Teil26

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„Was weißt du über die Legilimentik, diese sensible Kunst, in den Geist eines Menschen einzudringen, seine geheimsten Gedanken, Wünsche und Erinnerungen in Erfahrung zu bringen und sie sich nutzbar zu machen?", fragte er seine junge Frau mit seltsam betörender Stimme und blickte sie dabei durchdringend an.

Ein leichter Schauer lief ihr über den Rücken, als seine Worte unwillkürlich Bilder in ihrem Kopf heraufbeschworen. Bilder, die ihr gar nicht gefielen. Nach dem Gesetz gehörte sie ihm. Ihr Körper, ihr Leben ... Nur ihr Geist nicht.

Aber jetzt, bei seinen Worten, kam nicht nur die Erkenntnis, dass dieser Unterricht dazu dienen würde, ihre Gedanken weiterhin zu schützen. Nein, sie würde sie auch preisgeben, ob sie wollte oder nicht. Und zwar ihm. Ihrem Lehrer und Mann. Demjenigen, vor dem sie gewisse Dinge mehr als alles andere geheim zuhalten wünschte ...

Und sie wusste plötzlich mit erschreckender Klarheit, dass er erbarmungslos alles ans Licht ziehen würde. Nicht nur die Zweifel, die sie durchlebte, die Ängste, derer sie nicht Herr werden konnte oder die Albträume, in denen er so eine große Rolle spielte. Nein, auch ihre geheimsten Wünsche, die ihr vielleicht selbst nicht bewusst waren, und ihre Sehnsüchte, ihr Verlangen würde er sehen können, eintauchen in ihre Gefühle und sie dann gegen sie benutzen.

Oh, sicherlich war es nicht sein primäres Ziel, sie zu erniedrigen und zu entblößen. Gewiss diente das Ganze tatsächlich dem Zweck, ihren Geist vor Voldemort und den Todessern besser zu schützen, sich zumindest Zeit zu verschaffen, sollte sie je in ihre Fänge geraten.

Aber das änderte nichts daran, dass dieser Mann, mit dem sie vor dem Gesetz verheiratet war und den sie kaum kannte, bald alles von ihr wissen würde. Weil er Legilimentik anwenden würde, um ihr die Okklumentik beizubringen ...

Denn was sie von Harry über seinen Unterricht erfahren hatte, ließ sie nicht darauf hoffen, zuerst eine theoretische Einweisung zu erhalten, um das Prinzip verstehen zu können und somit schneller einen Schutz aufbauen zu können.

„Hermione?", wurde sie herrisch aus ihren Gedanken gerissen und blickte erschrocken auf.

„Wenn du die Güte hättest, meine Frage zu beantworten, wäre ich dir äußerst verbunden! Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!", fuhr er sie in bester Manier an und fast konnte sie sich einbilden, dass sich nichts geändert hatte, sie immer noch lediglich seine Schülerin war.

Ihre Mundwinkel zuckten leicht, bevor sie schließlich zu einer Antwort ansetzte: „Kurz gesagt ist die Legilimentik die Fähigkeit, in den Geist eines anderen Menschen einzudringen, um seine Erinnerungen, Gefühle oder Gedanken aufzunehmen und zu erkennen. Hierfür kann der Zauber „Legilimens" genutzt werden, bei entsprechender Macht des Magiers ist dies jedoch nicht erforderlich, lediglich Augenkontakt ist in beiden Fällen notwendig. Für einen unerfahrenen Menschen ist das Eindringen in den eigenen Geist teilweise nicht bemerkbar, wenn es mit genug ... Kunstfertigkeit und Feingefühl geschieht. Ein Okklumentiker, also ein Zauberer, der seinen Geist willentlich vor einem Angriff schützen kann, bemerkt einen Angriff sofort, selbst wenn er ihn nicht verhindern kann. Die Ausübung der Legilimentik ist in der Zaubererwelt nur zum Zwecke der Unterweisung in die Okklumentik erlaubt, auch darf das Wissen um ihre Anwendung nicht weitergegeben werden."

Sie beendete ihre Ausführungen und blickte ihn dann stirnrunzelnd an.

„Du hast eine Frage?", entgegnete er nach einigen Sekunden des Schweigens. Er kannte diesen Blick seit ihrer ersten gemeinsamen Schulstunde vor so vielen Jahren, aber erst in den letzten Tagen ging er tatsächlich darauf ein und versuchte, ihren Wissensdurst zu stillen, den Hunger, den er in ihren Augen sah ... Der dem seinen aus früheren Zeiten so sehr glich ...

„Kann auch ein Muggel einen Angriff abwehren?" Ihre Frage brachte ihn wieder zurück in die Gegenwart.

Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und schaffte es, seine ausdruckslose Miene beizubehalten, auch wenn er sich innerlich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Zum wiederholten Mal gestand er sich widerwillig ein, dass es tatsächlich amüsant war, sie zu unterrichten. Natürlich hatte er keinen Spaß dabei, wie könnte er auch, aber es war ... unterhaltsam, ihren Verstand arbeiten zu sehen.

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