Stumm [3/7]

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So still, obwohl ich dich mit jedem Tag vermiss'
Und wo immer du auch gerade bist
Du zeigst mir
Dass Stille jetzt dein Freund geworden ist
("Still" - Jupiter Jones)

Im Laufe der nächsten Monate fragte sich Sergio immer wieder aufs Neue, wie jemand wie Cesc, der wohl geselligste Mensch auf Erden, mit Gerard befreundet sein konnte. Die beiden schienen keine Gemeinsamkeiten zu haben. Während sich Cesc bei jeder sich bietenden Gelegenheit integrierte und Freundschaften schloss, stand Gerard, wenn überhaupt, nur daneben und beobachtete seine Mitmenschen. Wenn man ihn ansprach oder versuchte, ihn einzubinden, schüttelte er nur unsicher den Kopf oder lächelte zaghaft. Oft war der Barceloner auch einfach nicht da. Was er dann trieb, wusste man nicht so genau. Die zahlreichen Gerüchte um den rätselhaften Mutisten wurden dadurch bloß zusätzlich beflügelt.

Seinen Höhepunkt erreichte das Gemunkel jedoch als sowohl Gerard als auch Cesc über Nacht spurlos verschwanden. Niemand, nicht einmal die Lehrer, schienen zu wissen, was mit den beiden Katalanen war.

Sergio selbst war nicht wirklich besorgt. Zu Gerard hatte er trotz Cescs Zurechtweisung keinen Draht aufbauen können. Zugegebenermaßen hatte er auch nicht versucht, noch einmal mit dem Jüngeren zu sprechen. Die Ohrfeige hatte heftig an seinem Stolz gekratzt. Er war ihm einfach aus dem Weg gegangen und hatte ihm nie mehr offensichtlich Beachtung geschenkt. Insgeheim hatte er den hübschen Spanier aber oft im Visier. Er erkannte so zum Beispiel dessen Angewohnheiten oder wiederkehrende Gesten, wenn der Blauäugige mit Cesc kommunizierte und interpretierte deren Bedeutung. Obwohl Sergio es nie zugeben würde, hatte er sich wirklich einen Narren an Gerard gefressen, weswegen ihn das Verschwinden von Gerard und Cesc mehr beschäftigte als den Rest der Schüler des Internats. Sorgen machte er sich aber keine.

Das besagte Verschwinden dauerte drei ganze Tage an. Genauso abrupt wie die beiden weg gewesen waren, waren sie auch wieder aufgetaucht. In dieser Zeitspanne hatte Cesc auf keine einzige Nachricht von seinen Klassenkameraden geantwortet. Und wenn die Menschen keine Antworten bekamen, mussten sie sich selbst mit welchen versorgen. Dies wurde auch Sergio klar, als er am zweiten Tag bei seinem Mittagessen in der Cafeteria saß und dem Gespräch seiner Freunde lauschte.

„Ich finde, dass die Möglichkeit, dass die beiden entführt wurden, sehr wahrscheinlich ist. Wieso sollte Cesc sonst auf keine Nachricht antworten?", kam es überzeugt von Isco.

„Und wieso hat dann noch niemand die Polizei gerufen? Ich denke wohl kaum, dass der Schulleiter es zuließe, dass zwei seiner Schüler verschwinden und danach nicht gesucht werden würden. Das wäre ein fataler Imageschaden", widersprach Marcelo.

„Ja, aber welche Erklärung gäbe es sonst? Sie sind von heute auf morgen beide auf einmal weg, ohne irgendjemandem Bescheid zu geben. Keiner weiß, wo sie sind, noch für wie lange noch weshalb", rechtfertigte der Spanier seine These.

„Trotzdem ist deine Vermutung irrwitzig", meinte nun auch Iker dazu.

„Aber es muss irgendetwas passiert sein und wenn ich raten müsste, dann würde ich sagen, dass es primär mit Gerard zusammenhängt. Der Typ ist so merkwürdig, besonders wenn er irgendwo in der Ecke steht und allen anderen beim Spaß haben zu sieht. Ja, mir ist bewusst, dass er stumm ist, aber das heißt doch noch lange nicht, dass er sich nicht irgendwie integrieren könnte", entgegnete Isco wieder.

„Also ich verstehe wirklich nicht, was ihr gegen ihn habt. Ich meine, klar, er ist teilweise wirklich komisch, aber er hat auch seine guten Seiten. Als ich das eine Mal wegen meiner Matheprüfung in der Bibliothek war und fast über diesen elendigen Integral- und Differenzialbeispielen verzweifelt wäre, hat er sich auch unaufgefordert zu mir gesetzt und hat angefangen, mir die Beispiele vorzurechnen und so verständlich zu machen, dass selbst ich sie kapiert habe. Als wir fertig waren, hat er, nachdem ich mich bedankt hatte, einfach sein Zeug genommen und ist gegangen", verteidigte nun Chris den Katalanen.

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