»Ist ja gut, Rebecca.«, sagt Juan immer wieder und streichelt mir dabei über den Rücken. Doch das plötzliche Vibrieren meines Handys lässt mich schließlich hochschrecken.
Auf dem Display erscheint der Name der Person, die mich gerade versucht, anzurufen. Bradley. Hastig streiche ich mir eine Träne aus dem Auge und drücke ihn weg, um mich wieder an Juan zu lehnen, dessen langsamer Atem und vertrauter süßlicher Geruch mich beruhigen. Nach einer Weile hebe ich meinen Kopf von seiner Brust und schaue aus dem Fenster. Der volle Mond erhellt den dunklen Nachthimmel.
»Wo soll ich dich hinfahren?«, durchbricht Fernandos kühle Stimme plötzlich die Stille.
Das ist eine gute Frage. Nach Hause kann ich nicht, bis ich morgen den Vermieter angerufen habe, damit ein neues Schloss in die Haustür eingebaut wird. Zu Bradley kann ich auf keinen Fall. Was soll ich jetzt machen?
»Ich hab keine Ahnung.«, sage ich wahrheitsgetreu, während ich aus dem Fenster starre. Tausend Gedanken schwirren mir durch den Kopf und doch fühle ich mich leer. Ausgelaugt.
»Wieso? Kannst du denn nicht nach Hause?«, fragt mich Juan von der Seite überrascht und zieht seine Augenbrauen nach oben.
»Nein, da kann ich erst morgen wieder hin. Am Freitag wurde bei uns eingebrochen...«, antworte ich schwer schluckend. »Ich war am Wochenende bei...bei Bradley. Aber...aber da kann ich jetzt nicht mehr hin.«
»Bradley ist der Typ...von eben?«, fragt Juan vorsichtig und ich nicke nur.
Dann ist es kurz still und als ich zu Juan schaue, bemerke ich, dass dieser ein wortloses Blickduell mit seinem Bruder durch den Rückspiegel ausfechtet, durch den Fernando böse mit seinen rabenschwarzen Augen schaut.
»Wie wäre es, wenn du diese Nacht bei uns bleibst?«
Als Juan diese Frage ausspricht, höre ich ein Schnaufen von vorne und Fernando murmelt: »Dios mío, Juan, te voy a matar!«
»Bei euch?«, frage ich verwirrt.
»Ja, bei Fernando und mir.«, antwortet Juan und ich höre ein weiteres Schnaufen vom Fahrersitz.
Peinlich berührt schaue ich Juan an. Es ist mir alles so unangenehm. Ich fühle mich wie eine Obdachlose. Wie tief muss ich eigentlich noch sinken? Zuerst bleibe ich ein Wochenende bei Bradley, meinem Lehrarzt, der sich als gewalttätiger Schläger entpuppt, der an illegalen Faustkämpfen der italienischen Mafia teilnimmt. Und jetzt soll ich bei Juan und seinem Bruder schlafen, der einst ebenfalls an solchen Kämpfen teilnahm und immer noch für die Mafia arbeitet? Wo bin ich hier verdammt nochmal hinein geraten?
Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto bewusster wird mir, dass ich keine andere Wahl habe.
Ich kann jetzt nicht zu Tom oder Tiffany. So aufgewühlt, wie ich gerade bin, würden sie Fragen stellen. Unmöglich kann ich irgendwem von alldem hier erzählen. Mir würde keiner Glauben und außerdem wäre es zu gefährlich, von dem kriminellsten und geheimsten Treffpunkt der Stadt zu erzählen. Letztlich habe ich Juan und Fernando versprochen, niemandem etwas zu erzählen.
Dann führt Juan seine Hand an meine Wange und streicht mir meine Tränen weg. »Ist schon okay, Rebecca.«, sagt er lächelnd.
»Aber ich will euch keine Umstände machen.«
»Machst du nicht, mach dir keine Sorgen, mi hermosa.«
Langsam nicke ich. »Aber meine Sachen sind noch bei ihm. Ich habe noch eine Tasche dort.«
»Dann holen wir die noch.« Seine Stimme hört sich so sanft und verständnisvoll an. Ich bin ihm in diesem Moment so dankbar.
Doch von vorne höre ich Fernando »Pendejo.« murmeln, wovon ich weiß, dass es nicht gerade eine Liebkosung ist.
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Stronger - Secret Love #wattys2019 #aestethicaward2020 #glitzeraward2019
Romance❗️Enthält erotische Szenen ❗️ Die Einserschülerin Rebecca Wilson studiert Medizin in San Francisco. Nach einer gewalttätigen Beziehung ist sie froh, in den USA neu anfangen zu können. Doch dann lernt sie den geheimnisvollen, attraktiven und wohlhab...