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Rose

Seit zwei Stunden sitzt er schon da. Seit zwei Stunden sehe ich ihm zu, wie er auf seinem Laptop herumtippt. Seit zwei Stunden bin ich völlig neben der Spur.

Charlie ist heute in den Café Laden hereinspaziert, hat mich angelächelt, etwas bestellt und sich dann auf einen Platz am Fenster gesetzt. Und da sitzt er jetzt. Er ist völlig in seine Arbeit vertieft und hat nur zwei Mal seinen Blick in meine Richtung gleiten lassen. Das erste Mal bemerkte ich es in meinem Augenwinkel, das zweite Mal sahen wir uns direkt in die Augen. Es war wie ein Blitzschlag.

„Rose?", höre ich eine Stimme neben mir.

Ich blicke hektisch auf und starre in Henrys Gesicht. Verwirrt mustert er mich und hält mir einen nassen Lappen hin. „Was?"

„Gehst du mal die Tische abwischen? Ich übernehme hier.", befiehlt er mir und ringt sich zu einem Lächeln. Im Ernst jetzt? Ich hatte gehofft, mich für den Rest des Tages hier hinter dem Tresen zu verstecken. Es ist wie ein Schutzschild für mich. Ich kann Charlie zwar sehen, aber er kommt mir nicht zu nahe. Er kann mir nicht zu nahekommen und so kann mir auch nichts passieren. Aber jetzt befielt mir mein Chef gerade, dass ich meinem sicheren geschützten Bereich verlassen soll und mich ihm somit völlig ausliefern muss. Aber ich brauche nicht mal zu überlegen, ob ich dieser Situation irgendwie entkommen kann. Ich bin heute die einzige Frau in der Arbeit, natürlich muss ich die Tische abwischen. Herr Gott nochmal, warum muss ich die Tische abwischen? Als Strafe, weil ich eine Frau bin? Die Gesellschaft ist verrückt.

Benommen nicke ich und nehme den Lappen in meine Hand. Mit langsamen Schritten bewege ich mich um den Tresen herum und trete aus meiner Wohlfühlzone heraus. Mein Blick fliegt zu Charlie, aber er bemerkt mich nicht. Ich beginne die Tische hinter seinem Rücken abzuwischen. Ich lasse mir Zeit damit, aber länger kann ich es nicht mehr aufschieben. Ich trete neben ihn und sehe auf ihn hinab. Es gibt mir ein besseres Gefühl, als wäre ich ihm in diesen Moment überlegen.

„Es gibt hunderte von Cafés in London. Aber nein, Charlie sucht sich das hier aus.", sage ich sarkastisch und lächle gezwungen.

Charlie sieht auf und lässt von seinem Laptop ab. Dann erwidert er mein Lächeln, aber bei ihm sieht es ehrlich aus. „Hier weiß ich, dass es eine süße Bedienung gibt."

Ich verdrehe die Augen und wische den Tisch ab. Dann fällt mein Blick auf seinen Laptop. „Was schreibst du? Du tippst schon seit zwei Stunden ziemlich eifrig darauf herum." Meine Neugierde ist geweckt. Charlie hat früher nie etwas geschrieben, bloß die langen Nachrichten, wenn er sich bei mir entschuldigt hat. Wie so oft.

„Ich ähm ... ich schreibe einen neuen Blogeintrag.", murmelt er und räuspert sich.

Ich sehe ihn an und er erwidert meinen Blick. Meint er das ernst? Einen Blogeintrag? „Ach ja?", sage ich verwundert und versuche einen Blick auf den Bildschirm zu erhaschen. Aber Charlie klappt den Laptop schnell zu, bevor ich überhaupt was erkennen kann.

Frech grinst er mich an. „Ich mache dir einen Vorschlag. Wenn du mehr über den Blog wissen willst, musst du mit mir ausgehen."

Ich starre ihn an. Wie witzig, er erpresst mich. Er weiß, wie neugierig ich bin und nützt das schamlos aus. Kurz überlege ich, ob ich den Blog von alleine finden würde. Aber ich habe keine Ahnung, über was er schreibt geschweige denn wie er heißt. Ich weiß gar nichts darüber. Mist. „Ich musste immer schon über deine witzigen Ideen lachen. Aber nein danke, ich lehne ab." Zuckersüß grinse ich ihn an. Er hat wirklich geglaubt, dass ich einknicke. Tja, Überraschung Charlie Foster, wir haben uns beide weiterentwickelt und so dumm wie früher bin ich nicht mehr.

Ich will gerade zum nächsten Tisch weiter, da ergreift er mein Handgelenk. „Komm schon, Rose."

Mein Körper erstarrt und ich sehe zu ihm hinab. Dicht stehe ich neben ihm und spüre seine Finger auf meiner Haut. Verdammt, warum ist das Leben so gemein zu mir. Ich habe Charlie zum Teufel geschickt, ich habe mit ihm abgeschlossen und jetzt bittet er mich um ein Date. Was habe ich verbrochen, um so verarscht zu werden?

Love, friendship and other problemsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt