Eine Weihnachtsgeschichte [2/4]

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Einen Moment lang war der Katalane wie gelähmt. Er starrte die Gestalt vor sich an und versuchte, zu verstehen, was gerade los war.

„Du hast dich verändert, Gerard und das nicht zum Guten, so wie ich bedauerlicherweise feststellen musste", meinte die Kreatur nach einigen Momenten der Stille kopfschüttelnd.

„W-Was meinst du damit? Ich bin doch schon immer so wie ich jetzt bin", wollte Gerard nun unsicher wissen. Ihm war die ganz Situation immer noch nicht ganz geheuer.

„Ich wusste, dass ich nicht in der Lage sein würde, dich mit Worten zu überzeugen. Du kannst richtig stur sein, wenn du dir etwas gegen den Strich geht. Deswegen werde ich es dir wohl oder übel zeigen müssen", gab das Wesen bekannt. Fast unverzüglich wurde es noch kälter im Raum, bevor es ganz plötzlich komplett dunkel geworden war.

Das nächste, das Gerard erkennen konnte, war eine Schule. Genauer gesagt seine alte Schule. Nichts hatte sich seit damals verändert, stellte der Katalane erstaunt fest. Plötzlich sah er sein jüngeres Ich und einige seiner früheren Freunde den Gang entlang laufen. Gerard erkannte unter ihnen unter anderem Sergio, der wie alle anderen laut und unbeschwert lachte. Sie waren so glücklich und ohne Sorge gewesen. Sehnsucht machte sich beim Katalanen breit.

„Was machen wir hier?", wollte der Blauäugige mit einem nostalgischen Lächeln wissen.

„Du warst so ein glückliches Kind, Gerard. Du hast immer gelacht und warst gerne unter Menschen. Einsamkeit hast du gehasst... Weißt du noch, als Cesc und du für deine Eltern Kuchen backen wolltet, weil sie wegen eures verstobenen Hundes so traurig waren? Du hast immer auf die anderen geachtet. Dir war wichtig, wie es deiner Familie geht", erklärte der Geist mit einem traurigen Lächeln. Die Szene wechselte. Auf einmal fanden sich Gerard und der Geist im Wohnzimmer von Gerards Großeltern. Alles war weihnachtlich geschmückt und der Katalane vernahm sogar den Duft der Weihnachtsgans, der aus der Küche zu ihnen hin drang. Vor ihnen war Gerards gesamte Familie, die sich um den buntgeschmückten Baum versammelt hatten. Sie lachten und scherzten wie Gerard es schon lange nicht mehr gesehen hatte. Lächelnd beobachtete er die Bescherung und die glücklichen Gesichter seiner Eltern. Das warme Gefühl, das den Katalanen erfüllte, wurde immer stärker.

„War es nicht schön? Den Geist der Weihnacht zu spüren? Einfach glücklich zu sein?", hörte der Blauäugige plötzlich eine Stimme neben sich.

Etwas widerwillig löste er seinen Blick von dem Bild vor sich: „Ja, es war schön... so wie Weihnachten immer war"

Einen Moment herrschte Stille, doch dann sprach die Gestalt wieder: „Du solltest dich langsam verabschieden, Gerard. Wir können nicht mehr lange in der Vergangenheit bleiben?"

„Was? Nein, bitte nicht! Ich möchte hier bleiben! Gib mir doch noch etwas Zeit! Ich habe meine Eltern und Großeltern schon so lange nicht mehr gesehen", flehte der Katalane plötzlich mit großen Augen.

„Es tut mir so leid, Gerard, wirklich, aber du gehörst nicht mehr in diese Zeit"

Mit diesem Satz wurde es wieder dunkler und ehe sich Gerard versah, befand er sich wieder in seinem Schlafzimmer. Das warme Gefühl in seiner Brust war verschwunden, stattdessen war dem Blauäugigen kalt. Er fühlte sich einsam.

„Warum hast du das getan?", fragte der Unternehmer bitter.

„Wie gesagt, du hast dich verändert, Gerard und auf diese Entwicklung kannst du nicht gerade stolz sein. Du hast vergessen, worum es bei Weihnachten wirklich geht. Stattdessen denkst du nur an dein Geschäft und wie du den größtmöglichsten Gewinn herausholen kannst. Nicht einmal deinem Assistenten, den du eh schon von Beginn an ausbeutest, kannst du eine Stunde frei geben, damit er seine Schwester ein Geschenk kaufen kann, weil sich das ja negativ auf deine Geschäfte auswirken könnte. Weihnachten ist ein Fest der Familie und der Liebe. Das war schon immer so und das wird auch immer so blieben. Es wird nur Zeit, dass wir dich daran erinnern", antwortete der Geist, der den Katalanen mit einem missbilligenden Blick bedachte. Doch bevor Gerard auch nur den Mund aufmachen konnte, um sich zum Gesagten äußern zu können, war der Geist verschwunden. Zurück blieb Gerard, der sich seufzend ins Bett fallen ließ. In seinem Kopf wiederholten sich die Worte der Gestalt immer wieder. Der Geist wollte ihm zeigen, wie schön das Weihnachtsfest doch war und er es unbedingt mit seiner Familie feiern sollte. Wütend schlug Gerard mit der Faust auf sein Kissen, während er ein teils verzweifeltes, teils trauriges „Ich habe doch gar keine Familie mehr" von sich gab.

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„Ich sehe, auch dich hat der Besuch des Geistes der vergangenen Weihnacht aufgewühlt"

Erschrocken sah Gerard auf. Vor ihm stand wieder eine Gestalt, die der ersten sehr ähnelte.

„Ich hatte damit gerechnet, dass du nicht gut mit den Erinnerungen umgehen würdest. Du hast vieles an Gefühlen unterdrückt in den letzten Jahren. Kein Wunder, dass du so geworden bist", sprach die Gestalt unbeirrt weiter.

„Und du bist?", verlangte der Katalane zu erfahren.

„Ich bin der Geist der gegenwärtigen Weihnacht"

Mit diesen Worten wurde es wieder kälter und dunkler im Raum. Verwundert sah Gerard den Geist an, als er wieder etwas erkennen konnte.

„Das ist ja mein Wohnzimmer. Was machen wir hier?", erkundigte sich der Katalane erstaunt.

„Dein heuriges Weihnachtsfest betrachten, natürlich. Traurig und trostlos, findest du nicht auch?", antwortete die Gestalt.

Gerard antwortete nicht. Natürlich war sein Leben, seitdem er alleine war, eintönig geworden. Er hatte sich daran gewöhnt, dass es ruhiger war, dass niemand mehr da war, dem er eine Freude machen konnte. Nur für sich selbst würde er nie so viel Aufwand betreiben und einen Baum kaufen und schmücken. Außerdem würde es ihn bloß daran erinnern, wie einsam er in Wirklichkeit war.

„Du hast zwar alles, aber dein Weihnachtsfest ist leer", murmelte der Geist und obwohl er es nicht wollte, musste Gerard dem Wesen recht geben.

„Weißt du, es gibt viele Menschen, die nicht so viel beziehungsweise gar nicht haben und trotzdem so feiern können wie du und deine Familie es früher getan habt. Sergio zum Beispiel. Der arme musste schon so viel durchmachen mit der kleinen Miriam und trotzdem feiert er ein glückliches Weihnachtsfest. Bei ihm Zuhause geht es nicht um Geld oder die Geschenke, sondern um die Familie"

Mit diesen Worten war es wieder dunkler und kälter geworden. Gerard konnte es sich fast denken, was er als nächstes sehen würde.

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Ich bin nicht zufrieden damit, aber was soll's? Besser wird's nicht mehr. Tipp- beziehungsweise Logikfehler wurden übrigens noch nicht ausgebessert.


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