Körpertausch [5/15]

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„Was jetzt?", entkam es Gerard leicht genervt.

„Du musst abheben und ihr sagen, dass du dich nach dem Training meldest. Wir brauchen Zeit, um uns einen Schlachtplan zu überlegen", antwortete Sergio nach kurzem Bedenken.

„Kann ich ihr nicht einfach eine Nachricht schreiben?", wollte der Katalane nun wissen.

„Dann wird sie bloß sauer", entgegnete der Ältere.

„Lieber sauer als misstrauisch. Also komm, diktier mir den Text"

Leise seufzte der Sevillaner: „Okay, okay... Schreib folgendes: „Guten Morgen, mein Schatz! Ich hoffe du hast gut geschlafen und du und die Kinder seid alle wohl auf? Ich kann gerade nicht telefonieren, aber ich verspreche, dass ich mich nach dem Training sofort melde. Os quiero"

Skeptisch hob der Jüngere eine Augenbraue, drückte aber zumindest den Anruf weg.

„Was? Genau so würde ich diese Nachricht formulieren", verteidigte sich Sergio.

„Gut, dann schreib ich dieses Gesülze genauso auf... Zumindest weiß ich jetzt, dass Pilar bei euch zu Hause die Hosen anhat", kam als schulterzuckende Antwort.

„Ach komm, als würdest du nicht so mit deiner Freundin schreiben!", entgegnete der eigentlich Braunäugige nun. Zu dessen Erstaunen kam kein bissiger Kommentar seines Kollegen. Dieser wandte nur den Blick ab und widmete sich offensichtlich der Nachricht.

„Du weißt, du musst mir sowieso erzählen, wie du die Dinge mit Shakira handhabst, falls wir unser kleines Problemchen bis zum Ende der Länderspielpause nicht gelöst bekommen", meinte Sergio nun mit Nachdruck, während er seinen eigenen Körper musterte. Es war zwar noch nicht zur Normalität geworden, seinen eigenen Körper vor sich sitzen zu sehen, doch die anfängliche ‚Befremdlichkeit' war mittlerweile verflogen. So konnte der Sevillaner die braunen Augen vor sich genauestens inspizieren. Ihm war nicht entgangen, dass der Katalane ihm etwas Essentielles verschwieg, das seine Freundin zu betreffen schien.

„Hoffen wir einfach, dass es niemals soweit kommen wird... Wir sehen uns beim Training"

Gerards Abgang wurde von allen Seiten beobachtet. Während Sergio bloß genervt den Kopf schüttelte, spürte er wieder vermehrt die Blicke seiner Kollegen. Großteils waren sie noch neugierig, doch der Sevillaner konnte vereinzelt Verachtung und Abscheu ihm gegenüber wahrnehmen. Es war ihm schleierhaft, wie Gerard so lange nicht in der Lage gewesen war, dies zu bemerken. Sergio war sich sicher, er hätte es sofort realisiert. Doch dann kam dem Kapitän ein anderer Gedanke in den Sinn: Vielleicht war Gerards ‚Dummheit' ja einfach nur ein natürlicher Schutzmechanismus. Nachdem er nach der Offenbarung Sergios so emotional geworden war und aufs Dach gestiegen war, erschien es dem Sevillaner nicht einmal so abwegig. Ganz so nach dem Motto: Wenn ich nicht weiß, was sie von mir denken, kann es gar nicht so schlimm sein. Leicht schüttelte der Andalusier den Kopf. Seine Idee ergab keinen Sinn, obwohl sie eine Erklärung bot. Er verstand sowieso nicht, wie der Jüngere so von den Meinungen anderer abhängig sein konnte und sich so von ihnen beeinflussen ließ. Sergio war sich sicher, er würde die ganze Sache ganz anders handhaben. Ihm war sowieso schon immer egal gewesen, was andere von ihm dachten. Er würde sich niemals verstellen, davon war er fest überzeugt.

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„¡Piqué, cabrón, fuera de la selección!"
(„Piqué, Arschloch, raus aus der Nationalmannschaft!")

Er würde es nicht laut zugeben, doch nicht nur warfen ihn die hasserfüllten Rufe seiner eigenen ‚Fans' aus der Bahn, weswegen er sich kaum aufs Training konzentrieren konnte, sie taten ihm auch weh und das, obwohl er wusste, dass sie damit eigentlich einen anderen meinten.

„¡Piqué, cabrón, España es tu nación!"
(„Piqué, Arschloch, Spanien ist deine Nation!")

Egal, was er auch versuchte, der Sevillaner schaffte es nicht, die Blicke und Stimmen auszublenden. Er hasste die Aufmerksamkeit, die auf ihm lag. Am liebsten würde er auf der Stelle verschwinden. Wie hatte Gerard dabei die ganze Zeit schweigend ertragen können, wenn sich durch diese Aussagen sogar Sergio angegriffen und gehasst fühlte?

Gerard mied Sergios Blick während der Einheit konsequent. Egal, wie oft der Sevillaner versuchte, dessen Aufmerksamkeit zu erhaschen, der Katalane drehte sich immer sofort weg und trainierte weiter, als wäre nichts. Sergio fühlte sich allein gelassen. Er befand sich in einem Körper, der nicht der seinige war, unter Fans, die ihn nicht unterstützten, in einer Mannschaft, zu der er nicht gehörte. In diesem Moment würde er alles tun, um sein eigenes Leben zurück zu bekommen und als Sergio ganz normal und unbeteiligt die Zeit mit seinen Freunden und Anhängern genießen zu können. Doch für die Welt war er nicht Sergio Ramos, beliebter Kapitän der spanischen Nationalmannschaft, sondern Gerard Piqué, aktuelles Hassobjekt der gesamten Nation.

Gerade als Sergio dachte, seine Laune hatte ihren eindeutigen Tiefpunkt erreicht, bemerkte er den Blick seines Trainers. Dem Sevillaner war zwar klar gewesen, dass er keine ausreichende Leistung erbracht hatte, was den ganzen präsenten Ablenkungen geschuldet war, doch die Konsequenzen waren ihm erst in diesem Augenblick bewusst geworden.

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Alternate Universes (Serard)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt