dexter Jones
Teen FictionDexters Leben war noch nie einfach, doch als der Einundzwanzigjährige nach vier Jahren aus dem Gefängnis kommt, scheint er am Tiefpunkt angekommen zu sein. Perspektivlos wie er ist, versucht er sich über Wasser zu halten. Doch seine Lage verändert s...