Teil15

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Der Weg bis vor die Tore von Hogwarts erschien Hermione an diesem Freitag einerseits unendlich lang, andererseits war er viel zu kurz. Während sie sich gegen den eisigen Novemberwind stemmte und dabei an einem Laugenbrötchen knabberte, überlegte sie, wie sie ihren Eltern die Nachricht beibringen sollte. Und was genau sie preisgeben musste und sollte. Natürlich mussten sie erfahren, dass sie heiraten würde. Aber mussten sie wissen, dass es unter Zwang geschah? Und vor allem, wen sie heiraten würde? Ihre Eltern waren nicht dumm, sie würden Fragen stellen, wenn sie ihnen einfach eine überglückliche Braut vorspielen würde. Sie würden den Bräutigam kennenlernen wollen, sie dazu befragen, warum es so schnell und unerwartet und während ihrer Schulzeit passieren sollte. Sie würden vermutlich die falschen Schlüsse ziehen, wenn sie ihnen die wahren Gründe verheimlichte. Und dann wären sie enttäuscht von ihr. Hermione hatte in so kurzer Zeit so viel verloren, sie konnte nicht auch noch den Respekt und die Liebe ihrer Eltern verlieren. Damit blieb ihr nur, ihnen die Wahrheit so gut es ging zu vermitteln und zu hoffen, dass sie es verstehen würden.

Sie seufzte tief. Es würde ein anstrengendes Gespräch werden, eines, das sie am liebsten schon hinter sich hätte, denn zum ersten Mal überwog die Sorge vor dem Ausgang dieser Unterredung deutlich über der Freude, ihre Eltern zu sehen.

Zuerst in die Winkelgasse, entschied sie daher und überzeugte sich davon, dass ihre Eltern in der Praxis sowieso beschäftigt waren und ein Besuch zur Mittagspause günstiger wäre. Eine fade Ausrede, denn sie wusste, dass ihre Eltern freitags nur Notfälle behandelten und ansonsten lediglich die Büroarbeit erledigten, sie würden also den ganzen Tag Zeit für sie haben. Aber sie selbst brauchte diese kurze Verschnaufpause noch, bevor sie ihnen gegenübertrat.

An den Toren angekommen, schloss sie die Augen und war gleich darauf mit einem leisen Plopp verschwunden.

Es war geradezu lächerlich einfach gewesen. Nachdem sie die Vollmacht von Professor Dumbledore vorgezeigt hatte, saß sie keine zwei Minuten später in einer der Loren und versuchte, das Laugenbrötchen im Magen zu behalten, das sie heute Morgen noch gegessen hatte.

Nach der Fahrt, die vermutlich nur zwei Minuten gedauert hatte, ihr aber wie Stunden vorgekommen war, stand sie nun seit zehn Minuten in dem riesigen Verlies und konnte sich nicht sattsehen an den ganzen Büchern, die hier lagerten. Was gäbe sie dafür, hier ein Jahr verbringen zu dürfen! Die Bücher waren alt und damit meinte sie nicht ein- oder zweihundert Jahre ... Es waren hauptsächlich Pergamente, die, wie sie schnell erkannte, unter einem Stasiszauber lagen, um sie vor dem Zerfall zu schützen. Einige schienen noch aus dem finstersten Mittelalter zu stammen, vielleicht sogar von den alten Griechen, Kelten oder sogar Ägyptern, da sie auch Papyrusrollen entdeckte.

„Ist Miss fertig?", wurden ihre Gedanken von einer schlecht gelaunten Stimme unterbrochen, die zu dem Kobold gehörte, der sie hierher geleitet hatte. „Einen Moment noch", antwortete sie und begann jetzt damit, eines der in Frage kommenden Bücher per Accio Zauber zu sich zu rufen.

„Accio ‚Der Körper im Wandel der Zeit'!"

„Accio ‚Heilkunde im achtzehnten Jahrhundert'!"

Sie probierte einige Bücher durch, die beinhalten sollten, was sie suchte, aber keines davon schien zum Bestand im Verlies zu gehören.

„Miss darf nur ein Buch mitnehmen", unterbrach der Kobold erneut ihre Überlegungen. Sie stöhnte innerlich genervt auf. Er hatte ihr das auf dem Weg hierher schon gefühlte hundert Mal erklärt. Die Vollmacht bezog sich auf das Betreten des Verlieses und die Mitnahme eines Objektes daraus. Nicht mehr, nicht weniger.

Die Frage war jetzt nur, wie konnte sie das Buch finden, das sie suchte?

Da kam ihr eine Idee und sie hob erneut ihren Zauberstab und rief: „Reperio ‚Verhütung'!"

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