Teil12

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Hermione hatte gut daran getan, ihre Freunde zeitig einzuweihen. Am nächsten Morgen erschienen mehr Eulen in der Großen Halle, als sie jemals auf einmal gesehen hatte. Sie flogen wild durcheinander, die meisten nicht nur mit Briefen, sondern auch mit Zeitungsausschnitten oder direkt ganzen Zeitungen beladen. Die Luft vibrierte von den Flügelschlägen der mächtigen Schwingen, das Krächzen einzelner Tiere und die aufkommende Unruhe, die ihre Ankunft verursacht hatte, ließ fast jedes andere Geräusch in der Halle verstummen.

Langsam schloss die junge Frau die Augen in dem verzweifelten Versuch, die Umwelt auszusperren, nicht zu erleben, was jetzt unweigerlich folgen würde.

Sie fühlte, wie jemand ihre rechte Hand drückte und sie hob den Kopf, um in Harrys Gesicht zu blicken, der sie mitfühlend ansah.

Das erlöste sie aus der Starre, in die sie kurz gefallen war. Schnell räumte sie ihre Sachen zusammen, stand auf und flüchtete aus der Großen Halle.

Sie hatte keinerlei Bedürfnis mitzuerleben, wie ihre Mitschüler ihre eigenen Schlussfolgerungen zogen, auch wenn selbst dann noch niemand wissen konnte, wer ihr ... Verlobter war.

Die nächsten zwei Tage waren schlimmer, als sie es sich ausgemalt hatte. Es gab kein anderes Thema auf Hogwarts als das neue Gesetz. Die Schüler wurden nicht müde, darüber zu philosophieren, was sie tun würden, wenn sie an der Reihe wären und wer für sie infrage kommen würde. Einige Paare liefen bedrückt durch die Gänge, als ihnen klar wurde, dass sie das Gesetz zusammen nicht erfüllen konnten. Freundschaften zerbrachen, andere wurden auf sachliche, realistische Art in vorsichtigen Bahnen aufgebaut, immer die neuen Regeln im Hinterkopf. Und neben all diesen Dingen zerrissen sich gerade die Jüngeren das Maul über die Paare, die bereits verkündet worden waren. Darunter auch die größte Sensation seit der Verkündung von Lord Voldemorts Rückkehr. Hermione Jean Granger, Sechstklässlerin aus Gryffindor und vermutlich die intelligenteste Hexe, die seit zweihundert Jahren auf Hogwarts lebte, würde den unbeliebtesten, verabscheuungswürdigsten, unheimlichsten und gruseligsten Lehrer heiraten, den die Schule seit langem gesehen hatte. Severus Snape. Zuerst hielten es viele für einen dummen Witz, einen geschmacklosen Scherz, den sich einer der Mitschüler ausgedacht hatte. Aber der Zeitungsartikel, in dem es schwarz auf weiß bestätigt wurde, machte schnell die Runde ...

Von diesem Moment an veränderte sich alles für Hermione. Sie musste nur ein Klassenzimmer betreten und die Gespräche verstummten schlagartig, bevor sich an einzelnen Tischen Gekicher breitmachte, wenn Mädchengruppen ihre Köpfe zusammensteckten.

Egal, wohin sie kam, wurde sie zum Gesprächsthema. Es wurden Witze gerissen, sie wurde veräppelt, auf den Arm genommen, drangsaliert, sie wurde als Sympathisantin des Dunklen Lords hingestellt, als Slytherinfreundin und noch Schlimmeres beschimpft. Ohne Ginny und Harry hätte sie die Tage nicht überstanden. Harry unterstützte sie, wo er konnte, verteidigte sie bei jeder Gelegenheit und versuchte, sie nirgends alleine zu lassen. Sobald Ginny von der Sache erfahren hatte, hatte auch sie sich ungefragt auf ihre Seite gestellt, ebenso wie einige andere ihrer Freunde. Neville, Luna und sogar Cho Chang versuchten ebenfalls, ihr zu helfen, wo es nur ging.

Nur Ron, einer ihrer engsten Gefährten, ging ihr in dieser Zeit aus dem Weg. Er beteiligte sich niemals an den Hänseleien der Schüler, aber er tat auch nichts, um sie zu verhindern. In dieser Zeit, in der sie ihn gebraucht hätte, ließ er sie alleine und schon sein Anblick erinnerte sie daran, was sie neben ihrer Freiheit, ihrem Leben und ihrem Glück noch verloren hatte.

Rückblickend wusste sie kaum, wie sie diese Tage überstanden hatte. Das Gerede wurde erst besser, als auch die Lehrer am dritten Tag Wind davon bekamen, was vor sich ging und Professor Dumbledore zum Abendessen eine ernste Ansprache über Kollegialität, Zusammenhalt und respektvollen Umgang miteinander hielt.

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