Teil4

1.2K 52 2
                                    

Eine Eule, ein Formular, zwei Unterschriften ...

Mehr war nicht nötig um Hermiones bisheriges Leben auf den Kopf zu stellen, es in völlig andere Bahnen zu lenken.

Genauso schnell, wie der Prozess in Gang gestoßen wurde, wurde er vom Ministerium aufgenommen und fortgeführt, das hatte sie bereits heute Morgen direkt nach dem Frühstück feststellen können.

Eine Woche ... Sie hatte nur noch eine knappe Woche. Danach wäre sie, sie schauderte leicht bei dem Gedanken, MRS. SNAPE.

Wie sich das anhörte. Es war so abwegig, so abstrakt, so ... unwirklich.

Hermione seufzte, lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und streckte sich, bevor sie wieder auf das Buch blickte, das vor ihr auf dem Tisch in einer uneinsichtigen Ecke der Bibliothek lag: „Rechte & Pflichten nach Paragraph 85 des Zauberergesetzbuches - Eine Einführung in die Zaubererehe".

Ihr erster Weg hatte sie in die Bibliothek geführt, nachdem sie am Vortag die Formalitäten erledigt und das Büro des Schulleiters verlassen hatte. Seitdem wälzte sie ein Buch nach dem anderen, nur kurz von den Essenzeiten und dem Unterricht unterbrochen, um herauszufinden, was auf sie zukommen könnte. Was auf sie zukommen würde ... Was nicht veränderbar zu sein schien ...

Denn es stimmte, er hatte nicht gelogen. Die Ehe musste in der Hochzeitsnacht ... vollzogen werden. Schon wenn sie daran dachte, wurde ihr ganz anders. Ihr Magen krampfte sich zusammen und sie musste den Impuls unterdrücken, in ihr Bett zu flüchten und sich die Decke über den Kopf zu ziehen.

Wie sollte sie das nur schaffen?

Wieder überkam sie die Wut, die seit gestern ihr ständiger Begleiter war. Wut auf das Ministerium und auf Albus Dumbledore, die einfach über ihr Leben bestimmten und es als selbstverständlich nahmen, dass sie sich fügte. Und Wut auf den Mann, der ihr Professor war und bald so viel mehr sein würde. Wieso er? Wieso konnte es niemand anderes sein? Jemand, den man ... zumindest mögen könnte. Wie konnte man von ihr verlangen, mit einem Mann zusammenzuleben, der nie auch nur ein freundliches Wort für sie übrig hatte, der sie nie länger als nötig angesehen hatte, der ... einfach unausstehlich war!

Frustriert knallte sie das Buch zu, stand auf und ließ ihre Faust auf den Tisch donnern. Es war so verdammt ungerecht!

Unruhig begann sie, auf und ab zu laufen und sprach leise, fast flehend vor sich hin, als ob irgendjemand ihre Gedanken hören konnte und ihr vielleicht helfen würde.

Wenn es doch nur einen Ausweg geben würde. Aber es gab keinen. Sobald eine Zaubererehe vollzogen war, war sie nur durch den Tod aufzulösen. Ein reizvoller Gedanke, wenn man es recht bedachte ...

Sie würde seine Sklavin sein. Denn so und nicht anders waren die Paragraphen zu verstehen. Sobald eine Hexe einen Zauberer heiratete, dann war sie sein Eigentum. Die im tiefsten Mittelalter festgelegten Gesetze galten auch heute noch, sie waren nie geändert, nie angepasst worden. Und obwohl sie heutzutage natürlich nicht mehr so radikal gelebt wurden, da Zwangsehen nicht mehr alltäglich waren, so hatten sie trotzdem weiterhin Bestand.

Und im Klartext hieß das für sie, dass ein zynischer, verbitterter, unfreundlicher Sadist über sie entscheiden durfte. Ob sie die Schule beenden durfte, einen Beruf ergreifen konnte oder wie viel Geld ihr zur Verfügung stand, denn auch ihr Einkommen würde ihm gehören.

Sie wäre erst wieder frei, wenn er tot wäre. Und da er nur zwanzig Jahre älter war und mit Sicherheit eine diebische Freude daran haben würde, sie zu überleben, gab es hier kaum Hoffnung. Es war so absurd.

Sie seufzte, ließ sich wieder auf den Stuhl fallen und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Sie konnte das einfach nicht ... Gestern dachte sie noch sie würde es hinbekommen. Aber nachdem sie diese neuen Informationen hatte. Wie konnte sie sich wissentlich in die Sklaverei verkaufen?

Der Blickwinkel macht den UnterschiedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt