Kat
Ich bin mir nicht sicher, wann ich das letzte Mal so beschissene Tage hinter mir habe. Vielleicht als mein Dad starb? Aber da hatte ich jemanden zum Reden, jemanden der für mich da war. Dieses Mal ist es anders. Dieses Mal stehe ich alleine da. Rose und Alice sagen zwar, ich kann mit ihnen reden, aber ich will nicht darüber sprechen. Es ist einfach nur deprimierend.
Ich packe die Tasche von Alice und trage sie zur Wohnungstüre. Für die Tatsache, dass sie nur drei Tage in New York ist, hat sie eine Menge Zeugs eingepackt. Aber ich darf wahrscheinlich nicht urteilen, ich wäre noch schlimmer.
„Was hast du da alles drin? Steine?", bringe ich hervor und lasse die Tasche auf den Boden plumpsen.
Alice kommt hektisch auf mich zu. „Oh Gott, ich hoffe ich habe alles." Ich kann zu sehen, wie sie in Gedanken nochmal alles durchgeht. Auf ihren Fingern zählt sie ihre Habseligkeiten ab, schlussendlich nickt sie. „Ja ich glaube ich habe alles. Das wichtigste ist das Kleid für die Gala."
„Schwer genug ist sie zumindest.", murmle ich und stemme die Hände in die Hüfte.
Rose tritt neben mich. Ich werfe ihr einen kurzen Blick zu und seit heute Morgen frage ich mich, wann ich sie das letzte Mal so glücklich erlebt habe. Das Grinsen geht ihr gar nicht mehr aus dem Gesicht. „Ach, ich würde auch gerne mal nach New York. Die Stadt muss unbeschreiblich sein, richtig überwältigend oder nicht?", fragt sie Alice und sieht sie erwartungsvoll und strahlend an.
Doch Alice bringt nicht mehr zustande, als ein überschaubares Zucken mit den Schultern. „Ich bin von New York nach London geflüchtet. Ich glaube, da fragst du die falsche."
Ich weiß, was auf Alice zukommt. Unangenehme Momente mit ihren Eltern auf einer Gala, auf der sie nie sein will und sich mit fremden Leuten unterhalten. Ich kann es gut nachvollziehen, dass sie bei diesem Gedanken Bauchkrämpfe bekommt. Meine Mutter ist ja auch nicht gerade der blonde Engel mit einem hellen Heiligenschein, den man hinter den unzähligen Schichten aus Make-up und Parfum vermutet. Wie es wohl wäre, wenn man Alice Eltern und meine Mutter zusammenstecken würde? Es wäre bestimmt ein filmreifes Material.
„Okay, Mädels.", sagt Alice schließlich, nachdem sie sich ihren Mantel angezogen hat und den blauen Schal, wohl eher Teppich, um den Hals gebunden hat. Sie breitet die Arme aus und lächelt uns beide warm an. „Es sind nur drei Tage, aber es ist nie schön von euch getrennt zu sein."
Rose fliegt ihr um den Hals und drückt sie an sich. „Keine Sorge, wir halten hier die Stellung. Und versuche trotzdem Thanksgiving zu genießen.", nuschelt sie in Alice blauen Teppich und löst sich wieder von ihr.
„Ich sollte offiziell als Europäerin gelten, wenn ich als geborene Amerikanerin Thanksgiving verabscheue.", seufzt Alice und sieht mich an.
„Ich glaube das bist auch schon so.", sage ich und ringe mich zu einem Lächeln. Dann ziehe ich sie in eine Umarmung, drücke sie fest an mich. Es wird bestimmt ruhig in der WG, aber vor allem werde ich sie vermissen.
Alice hat mich in den letzten Tag nicht mehr auf Luke angesprochen, worüber ich sehr dankbar bin. Aber ich merke ihre Blicke, die sie mir zuwirft um zu überprüfen wie es mir geht. Auch Rose geht vorsichtiger mit mir um. Ich weiß, dass sie es nur gut meint, aber ich wünschte, sie würde es nicht tun. Ich hatte doch bloß Streit mit meinem besten Freund, mit dem ich irgendwie zusammen war, er aber wieder Schluss gemacht hat und es dann mit einer anderen getrieben hat, obwohl wir noch nicht wirklich fertig waren miteinander. Solche Probleme hat doch jeder Mal, oder nicht? Ich freue mich auf den Moment, wo ich über diese ganze groteske Situation lachen kann. Aber im Moment möchte ich gerne heulen, mich wie ein Embryo im Bett zusammenrollen und Berge von Eis in mich hineinstopfen. Wenn ich so darüber nachdenken, könnte ich das ja heute Abend wirklich machen.
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Love, friendship and other problems
RomanceDie drei Freundinnen Alice, Rose und Kat können nicht unterschiedlicher sein. Aber in einer Sache sind sie sich einig. Sie brauchen eine Pause von Männern, und zwar jetzt. Also schließen sie einen Pakt, dass sie ein Jahr auf Männer verzichten. Aber...