„Ich muss noch einige Aufgaben erledigen. Ich erwarte dich in einer Stunde im Wohnzimmer", erklärte er ihr, bevor er süffisant hinzufügte: „Es sei denn, du kannst es nicht erwarten?"
Sie floh vor seinem Grinsen und seinen Worten die Treppe hinauf und verachtete sich im gleichen Moment dafür, dass sie so schwach war. Wieso konnte sie sich ihm nicht entgegenstellen?
Weil er unheimlich war, undurchschaubar, ein Todesser, ein gemeiner, niederträchtiger, sarkastischer Lehrer und alles andere dahinter verschwand. Wenn er sie so ansah, so ansprach, dann gab es keinen Gedanken mehr an seine Hände, seine Anmut, seinen großen, schlanken Körper, den sie ansonsten vielleicht sogar anziehend gefunden hätte. Alles verblasste vor dem kalten, gefühllosen Ausdruck in seinen Augen.
Noch eine Stunde ...
Was sollte sie in dieser Zeit machen, wie sich ablenken, bevor sie noch wahnsinnig wurde?
Severus füllte vorsichtig den Trank in die Phiole, dann begutachtete er kritisch dessen Farbe, bevor der Zauberer zufrieden lächelte. Er war perfekt. Der Meister der Zaubertränke war sich sicher, dass er seinen Zweck erfüllen würde.
Er stellte das Glasfläschchen zu der anderen mit dem unappetitlichen, schlammfarbigen Inhalt. Jetzt war alles bereit. Egal, wie dieser Abend ausgehen würde, er würde seine Aufgabe erfüllen können. Sie beschützen und gleichzeitig den Dunklen Lord zufriedenstellen. Es würde ihre Entscheidung sein, welchen Weg sie gehen würden, auch wenn sie das nie erfahren würde.
Er verdrängte den Gedanken an ihren Duft, ihre weichen Haare, ihren Körper und seinen heimlichen Wunsch, den Notfallplan nicht zu benötigen. Denn er war Realist und das Leben hatte sich bisher noch nie nach ihm gerichtet. Wieso sollte es heute also anders sein?
„Du hast noch zehn Minuten, meine Liebe", durchbrach Margery ihre Gedanken. Hermione wandte überrascht ihren Kopf und blickte auf die Uhr, die inzwischen auf ihrem Schreibtisch stand.
Tatsächlich, der größte Teil der letzten Stunde war vergangen, ohne dass sie als Wrack in ihrem Schlafzimmer gelandet war. Schnell ließ sie ihre letzten Bücher in die Regale gleiten und betrachtete zufrieden ihr Werk. Sie hatte die letzte halbe Stunde dazu genutzt, ihre wenigen Habseligkeiten in ihren neuen Räumen zu verstauen, um sich abzulenken. Es war ein guter Rat von Margery gewesen, die die Zeit davor dafür benötigt hatte, sie aus ihrer plötzlichen Verzweiflung und Panik zu holen. Sie war Professor Dumbledore für sein Geschenk wirklich zu Dank verpflichtet.
„Oh, schon soweit? Dann sehen wir uns nachher vielleicht noch ... hoffentlich ...", antwortete sie jetzt in Richtung des Portraits, bevor sie das Arbeitszimmer schnell verließ.
„Viel Glück, Kleines. Hab Vertrauen in ihn. Er wird dich beschützen, auch vor sich selbst", entgegnete das Abbild der älteren Hexe, aber die junge Frau war schon verschwunden und hörte sie nicht mehr.
Seufzend verließ Margery ihr Bild, um eine Freundin zu besuchen. Sie brauchte jetzt vor allem eines: Ablenkung.
Gerade als sie auf der letzten Stufe stand, trat auch Severus aus seinem Arbeitszimmer heraus ins Wohnzimmer.
Inzwischen flackerte ein Feuer im Kamin und verbreitete eine wohlige Wärme, konnte jedoch das Zittern nicht überwinden, das Hermione plötzlich wieder überkam.
Sie hatte sich nach Rücksprache mit Margery dazu entschieden, ihr Kleid anzulassen, nachdem sie es noch einmal magisch geglättet hatte, und lediglich den Festumhang ausgezogen. Jetzt legte sie unwillkürlich die Hände auf ihre nackten Oberarme, um sich zu wärmen, verharrte auf der letzten Stufe und wartete auf das, was jetzt geschehen würde.
Ihr Ehemann hatte sich inzwischen an die offene Tür seines Arbeitszimmers gelehnt, stand dort mit verschränkten Armen und beobachtete sie wortlos.
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Der Blickwinkel macht den Unterschied
FanfictionGut, um es kurz zu machen. Vor einigen Jahren wurde mir die Aufgabe gestellt, eine Parodie zu schreiben über etwas, was mich bei Fanfiktion stört. Dabei dachte ich spontan an diese ganze Heiratsgesetzklamotte, die schon gefühlte tausend Mal in FFs d...